Robert van Ackeren kompilierte nach "Deutschland privat" (1980) erneut private deutsche Amateurfilme. Mit deutlicher Schlagseite hin zum Erotisch-Expliziten werden verschiedenste Themen vom Coming-Out bis zum Alltag in der DDR angerissen, wobei bei insgesamt mäßiger Qualität doch einige spannende Einblicke in Mentalitäten, Lebenswelten und verklemmte Sehnsüchte gelingen. Ein schlüssiges Konzept ist in der Zusammenstellung indes nicht zu erkennen.
Deutschland privat - Im Land der bunten Träume
- | Deutschland 2007 | 84 Minuten
Regie: Robert van Ackeren
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2007
- Produktionsfirma
- Original Version Filmprod.
- Regie
- Robert van Ackeren · Catharina Zwerenz
- Buch
- Robert van Ackeren
Heimkino
Diskussion
Endlich, der neue Katalog ist da! Wenn der korpulente, nicht mehr ganz junge Mann auf Brautschau geht, möchte er freie Auswahl haben. Die bietet ihm der Blick nach Thailand, und dank Neckermann Reisen kann er die Ware auch vor Ort begutachten. Die Super-8-Kamera ist mit dabei und hält neben den üblichen unvergesslichen Momenten (täppischer Tourist auf Elefant) die fernöstlichen Heiratskandidatinnen fest. Ach, sind sie nicht alle hinreißend! Doch leider kann man nur eine mit nach Hause nehmen. Schnell noch die Heiratsurkunde unterschrieben, und schon geht es zurück nach Deutschland. Dort wartet die freudig erregte Schwiegermutter auf die Braut, während ihr Sohn die Kamera im Wohnzimmer in Position bringt. Leider währt das Glück nicht ewig: Nach ein paar Monaten klappt der Bräutigam das filmische Tagebuch mit der Erkenntnis zu, dass manchmal die Ware ihren Käufer wieder umtauscht.
Diese Geschichte aus dem vergangenen deutschen Alltag ist das große Glanzstück aus Robert van Ackerens Kompilationsfilm „Deutschland privat – Im Land der bunten Träume“. Da sucht ein Muttersöhnchen die blaue Blume mit dem Sparbuch und schluchzt am Ende von Selbstmitleid geschüttelt in die eigene Kamera: Keine Fiktion hätte die verklemmte Sehnsucht der bundesrepublikanischen Gesellschaft auf diese Weise einfangen können, so schutzlos in ihrer Banalität, so gänzlich ohne das Sicherheitsnetz der Ironie. Es liegt über 20 Jahre zurück, dass uns Robert van Ackeren zum ersten Mal Kostbarkeiten aus seinem Archiv privater Amateuraufnahmen präsentierte. Auch diese Auswahl hieß „Deutschland privat“ (fd 22 716) und zeigte ihre Protagonisten, wie diese sich selbst am liebsten sahen: meistens beim sorgsam für die Kamera inszenierten Beischlaf. Das passte zum erzählerischen Werk van Ackerens, das genau dieses scheinbar fremde und doch allzu vertraute Terrain der intimen Leidenschaften erkundete. Der Regisseur des drei Jahre später entstandenen Films „Die flambierte Frau“ (fd 24 063) gab sich als Erotomane des Sammelns zu erkennen: Wer tausende Filme hortet, auf denen die deutsche Ehehygiene mitunter bunte Blüten treibt, muss neben dem soziologischen Interesse auch eine ausdauernde Besessenheit mitbringen. Beim zweiten Teil von „Deutschland privat“ lässt sich die Schlagseite zum Erotisch-Expliziten ebenfalls nicht übersehen. Ob diese nun tatsächlich dem angestrebten repräsentativen Querschnitt durch die Sammlung geschuldet ist oder doch eher den Vorlieben des Sammlers, sei dahingestellt. Jedenfalls finden sich die interessanteren Filme der Kompilation gerade nicht im Rotlichtbezirk. Da gibt es nichts zu sehen, was man nicht schon kennen würde, während die Familiengeschichte, die ein Sohn aus alten Urlaubsfilmen seiner Eltern montiert, einiges über familiäre Erinnerungsarbeit erzählt. Ähnliches gilt für den ironischen Blick, den ein anderer Amateurfilmer auf den sozialistischen Alltag der DDR wirft, oder das Coming-Out, das ein junger Auswanderer zwischen seinem ländlichen Elternhaus und der Metropole London erlebt. Natürlich ist auch im jugendfreien Abschnitt nicht alles Poesie, was in den verwaschenen Super-8-Farben strahlt, doch ist die Qualität insgesamt so hoch, dass man sich fragt, ob van Ackeren die einzelnen Werke im Sinne der Erzählökonomie vielleicht hier und da gestrafft hat. (Leider gibt der Abspann darüber keinen Aufschluss.) Was „Deutschland privat – Im Land der bunten Träume“ daneben sicher nicht geschadet hätte, ist ein Konzept, das dem Sammelsurium einen Rahmen gibt und es in die Praxis der deutschen Amateurfotografie einordnet. Stattdessen biegt van Ackeren gegen Mitte der Vorstellung ins Paradies des FKK-Films ab und bleibt im Pornografischen hängen, bis er ausgerechnet mit der „Orgasmusrolle“ eines Schürzenjägers die Summe seines kuratorischen Schaffens zieht.
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