Ein Durchschnittsbürger in der Lebenskrise nimmt die Identität einer Zufallsbekanntschaft an, eines Mannes, der neben ihn im Überlandbus stirbt. Später nimmt er noch weitere Identitäten an, wobei er immer wieder auf sich selbst zurück geworfen wird und eine Neubegegnung mit dem eigenen Ich erlebt. Ein stiller und stimmiger Film, der ganz von der Schauspielkunst seines hervorragenden Protagonisten sowie den traumverlorenen, schlafwandlerisch sicher fotografierten Bildern lebt.
- Sehenswert ab 16.
The Other - El Otro
- | Argentinien/Frankreich/Deutschland 2007 | 83 Minuten
Regie: Ariel Rotter
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Filmdaten
- Originaltitel
- EL OTRO
- Produktionsland
- Argentinien/Frankreich/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2007
- Produktionsfirma
- Airecine/Aquafilms/Celluloid Dreams/Selavy Filmprod.
- Regie
- Ariel Rotter
- Buch
- Ariel Rotter
- Kamera
- Marcelo Lavintman
- Schnitt
- Eliane Katz
- Darsteller
- Julio Chávez (Juan/Manuel/Emilio/ Lucio) · María Onetto (Frau im Hotel) · Osvaldo Bonet (Vater) · Inés Molina (Ehefrau) · Arturo Goetz (Notar)
- Länge
- 83 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
Diskussion
Der Traum vom anderen Ich erwischt Juan Desouza an der Nahtstelle zwischen Leben und Tod: Seine Frau ist schwanger, der Vater liegt im Sterben. Als auf einer Geschäftsreise im Überlandbus sein Sitznachbar wie nebenbei verstirbt, nimmt Juan ebenso beiläufig dessen Identität an. Mit minimaler Mimik zeichnet Chavez diesen Durchschnittsmann in seiner Mittvierziger-Krise, zu Recht wurde der Argentinier dafür bei der „Berlinale“ 2007 als „bester Schauspieler“ mit einem „Silbernen Bären“ ausgezeichnet. Juan alias Manuel Salazar steigt in einer schäbigen Pension in einem kleinen Ort irgendwo in der argentinischen Provinz ab, lässt sich treiben, geht gar auf die Beerdigung des Toten, dessen Namen er jetzt trägt. Nach der Trauerfeier folgt er einer schönen Frau, mit der er später eine Liebschaft haben wird. Vielleicht ist sie die Witwe des Verstorbenen, so genau erfährt man das nicht. Wie „El otro“ überhaupt wenig erklärt und ausspricht, in allem ganz leise ist: so schweigsam wie Juan/Manuel, der sich später auch noch als Emio Branelli und Lucio Morales ausgeben wird, ist der ganze Film, der zudem ohne Off-Musik auskommt. Mehr als den Worten vertraut Drehbuchautor und Regisseur Ariel Rotter den in ihrer Leere oft traumverlorenen Bildern seines Kameramanns Marcelo Lavintman sowie dem melancholischen, starken Ausdruck seines Protagonisten, dessen „sprechendes“ Gesicht er in zahlreichen Großaufnahmen inszeniert. Rotter, der nach „B. Aires“ (fd 36 363) mit „El otro“ seinen zweiten Spielfilm inszenierte, schafft eine atmosphärische Dichte, die ebenso wortlos wie beredt von der Sehnsucht nach dem Leben des Anderen erzählt. Ganz auf sich selbst zurück wirft das probeweise Einlösen dieser Sehnsucht die zentrale Figur. Diese Neubegegnung mit dem eigenen Ich und damit dem Leben an sich kulminiert, fern jeden Kitsches und jeglicher Schlüpfrigkeit, in einer paradiesartigen Szenerie: Nach einer Nacht im Freien erwacht „Juan alias alias alias“ in einem von Naturgeräuschen erfüllten Wäldchen und beobachtet in einem Fluss badende Mädchen. Ob es sich um Traum oder Realität handelt, ist völlig unerheblich – wichtig ist die unverstellte Annäherung an das Leben. Ein schöner, stiller und sehr stimmiger Film.
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