Ein dänischer Eigenbrötler wünscht sich, dass ein Kloster in sein klassizistisches Schlösschen einzieht. Er kann den Patriarchen von Moskau für das marode Anwesen interessieren, der eine Delegation von Nonnen zur Eignungsprüfung schickt. Da er aber nicht wie versprochen bauliche Mängel abstellt, nimmt sich eine resolute Nonne der Sache an, was bei dem betagten Herrn zu Missstimmungen führt. Tragikomischer Dokumentarfilm mit märchenhaften Untertönen, der sich in Interviews dem eigentümlichen Wesen seines Protagonisten annähert, wobei die zurückgenommene Bildsprache den Zugang erschwert. (O.m.d.U.)
- Ab 14.
Herr Vig und die Nonne
Dokumentarfilm | Dänemark 2006 | 84 Minuten
Regie: Pernille Rose Grønkjær
Kommentieren
Filmdaten
- Originaltitel
- THE MONASTERY - MR. VIG & THE NUN
- Produktionsland
- Dänemark
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Tju-Bang Film
- Regie
- Pernille Rose Grønkjær
- Buch
- Jens Arentzen · Per K. Kirkegaard · Pernille Rose Grønkjær
- Kamera
- Pernille Rose Grønkjær
- Musik
- Johan Söderqvist
- Schnitt
- Pernille Bech Christensen
- Länge
- 84 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Diskussion
Es liegt ein märchenhafter Ton über Pernille Rose Grønkjærs erstem abendfüllenden Dokumentarfilm, der von einem dänischen Eigenbrötler und dessen Lebenstraum handelt: ein klassizistisches Schlösschen, Ende der 1950er-Jahre für wenig Geld erworben, in ein Kloster umzuwandeln. Wenn man dem 82-jährigen Jorgen Laursen Vig zum ersten Mal begegnet, scheint dieser Wunsch in Erfüllung zu gehen: Der Patriarch von Moskau hat den Besuch einer Delegation von Nonnen angekündigt, die Schloss Hesbjerg auf seine Eignung als orthodoxes Kloster untersuchen wollen. Deshalb greift der hagere alte Mann zum Besen, fegt Spinnweben beiseite und hängt ein Kreuz an die Wand, wobei er mehr mit sich selbst spricht als mit der Kamera, die ihm durch die spärlich ausgeleuchteten Räume folgt. Nicht nur Vigs kauziges Äußeres, sondern auch das Interieur lassen eine klamme Unbehaustheit erahnen, in der seit langem nur für das Nötigste gesorgt ist. Die russischen Besucherinnen rollen denn auch die Augen über den maroden Zustand der Heizung und den Regen, der durch das Dach tropft. Herr Vig verspricht Abhilfe. Als die Nonne Amvrosja im Sommer wiederkehrt, um mit Hilfskräften das Projekt Kloster in Angriff zu nehmen, ist von den Reparaturen jedoch kaum etwas erledigt. Zunächst scheint das die Frauen nicht zu stören. Bald aber wendet sich Amvrosja den baulichen Notwendigkeiten zu und fordert z.B. die Erneuerung des Daches. Obwohl die russisch-orthodoxe Kirche die Kosten übernehmen würde, fühlt sich Vig übergangen; überhaupt läuft alles anders, als er es sich vorgestellt hatte. Als auch noch ein Vertrag aufgesetzt werden muss, der die zukünftige Nutzung von Schloss Hesbjerg regelt, kann Vig seine verletzten Gefühle nicht mehr im Zaum halten.
Aufgebrochen wird dieser reportageartige Plot durch fast intime Interviews, in denen die Regisseurin erstaunliche Details über das Leben des Eremiten zu Tage fördert, biografische Zusammenhänge, Ein- und Ansichten über Liebe und Einsamkeit, über Glück und die Gründe, die hinter seinem Wunsch nach einem Kloster stehen. Bewusst hat Grønkjær dabei die Chronologie der Aufnahmen verwischt, die sich über fünf Jahre hinzogen, wie sie auch fast alle anderen „harten“ Informationen, etwa Vigs akademischen Hintergrund, auf ein Minimum reduzierte, um das, was sie die „universale Gültigkeit“ nennt, herauszuarbeiten: die exemplarische Geschichte eines überzeugten Einzelgängers, der während der Realisierung seiner tiefsten Wünsche erlebt, wie daraus etwas entsteht, das sich seiner Gestaltung entzieht und Entwicklungen in Gang setzt, die seinem Leben eine Wendung geben. Denn der starrköpfige Individualist, der die Gesellschaft von Menschen und insbesondere von Frauen lieber mied, wandelt sich im Ringen mit Amvrorsja so weit, dass er sich selbst relativieren kann und zunehmend williger in der Küche bei der Nonne sitzt. Am Ende, nach Vigs Tod an Weihnachten 2005, verliest Amvrosja einen Brief, der wie ein Nachruf auf einen Gefährten klingt. Dazu knackt das Feuer im neuen Heizkessel, mit dem das Schloss künftig gegen die winterliche Kälte gewappnet ist. So unprätenziös wie dieses Schlussbild ist der Film auch als Ganzes gestaltet, was viel Respekt vor seinen Protagonisten verrät, aber die Rezeption etwas mühsam macht, da die zurückgenommene Bildsprache und die pointilistische Dramaturgie zwar das poetische Anliegen Grønkjærs unterstützen, aber nicht gerade zu diskursiven Lesweisen anregen.
Kommentar verfassen