Enttarnt - Verrat auf höchster Ebene

Drama | USA 2007 | 110 Minuten

Regie: Billy Ray

Die authentische Geschichte eines Geheimdienstmanns, der sich in der Rolle des Kontrollfanatikers gefällt und hinter erzkonservativen Ansichten eine höchst ambivalente Persönlichkeit verbirgt. Bis er 2001 als Doppelagent auffliegt, dem der schwerwiegendste Verrat in der Geschichte der amerikanischen Geheimdienste nachgewiesen wird. Die distanziert geschilderte Charakterstudie eines FBI-Bürokraten unterläuft alle gängigen Genreregeln, streut als Kompensation aber doch ein paar Spannungsmomente ein, die klassischen Suspense-Regeln folgen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BREACH
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Universal Pic./Sidney Kimmel Ent./Intermedia/Outlaw Pic./Douvble Agent Prod.
Regie
Billy Ray
Buch
Adam Mazer · William Rotko · Billy Ray
Kamera
Tak Fujimoto
Musik
Mychael Danna
Schnitt
Jeffrey Ford
Darsteller
Chris Cooper (Robert Hanssen) · Ryan Phillippe (Eric O'Neill) · Laura Linney (Kate Burroughs) · Caroline Dhavernas (Juliana O'Neill) · Gary Cole (Rich Garces)
Länge
110 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen dt. untertitelbaren Audiokommentar des Regisseurs und des ehemaligen FBI-Agenten Eric O'Neill sowie ein kommentiertes Feature mit zehn so im Film nicht verwendeten Szenen (18 Min.).

Verleih DVD
Fox (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Seit Jahrzehnten folgen die Anfangsszenen der James-Bond-Filme stets demselben Muster, indem sie vor der Titelsequenz einen aufwändigen Action-Höhepunkt bieten, der mit dem eigentlichen Plot nichts zu tun hat. Verglichen mit solch spektakulären Knalleffekten, könnte „Enttarnt“ gar nicht unterschiedlicher beginnen – in den schlichten Fernsehaufnahmen einer Pressekonferenz verrät der ehemalige US-Justizminister John Ashcroft nämlich prompt das Ende der Geschichte. Damit ist von Beginn an klar, dass dieser Agentenfilm kaum auf Spannung abzielen kann und die Regeln seines Genres auch in anderer Hinsicht unterlaufen wird. Ähnlich wie in Robert De Niros „Der gute Hirte“ (fd 38 037) sind Erzählton und Rhythmus über weite Strecken distanziert und spröde; sie passen zur Tristesse der fensterlosen Bürotrakte, in denen der Großteil der Handlung angesiedelt ist, sowie zum graublauen Winterlicht, das die Außenaufnahmen in Washington prägt. Wie „Der gute Hirte“ ist auch „Enttarnt“ als Charakterstudie eines Mannes angelegt, der die entscheidenden Geheimnisse letztlich für sich behält. Wenn man Robert Hanssen das erste Mal sieht, ist er im stummen Gebet vertieft. Es bleibt das zentrale Rätsel des Films, wie dieser Mann mit sich und seinem Gott jemals ins Reine gekommen sein mag. Im Allgemeinen gefällt sich der altgediente FBI-Agent in schroffer Selbstgerechtigkeit, aus der er selbst im Gespräch mit Vorgesetzten keinen Hehl macht. Umso unverhohlener ist denn auch die Herablassung, mit der er seinen vermeintlichen neuen Assistenten Eric O’Neill herumkommandiert. Dieses Verhalten ändert sich, als Hanssen meint, den ehemaligen Jesuitenschüler O’Neill für seine erzkonservative Auslegung des Katholizismus gewinnen zu können. Das Bemühen hat freilich zur Folge, dass der Kontrollfanatiker sich bald ins Privatleben seines Untergebenen einmischt und dessen atheistischer (ostdeutscher) Freundin unangekündigte Besuche abstattet. Gleichzeitig pflegt Hanssen seine Ehefrau ohne deren Wissen beim gemeinsamen Sex zu filmen und die Videos Freunden zu zeigen – was zunächst auch der Grund ist, weshalb das FBI O’Neill auf seinen Vorgesetzten ansetzt. Vor allem aber ist Hanssen, wie der ehrgeizige Nachwuchsagent erst später erfährt, seit Jahren ein Doppelagent, der bis zu seiner Enttarnung 2001 für den weitreichendsten Geheimnisverrat in der Geschichte amerikanischer Geheimdienste verantwortlich war. Diesen Verrat mussten amerikanische Spione und sowjetische Informanten mit dem Leben bezahlen, und die entsprechenden Verwicklungen hätten Stoff für manche spannungsgeladene Actionszene geboten. Stattdessen skizzieren hier wenige eingestreute Rückblenden nur knapp die Folgen, die Hanssens Handeln hatte. Diese Erzählperspektive reflektiert ganz beiläufig den Umstand, dass das turbulente Katz-und-Maus-Spiel, das bis zum Ende des Kalten Krieges das Kinobild der Geheimdiensttätigkeit prägte, nicht mehr als Grundstock des Agentenfilm-Genres taugt. Wie zum Kontrast verweist der Film mehrfach auf die inzwischen akuten politischen Konflikte. So wird O’Neill bezeichnenderweise eingeführt, als er einige Monate vor dem 11. September mit der Observation eines muslimischen Paares beschäftigt ist, was seiner Freundin wiederum Anlass zur Frage bietet, ob die Observierten Terroristen seien. Ein späterer Dialog erwähnt explizit jenes obskure Gerücht, das die amerikanische Regierung in den letzten Jahren bei geheimdienstlichen Abhörmaßnahmen umgangen hat. Offenbar mochte Regisseur Billy Ray aber nicht ganz darauf vertrauen, dass sich die distanzierte Charakterstudie eines Geheimdienstbürokraten als Alternative zu alten Agentenfilm-Mustern eignet. Wie zur Kompensation dafür, dass „Enttarnt“ keine Erklärung für Hanssens schizophrenes Handeln bietet, lässt der Filmemacher O’Neill im letzten Akt einen vergleichsweise vordergründigen charakterlichen Reifungsprozess durchleben und streut schließlich doch noch ein paar Spannungsmomente ein, die ganz brav klassischen Suspense-Regeln folgen.
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