Inszeniertes Porträt des katalanischen Anarchisten Salvador Puig Antich, der sich im Spanien der späten Franco-Diktatur vom revoltierenden Studenten zum bewaffneten Untergrundkämpfer wandelte, nach blutigen Auseinandersetzungen mit der Polizei inhaftiert, zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Emotional packend entwickelt sich ein vielschichtiges Drama um den Kampf gegen ein versteinertes, menschenverachtendes Regime, bei dem sich die jugendliche Hauptfigur ihrerseits in Schuld verstrickt. Dabei werden die Mechanismen der Macht während der Übergangszeit gegen Ende des spanischen Faschismus eindringlich beleuchtet.
- Ab 16.
Salvador - Kampf um die Freiheit
- | Spanien/Großbritannien 2006 | 134 Minuten
Regie: Manuel Huerga
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Filmdaten
- Originaltitel
- SALVADOR (PUIG ANTICH)
- Produktionsland
- Spanien/Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Mediapro/Future Films
- Regie
- Manuel Huerga
- Buch
- Lluís Arcarazo
- Kamera
- David Omedes
- Musik
- Lluís Llach
- Schnitt
- Aixalà · Santy Borricón
- Darsteller
- Daniel Brühl (Salvador Puig Antich) · Tristán Ulloa (Oriol Arau) · Leonardo Sbaraglia (Jesús) · Leonor Watling (Cuca) · Ingrid Rubio (Margalida)
- Länge
- 134 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
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Heimkino
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Barcelona, der 25. September 1973. Ein junger Mann rennt um sein Leben. Fünf Geheimpolizisten stürzen mit gezückter Pistole hinter ihm her. Sie drängen ihn in einen Hauseingang, es kommt zu einer Schießerei. Der jüngste der Polizisten stirbt, der junge Anarchist Salvador Puig Antich wird schwer verletzt. „Salvador“ erzählt von der Verhaftung, dem Prozess und der Hinrichtung des Katalanen und beleuchtet seine Entwicklung von der Studentenbewegung bis zum bewaffneten Untergrund. Dabei wird der internationale Hintergrund durch historische Archivbilder skizziert: Während sich der vergreiste Franco-Faschismus ein modernes Gesicht geben wollte, tobte in den USA der Kampf gegen den Vietnam-Krieg und für die Bürgerrechte; die Studentenbewegung in Europa trat für gesellschaftliche Utopien ein.
Die Geschichte seiner Titelfigur beschreibt Regisseur Manuel Huerga fast klassisch, in drei Akten mit Prolog und Epilog. Nach seiner Verhaftung erzählt Salvador dem Rechtsanwalt Oriol Arau seine Geschichte als die eines quijotesken Kampfs gegen eine versteinerte Diktatur. Dabei geht es um abenteuerliche Aktionen, aber auch um den Verlust der Unschuld nach ersten Schießereien mit der Polizei und ersten Toten und Verletzten. Dies ist nur zum Teil die bekannte 68er-Geschichte „Was wir wollten, was wir wurden“, denn hinter den oft fast grotesk dargestellten Geheimpolizisten in „Salvador“ steht hier ein fast 40 Jahre altes Regime, gereizt wie ein altes Raubtier, das noch ein letztes Mal zubeißen möchte. Der zweite Teil des Films zeigt dessen pseudo-rechtsstaatliche Fassade: „Es ist wie ein Spiel mit gezinkten Karten, bei dem man nur verlieren kann“, sagt der Anwalt über seine aussichtslosen Versuche, das Leben seines Mandanten zu retten. Der junge Anarchist wird zum Tode verurteilt, auch weil das Regime ein Exempel statuieren und die eigene Ohnmacht verdecken will. Der dritte Teil beschreibt eindringlich das Warten auf den Tod, die Hoffnung auf Begnadigung, den Abschied. Eine der unheimlichsten und beeindruckendsten Nebenfiguren ist der alte Henker, ein routinierter Handwerker des Todes, der seine Todesmaschine aufbaut, die dem Opfer den Wirbel bricht oder ihn erstickt. Darüber hinaus wird die Geschichte des Anarchisten und seiner Frauen erzählt: von seiner ersten Freundin, der konservativen Cuca, die lange nach der Trennung zum unfreiwilligen Werkzeug des bewaffneten Widerstandes wird; vom Hippie-Mädchen Margalida, die bei Leonard-Cohen-Songs von Indien, vom Ausstieg in die Landkommune sowie von freier Liebe träumt und mit Salvadors bewaffnetem Kampf nur wenig anfangen kann. Die treuesten Frauen findet Salvador indes in seinen vier Schwestern, die bis zum letzten Moment an seiner Seite stehen und heute noch den Kampf um eine Revision der Urteile des Militärgerichts führen. Auch geht es um Salvadors Beziehungen zu sehr unterschiedlichen Männern: zum Vater, der durch die Repressalien gebrochen wurde; zum Anwalt, der eine Freundschaft zum „Terroristen“ entwickelt; zum Gefängniswärter Jesús, dessen Beziehung zu Salvador sich von Hass über zögerndes Verständnis bis zur aufrichtigen Sympathie wandelt.
Der Film erzählt dies alles sehr emotional, bewegend und vielschichtig. Als die Spitzen der linken Opposition ins Gefängnis gebracht werden, sagt ein Gefängniswärter zum anderen: „An deiner Stelle würde ich die gut behandeln, vielleicht arbeitest du eines Tages für sie.“ Salvador wurde von dieser etablierten Linken, die sich schon auf die Verantwortung nach dem Tode Francos vorbereitete, nicht als Figur des politischen Widerstandes anerkannt; für sie und die nationalistischen Widerstandsgruppen waren er und die iberische Befreiungsbewegung, das „Movimiento Ibérico de la Liberación“, gewöhnliche Kriminelle und gefährliche Abenteurer; die Solidarität mit den zum Tode verurteilten Anarchisten war dementsprechend gering. Manuel Huergas Film richtet sich vor allem an Jugendliche; der 50-Jährige war betroffen darüber, wie wenige junge Wähler bei den letzten Kommunalwahlen zu den Urnen gingen. Aber hätte sich Salvador Puig Antich tatsächlich für die Wahl zum Bürgermeister von Barcelona interessiert?
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