- | Deutschland 2007 | 88 Minuten

Regie: Ann-Kristin Reyels

Ein junger Mann und eine junge Frau, die einander zugetan sind, stehen im Fokus eines Beziehungsreigens in der winterlichen Uckermark. Dieser ist, was die Erwachsenen angeht, allerdings eher von Aversionen denn von Sympathie geprägt. Ein famoses Porträt der Antriebslosigkeit, dessen Geschichte sich durch ein subtiles Netzwerk an Zeichen erschließt und skurril-humorvolle Szenen mit Poesie und kluger Beobachtung verbindet. Der Erstlingsfilm mit überzeugenden Darstellern wechselt dabei mehrmals die Tonart. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
credo:film/ZDF (Das kleine Fernsehspiel)/HFF "Konrad Wolff"
Regie
Ann-Kristin Reyels
Buch
Marek Helsner · Ann-Kristin Reyels
Kamera
Florian Foest
Musik
Henry Reyels
Schnitt
Halina Daugird
Darsteller
Constantin von Jascheroff (Lars) · Josef Hader (Henrik) · Luise Berndt (Marie) · Sven Lehmann (Reschke) · Judith Engel (Jana)
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
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Diskussion
Das Weihnachtsfest ist ein Familienfest, so man noch eine hat! Lars braucht etwas länger, um zu bemerken, dass sich die Konstellationen in seiner Familie in der letzten Zeit entscheidend verschoben haben. Die Tage vor dem Fest verbringt der Junge bei seinem Vater Henrik abgeschieden auf einer alten Bauernhof-Baustelle in der winterlichen Uckermark. Dorthin ist der Vater, der hier irgendwann einmal ein Hochzeitshotel eröffnen möchte, aus zunächst unerfindlichen Gründen geflohen. Er wolle einfach mal „alleine“ sein. Für die Feiertage soll Lars wieder zur Mutter nach Berlin. Doch erst mag Lars sich nicht von den beiden Hunden des Vaters trennen, dann streikt auch noch das Auto, sodass Lars nur mit knapper Not seinen Zug erreicht. Dass er dennoch nicht abfährt, hat mit dem Mädchen Maria zu tun, das er vor der Anmache zweier Jungs „beschützt“. Mit der freundlich-offenen, sprachbehinderten Maria verbringt er den Nachmittag. Als er schließlich wieder zum väterlichen Bauernhof zurückkehrt, trifft er dort überraschend auf seine Tante Jana, die Schwester seiner Mutter. Und zwar in recht verfänglicher Situation, als Geliebte des Vaters. Diesem ist die Lage unangenehm, aber auch die Aufdringlichkeit Janas scheint ihn zu überfordern. Josef Hader gelingt ein famoses Porträt eines vom Leben und seinen fälligen Entscheidungen überforderten Mannes, der zunächst äußerst schwach und zaudernd scheint, später allerdings auch noch ganz andere, überraschende Seiten offenbart. Doch zunächst interessiert sich der Film mehr für die Geschichte von Lars und Marie, die gemeinsam durch die verschneite Uckermark streifen. Auch Marie lebt mit ihrem Vater Reschke zusammen, dessen Imbiss im Dorf eine Art Treffpunkt ist. Der steht Henriks Hotelplänen ziemlich reserviert gegenüber und begegnet auch Lars misstrauisch. Doch die Verbocktheit der konfliktscheuen Erwachsenen ficht der Gleichklang der Seelen von Lars und Marie nicht an, die sich ihre Plätze an abgeschiedenen Orten suchen und dort gemeinsam Musik hören. Doch ganz allmählich wechselt die winterliche Geschichte vom Coming-of-Age, die in der Erschießung eines der beiden Hunde durch den Förster Reschke kulminiert, ihren Tonfall, wird humorvoller, registriert aufmerksam skurrile Details des Lebens in der Provinz, wo immer dieselben Männer in Reschkes Imbiss herumlungern, wo man mit Sonderwünschen beim Frisör besser vorsichtig ist, wo ein Flugzeugwrack als Hochsitz dient, wo das Leben zum Stillstand, zur Wiederholung des Immergleichen geronnen zu sein scheint. Als schließlich Lars’ Mutter an Heiligabend mit ihrem Geliebten Robert aufkreuzt, um gemeinsam zu feiern, schlägt der ruhige Film fast in eine böse Farce mit poetisch-surrealen Einschüssen um. Da Lars Marie zur Weihnachtsfeier eingeladen hat, verweilt er kurz am Ortsausgang, wo eine große Tanne den Kreisverkehr schmückt. Pünktlich gehen die Lichter des überdimensionalen Weihnachtsbaums an, was perfekt zu Lars’ Gefühlslage passt. Weihnachten muss kein Familienfest sein! Es kann aber auch sehr schön sein, wenn man jemanden hat, mit dem man diesen Abend gerne verbringen möchte. Der weitere Verlauf des Abends zeigt dann, dass auch das Gegenteil richtig ist. Lars’ Mutter begrüßt es scheinbar, dass ihre Schwester die Lücke füllt, die sie hinterlassen hat. Henrik zeigt, dass er sehr wohl auch verbal austeilen kann. Sänger Robert erinnert nachdrücklich bis zur Karikatur daran, was bereits Schubert wusste: dass die Liebe das Wandern liebt. Reschke sitzt Schnaps trinkend mit am Tisch und schaut dem Treiben zu. Maries Mutter, so erfährt man, hat sich bereits vor einem Jahrzehnt Richtung Westen abgesetzt. Während die „Erwachsenen“ weiter ihre Spielchen treiben, hat der Film seine jugendlichen Protagonisten (fast) aus den Augen verloren. Doch die geheimnisvolle Schlusssequenz gehört wieder Lars und Marie, Vater Reschke und einem Walkman. Es gehört zu den Qualitäten von Ann-Kristin Reyels Debütfilm, dass er sich sehr konsequent eine erfrischende Offenheit bewahrt. So, wie der Zuschauer darauf gefasst sein muss, dass der Film wiederholt seine Tonart wechselt, vom intimen Porträt ins Groteske umschlägt, um in eine Tragödie zu münden, so sehr spart sich „Jagdhunde“ psychologische Erklärungen, Wertungen und Eindeutigkeiten zugunsten eines subtilen Netzwerkes von Zeichen, das auf verschiedenen Ebenen die Dialektik von Stillstand und Bewegung, von palavernder Sprachlosigkeit und wortloser Kommunikation, von Vereisung und Tauzeit durchspielt. Reyels und Kameramann Florian Foest finden dafür starke filmische Momente, greifen andererseits aber immer wieder auch zu einer stark theaterhaften Inszenierung. Man muss auf Überraschungen gefasst sein; in „Jagdhunde“ kann nichts als ausgemacht gelten. Dass man sich gerne auf dieses Abenteuer einlässt, liegt am einnehmenden Darsteller-Ensemble, das mit lakonischem Witz der umfassenden Tristesse entgegenarbeitet.
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