- | Chile/Deutschland 2005 | 88 Minuten

Regie: Matías Bize

Während einer Nacht in einem Stundenhotel lernen sich binnen weniger Stunden ein Mann und eine Frau kennen. Der Film zwingt dem Betrachter eine voyeuristische Perspektive auf, unterläuft indes pornografischen Naturalismus durch ungewöhnliche Kameraeinstellungen und Verfremdungseffekte. Die körperliche Hemmungslosigkeit wird durch die Gespräche sowie die häufige Sprachlosigkeit in Frage gestellt, der spontanen Attraktion folgt ein ebenso spontaner Akt der Entfremdung. Der Film beschreibt eine Beziehungsgeschichte in extremer Verkürzung und zeigt, wie sich zwar die Körper, nicht aber die Menschen nahe kommen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
EN LA CAMA
Produktionsland
Chile/Deutschland
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Ceneca Prod./Black Forest Film
Regie
Matías Bize
Buch
Julio Rojas
Kamera
Christián Castro · Gabriel Díaz
Musik
Diego Fontecilla
Schnitt
Paula Talloni
Darsteller
Blanca Lewin (Daniela) · Gonzalo Valenzuela (Bruno)
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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Heimkino

Verleih DVD
Galileo (16:9/Deutsch DD 5.1/Engl.)
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Bettlaken und Haut, Detailausschnitte in schneller Bewegung. Ein junges Paar beim Liebesakt. „En la cama“ („Im Bett“) ist die Geschichte einer Nacht, die mit der post-koitalen Ernüchterung nach der flüchtigen sexuellen Begegnung zwischen einem jungen Mann und einer Frau eigentlich erst beginnt. Auch dadurch gekennzeichnet, dass sich keiner mehr an den Namen des anderen erinnert. Der Film entwickelt sich in zeitlicher Linie immer im selben Zimmer eines Stundenhotels. Bruno und Daniela sind nicht eingesperrt, bleiben aber wie durch einen magischen Bann zusammen und kommen sich, jenseits der sexuellen Anonymität, langsam näher. Mitten im Zimmer und im Zentrum der Geschichte steht das Bett: ein Ort der Geborgenheit, der Liebe, aber auch der Entfremdung und der Ernüchterung. Ein Bett in einem jener klinisch reinen Motels, die in Chile zur Institution geworden sind, in einer Gesellschaft, in der es bis vor kurzem noch kein Scheidungsrecht gab. Obwohl es vordergründig um Sex geht, ist „En la cama“ kein erotischer Film, sondern die alte, immer wieder spannende Geschichte von Mann und Frau in extremer Verkürzung. Von der Distanz zum Vertrauen, vom Vertrauen zur Liebe und von der Liebe wieder zum Misstrauen und zur Distanz. Auch in seinem zweiten Film arbeitet Regisseur Matías Bize mit den in Chile bekannten Fernsehschauspielern Blanca Lewin und Gonzalo Valenzuela. Beide halten in ihrem beachtlichen Spiel die schwierige Balance zwischen komischen und nachdenklichen Momenten, zwischen Banalität und Tiefgang. Sie reden über Beziehungen, Liebe und Sex, über alte Trickfilme und Kindheitserinnerungen. Eine harmlose Plauderei kippt in Aggression um, auch die erotische Spannung schwankt. Einmal ist es das Loch im Kondom, das zum Streit führt, wenig später die Potenzschwäche, die Bruno zum Kopfstand und Wassertrinken veranlasst. Eine Beziehungskiste im Zeitraffer. Der Zuschauer beobachtet wie ein Voyeur die Annäherung und die Entfremdung des Paares und dessen Manien, etwa von Danielas plötzlichem Sauberkeitswahn, oder verfolgt die Streitereien über belanglose Themen und die Stimmungsschwankungen des Paares vom gemeinsamen Herumalbern zur einsamen Melancholie. Denn beide sind letztlich auch vor ihren eigenen Beziehungen ins Stundenhotel geflüchtet, und deren Präsenz wird im Film auch im isolierten Hotelzimmer wieder durch Handy-Klingeln und SMS spürbar. So erzählt der Film in einer selten erreichten Einheit von Raum und Zeit eine Menge, obwohl eigentlich nicht viel passiert, und ist dabei stets unterhaltsam. Die chilenisch-deutsche Co-Produktion erzählt mit subtilem Humor von der Doppelmoral in der chilenischen Gesellschaft. Ärgerlich ist nur, dass sich der Verleih für eine nicht sonderlich gelungene Synchronfassung entschieden hat, wodurch einiges von der Atmosphäre und der Dynamik der Originalfassung verloren geht.
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