Das jüngste Gewitter

- | Schweden/Deutschland/Dänemark/Norwegen/Frankreich 2007 | 89 Minuten

Regie: Roy Andersson

Groteske Studie der schwedischen Mittelschicht, die einige mit ihrem Dasein unglückliche Gestalten Revue passieren lässt, um die angebliche Sinnlosigkeit des Lebens zu demonstrieren, oder, positiver formuliert, die Einsicht, dass sich alles selbst genügt. Der ästhetisch ausgefeilte Film präsentiert mit grimmigem Humor eine ausgeklügelte Nummern-Revue, lässt dabei aber kaum Nähe zu den Charakteren aufkommen und zeigt zudem keine Spur von Anteilnahme.
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Filmdaten

Originaltitel
DU LEVANDE | NOUS, LES VIVANTS
Produktionsland
Schweden/Deutschland/Dänemark/Norwegen/Frankreich
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Posthus Teatret/Roy Andersson Filmprod./Spillefilmkompaniet 4 1/2/Svenska Filminstitutet (SFI)/Société Parisienne de Production/Thermidor Filmprod./Studio 24
Regie
Roy Andersson
Buch
Roy Andersson
Kamera
Gustav Danielsson
Musik
Benny Andersson
Schnitt
Anna Märta Waern
Darsteller
Jessica Lundberg (Anna) · Elisabeth Helander (Mia) · Björn Englund (Tubaspieler) · Leif Larsson (Zimmermann) · Ollie Olsson
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen dt. untertitelbaren Audiokommentar des Regisseurs.

Verleih DVD
Neue Visionen (16:9, 1.66:1, DD5.1 swe./dt.)
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Mit dem Ausruf „Morgen ist ein anderer Tag“ läutet der Barmann die letzte Runde ein. Müde schleppen sich die Kunden an den Tresen, um ihre Depression in was auch immer zu ertränken. Trost findet hier niemand, und auch die Aussicht auf den neuen Morgen ist mehr ein sarkastischer Scherz des Regisseurs. Wir sind noch einmal davongekommen, blinzelt er seinem Publikum zu, nachdem er in „Songs from the Second Floor“ (fd 35 365) geradewegs auf den Weltuntergang zugesteuert war. Jetzt geht es eben weiter im selben todtraurig-beschwingten Trott, einem neuen Ende entgegen, das auch diesmal weder ein reinigendes Gewitter bringt noch eine Erlösung aus der irdischen Verdammnis. Im schwedischen Original heißt Roy Anderssons Groteske „Du Levande“, ins Deutsche übersetzt „Du Lebender“, doch erscheint dieser szenische Reigen aus dem Milieu uniformierter Angestellter eher wie eine lange, exakt choreografierte Prozession von Untoten. Die ganze Welt ist in neonbleiches Licht getaucht und bewegt sich zur Melodie einer hintergründig leiernden Musik. Meistens bringt Andersson leicht absurde Alltagsszenen aus dem Gleichgewicht und führt sie, wenn man schon gar nicht mehr damit rechnet, mit genau dosierter Verspätung fort. Ein gescholtener Liebhaber trottet seiner Liebsten hinterher, die sich darüber beklagt, dass niemand sie versteht, und selbst an allen anderen vorbeiredet; ein Teppichhändler erzählt peinlich berührten Kunden von seinen Eheproblemen, und eine Lehrerin, vermutlich die Ehefrau, bricht vor ihrer Grundschulklasse in Tränen aus; ein arabischer Friseur schneidet einem rassistischen Kunden eine Halbglatze, der erscheint zu einer wichtigen Sitzung mit notdürftig geretteter Frisur und ist aus dem Schneider, als der Abteilungsleiter mitten im Satz von einem Schlaganfall ereilt wird. So geht es in allenfalls lose miteinander verknüpften Tableaus weiter, bis man an der Einsicht nicht mehr vorbeikommt, dass alles menschliche Streben vergeblich ist. Ziemlich am Anfang bläst ein Tubaspieler unbeirrt von den Protesten der Nachbarschaft lautstark in sein Instrument, der Mieter unter ihm stößt so lange mit dem Besen an die Decke, bis der Kronleuchter von derselben stürzt, und ein Mann, der das Ganze von seinem Balkon im Haus gegenüber beobachtet, antwortet auf die Frage seiner Frau, was er denn mache, mit dem entscheidenden Wörtchen: „Nichts“. Die Sinnlosigkeit des Lebens ist Roy Anderssons großes Thema, anders als sein verstorbener Mentor Ingmar Bergman ringt er jedoch nicht mehr mit dem Glauben und betrachtet den Nihilismus weniger als Bedrohung denn als ästhetische Herausforderung. Wie schon in „Songs from the Second Floor“ (fd 35 365) hat Andersson endlos an seinen in langen Einstellungen gedrehten lebenden Bildern gefeilt und den Darstellern mit Bedacht jede spontane Regung ausgetrieben. Ein Rädchen greift ins andere, nichts ist von bleibender Bedeutung. Oder um es ins Positive zu wenden: Alles genügt sich selbst. Vielleicht bleibt dem erfolgreichen Werbefilmer Andersson angesichts der von ihm angenommenen Sinnlosigkeit des Lebens gar nichts anderes übrig, als sein Heil in der handwerklichen Perfektion zu suchen. An etwas muss sich der Mensch schließlich halten, wenn es nicht der Glaube ist. Also setzt er seine Nummernrevue mit Kubrickscher Besessenheit in Szene, gelegentlich blitzt grimmiger Humor auf, ein Augenzwinkern in Richtung Eugène Ionescos „Kahle Sängerin“, doch vor allem variiert „Das jüngste Gewitter“ immer wieder dasselbe philosophische Motiv. Nicht einmal ein Sinnbild absoluter Verzweiflung bietet uns Andersson, um uns daran zu klammern. Es geht einfach weiter, der nächste Morgen kommt bestimmt.
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