Dokumentarfilm über ein Bordell in der Frankfurter Innenstadt, das in einer Art Innenschau den Alltag der Frauen beobachtet und ihren Ansichten eine Plattform bieten will. Bar jeden Voyeurismus, aber auch ohne Interesse an den kritischen Diskursen erkundet der klar strukturierte Film ein anrüchiges Gewerbe und dessen Verführungsstrategien. Der Film streift auch abseitigere Regionen des Begehrens, vermag seine Protagonistinnen aber dennoch zumindest ansatzweise aus den Klichees ihres Umfelds zu befreien.
Five Sex Rooms und eine Küche
Dokumentarfilm | Deutschland 2007 | 80 Minuten
Regie: Eva Heldmann
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2007
- Produktionsfirma
- Eva Heldmann Filmprod.
- Regie
- Eva Heldmann
- Buch
- Eva Heldmann
- Kamera
- Rainer Komers
- Musik
- Hubert Machnik
- Schnitt
- Michèle Barbin · Eva Heldmann
- Länge
- 80 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16 (DVD)
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Ein Bordell in der Frankfurter Innenstadt: Fünf Zimmer für käuflichen Sex und eine Gemeinschaftsküche. Nüchterner lässt sich auch ein Dokumentarfilm über einen Puff nicht annoncieren. Der Titel bezieht sich allerdings weniger auf den Zuschnitt der Altbauwohnung, sondern deutet den Fokus der Regisseurin Eva Heldmann an: eine Innenschau, getragen von Neugier und Anteilnahme, ebenso weit vom Voyeurismus einschlägiger Fernsehreportagen entfernt wie von herrschaftskritischen Diskursen à la Sohrab Sahid Saless’ „Utopia“ (fd 24 796). „Prostitution ist ein Spezialberuf mit vielen Facetten und Formen“, schreibt die Regisseurin im Presseheft. „Dass er viele, die in diesem Beruf arbeiten, auch zum Nachdenken anregt, erfüllt und glücklich macht, ist kaum vorstellbar.“ Dagegen opponiert der Film. Wenn man „Lady Tara“, der Chefin des „Etablissements“, zuhört oder den Gesprächen in der kleinen Küche folgt, gewinnt man den Eindruck von Zufriedenheit und Selbstbestimmung. Das hat auch damit zu tun, dass die sechs Frauen mehrheitlich als Domina arbeiten und ein entsprechendes Selbstbewusstsein haben, andere Menschen in abseitige Regionen des Begehrens oder des Schmerzes zu führen. Zuallererst aber ist es der Machart des Films geschuldet, der den Huren eine „Plattform für ihre Ansichten“ bieten will und sich quasi häuslich an ihrem Küchentisch niederlässt. Kommentarlos beobachtet die Kamera die Frauen beim täglichen Allerlei: am pausenlos bimmelnden Telefon, wo sie mit verführerischen Stimmen ihre Proportionen anpreisen, beim Rauchen und Tratschen, den oft langen Wartezeiten, die mit Körperpflege, Kochen, Lektüre etc. gefüllt werden – oder bei der Verwandlung, wenn es an der Türe läutet. Dann werden eilig Schluppen gegen verwegene High Heels getauscht, die über den Gang stöckeln und in einem der fünf Zimmer verschwinden.
Die Schuhe haben es der Filmemacherin angetan. Der Film beginnt mit einer Kamerafahrt hinter zwei halsbrecherisch hohen Absätzen her, die als rhetorischer Topos unzählige Male variiert wird: „High Heels“, verrät das Presseheft, „tanzen in schreienden Farben und grellem Licht, sie verselbständigen sich zu einem schnellen Ballett der Dominanz, der Künstlichkeit und des Vergnügens.“ Entsprechend emphatisch wird der wohltuend strenge Film, wenn er aufs Schuhwerk blickt. In der Regel bedient Heldmann sich aber der im Titel anklingenden Raumpoetik, um den realen Ort, aber auch dessen imaginäre Dimensionen in den Blick zu bekommen. Die Kamera fixiert immer wieder den langen, farblich unterschiedlich ausgeleuchteten Flur, in dem die Geräusche aus den „Sex Rooms“ nachhallen, ehe diese sukzessive selbst thematisiert werden. Drei davon (das „griechische“, blaue und gelbe Zimmer) dienen herkömmlichen Vergnügungen, was mit einer einzigen, filmästhetisch durchaus ambitionierten Bild-Ton-Collage abgehandelt wird. Ausführlicher wird das „weiße Atelier“ vorgestellt, das täuschend echt als Arztzimmer eingerichtet und entsprechenden Fantasien gewidmet ist; die meiste Aufmerksamkeit aber gilt dem „schwarzen Studio“ und seinen bizarren S/M-Werkzeugen, die in einer Live-Performance am lebenden Objekt erprobt werden. Auch hier wahrt der Film seine Neutralität und überlässt es einmal mehr Lady Tara, sich über „Sklaven“ und die geheimen Fantasien von Männern auszulassen. Durch diese Kombination aus verhaltenen Bildern und Kommentaren erfährt man viel über das Unternehmen Bordell und seine Strategien, die Lust der Kunden zu entzünden. Das „Kopf-Kino“ Begehren will offensichtlich auch dort raffiniert inszeniert sein, wo es nicht beim Betrachten bleiben, sondern in körperliche Aktionen münden soll. Dem Film gelingt es überdies, die Einengung der Protagonistinnen auf das Etikett „Prostituierte“ ansatzweise zu sprengen und sie als Normalos sichtbar werden zu lassen, die sich z.B. mit Liebeskummer herumschlagen müssen. Allerdings sind diese Ansätze limitiert, da man über Biografisches kaum etwas erfährt und die Interviews auch nicht als Porträts angelegt sind. Moralische Kategorien erübrigen sich in dieser Perspektive von vornherein, da die Tätigkeit der Frauen nicht hinterfragt, sondern als eine Art sexueller Körper-Performance lediglich der Heimlichkeit entrissen werden soll. Für einen Dokumentarfilm ist das eine ganze Menge, für all jene aber, die von einem solchen Sujet mehr als eine teilnehmende Introspektive erwartet hätten, wohl viel zu wenig.
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