Nach 22-jähriger Missionstätigkeit in Papua-Neuguinea wird ein evangelischer Missionar nach Ostdeutschland versetzt, wo er an verschiedenen Einsatzorten an die Grenzen seiner pastoralen Möglichkeiten stößt und angesichts seines Scheiterns selbst mit Glaubenszweifeln zu kämpfen hat. Ein bemerkenswerter Dokumentarfilm mit klug-ironischen Metaphern, der über Glaubensfragen hinaus einiges über deutsch-deutsche Befindlichkeiten aussagt. (Teils O.m.d.U.)
- Ab 16.
Der große Navigator
Dokumentarfilm | Deutschland 2007 | 80 Minuten
Regie: Sigrun Köhler
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2007
- Produktionsfirma
- Böller und Brot/ZDF (Das kleine Fernsehspiel)
- Regie
- Sigrun Köhler · Wiltrud Baier
- Buch
- Sigrun Köhler · Wiltrud Baier
- Kamera
- Sigrun Köhler · Wiltrud Baier
- Schnitt
- Sigrun Köhler · Wiltrud Baier
- Länge
- 80 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb
Diskussion
Den wahrscheinlich letzten Abschnitt seines Arbeitslebens hat sich Pfarrer Jakob Walter wohl beschaulicher vorgestellt: in innigerer Nähe zu Gott. Aber die Entscheidungsträger der evangelischen Liebenzeller Mission haben mit dem schwäbischen Missionar, der 22 Jahre in Papua-Neuguinea gewirkt hat, andere Pläne. Von der beschaulichen Südseeinsel wird er in den kalten Osten Deutschlands versetzt, um dort seine Missionsarbeit fortzusetzen. Gewiss keine leichte Aufgabe, aber eine Frage des Gehorsams und des Sendungsbewusstseins, schließlich will Gott, „dass allen Menschen geholfen wird, das gilt auch für die Mecklenburg-Vorpommerer“. Das mag so sein, doch was geschieht, wenn die sich in diesem Sinne nicht helfen lassen wollen? Mit diesem Problem wird Pfarrer Walter täglich und an den verschiedensten Einsatzorten konfrontiert. Fast wie ein ironisches Menetekel wirkt es, wenn er mit seinem Opel durch „Meck-Pom“ oder Brandenburg fährt und ein ums andere Mal sein Navigationssystem versagt, ihn in die Irre und in Sackgassen schickt. Auch vor Ort reißen die Probleme nicht ab. Er stößt auf (teilweise aggressive) Ablehnung von Menschen, die nur an etwas glauben, das sie sehen können, muss sich mit vorweihnachtlichem Kaufrausch auseinandersetzen, stößt auf Unverständnis beim Vortrag der Weihnachtsgeschichte und muss einen schrecklichen Glaubensverfall konstatieren. Doch es kommt noch schlimmer: Die Jugendarbeit im Berliner „Jesus House“ gerät in die Sackgasse, als die Jugendlichen mitbekommen, dass kein Alkohol ausgeschenkt wird; im „Tränenpalast“ muss Religion als Spaßveranstaltung in homöopathischen Dosen verabreicht werden; Begegnungen mit Punks sind ebenfalls wenig erbaulich, und ein mit der satanischen „666“ verziertes Kreuz spricht für sich. In der größten Not kommt (Laien-)Schwester Heidi aus Papua-Neuguinea zum Einsatz, um den Ost-Heiden südpazifischen Glauben zu spenden, doch da sind alle missionarischen Bemühungen schon längst ins Leere gelaufen.
Der Dokumentarfilm von Wiltrud Baier und Sigrun Köhler („Schotter wie Heu“, fd 36 049) findet immer wieder bemerkenswerte Bilder, die nicht nur den Ereignissen, sondern auch dem Zuschauer auf die Sprünge helfen. Dabei verdichtet er sich zu einem Dokument des Glaubensverlusts und der Glaubensunlust sowie zur Studie über die (Un-)Möglichkeit von Glaubensvermittlung innerhalb zweier völlig kontroverser Wertesysteme – womit er 15 Jahre nach der Wiedervereinigung auf erhebliche ideologische Unterschiede in den beiden Teilen Deutschlands hinweist. Der erhellende, unterhaltende und durchaus ironisch-sarkastische Film hat mit seinem Protagonisten einen tragischen Don Quijote zu bieten, der nicht nur an seiner Aufgabe und seinen „Schäflein“ scheitert, sondern dem ein weit schlimmeres Schicksal beschieden ist: Pfarrer Walter zweifelt zunehmend nicht nur an sich, sondern auch an seinem Gott. Er zieht die missionarische Arbeit in Zweifel, bekommt Albträume, wird durch die scheinbar allgegenwärtige Gottlosigkeit zermürbt. Immer wieder beklagt er seine Einsamkeit: ein Navigator, der seinen Weg nicht findet. Nach einem Diavortrag verabschieden sich die wenigen Besucher lapidar mit „Tschüss“, er hält verbissen „Gott befohlen“ dagegen. Das passiert bereits im ersten Filmdrittel, später tauchen Fragen auf, warum Gott die Menschen nicht hat Staub sein lassen, und die resignative Gewissheit, dass Rückhalt nur in einer ohnehin festgefügten Glaubensgemeinschaft zu finden ist. Dem ist kaum noch etwas hinzuzufügen.
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