Der Mann meines Lebens

Drama | Frankreich/Italien 2006 | 114 Minuten

Regie: Zabou

Ein Gespräch mit seinem homosexuellen Nachbarn, der sich freimütig zu seiner Neigung bekennt, stürzt einen scheinbar glücklichen Familienvater in eine Identitätskrise, die ihn seine eigene Sexualität in Frage stellen lässt und existenzielle Gedanken über Liebe, Hass, Einsamkeit, Verantwortung und Tod auslöst. Ein auf mehreren Zeit- und Bezugsebenen spielerisch angesiedelter Film, der von der hohen Inszenierungskunst seiner Regisseurin zeugt und dessen Darsteller ihren Charakteren ein glaubhaftes Leben verleihen - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
L' HOMME DE SA VIE
Produktionsland
Frankreich/Italien
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Pan Européenne Production/France 3 Cinéma/Rhône-Alpes Cinéma/StudioUrania
Regie
Zabou
Buch
Zabou · Agnès de Sacy
Kamera
Michel Amathieu
Schnitt
Richard Marizy
Darsteller
Bernard Campan (Frédéric) · Charles Berling (Hugo) · Léa Drucker (Frédérique) · Jacqueline Jehanneuf (Jacqueline) · Eric Prat (Guillaume)
Länge
114 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Pro-Fun (16:9, 1.85:1, DD5.1 frz., dts. frz.)
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Diskussion
Es beginnt wie eine typische französische Sommer-Komödie: Ein Landhaus im gleißenden Licht der Provence, in dem sich in den Ferien die Familie trifft, um bei gepflegtem Essen über Gott, die Welt und die Liebe zu reden. Aber schon die ersten Bilder laufen den Erwartungen zuwider. Die Kamera schwelgt fast nur in den wunderschönen Landschafts-Tableaus, kümmert sich nur beiläufig um die Bewohner und Ankömmlinge. Sie folgt auch nicht dem Blick der Protagonisten, wenn diese etwas entdecken. Das erste Picknick findet nur auf der Tonspur statt, während die Kamera auf dem träge dahinfließenden Fluss verharrt und immer wieder einen Ball einfängt, der ins Bild hineinrollt und dann von einem Kind wieder aus dem Bildkader hinaus getragen wird. Mit einem trotz Windstille im Hausflur wehenden Vorhang kommen surreale Momente ins Spiel, einige „merkwürdige“ Zwischenschnitte sorgen für Irritation. Erst am Abend, als man zusammen an einer langen Tafel speist, bekommen die Personen eine Geschichte und mit dem dazugeladenen Nachbarn der Film auch sein Thema: der bekennt nämlich unvermittelt, dass er schwul sei. Nach dem Essen bleibt Hugo mit dem Hausherrn Frédéric bis zum Morgengrauen auf der Terrasse sitzen und entwickelt auf der Grundlage seiner Homosexualität eine „condition humaine“, die den scheinbar glücklichen Familienvater immer mehr in eine Identitätskrise stürzt. Das Gespräch kristallisiert sich als Mittelpunkt des Films und auch als Bezugszeit heraus, um die sich Rückblenden und Zukunftsvisionen gruppieren, die nach und nach die anfänglichen Irritationen als inszenatorischen Stil festschreiben. Dieses Springen zwischen den Zeiten gibt dem Film trotz seiner existenziellen Fragen über Liebe und Hass, Ängste, Einsamkeit, Verantwortung, Ich-Bewusstsein, Geburt und Tod eine gewisse Leichtigkeit, weil sich dort die Charaktere in ihrem alltäglichen Umfeld entwickeln. Hier das harmonische Familienleben des Chemikers Frédéric mit seiner Frau Frédérique und dem fünfjährigen Sohn Arthur. Dort der von Poesie durchdrungene Alltag des Grafikers Hugo, auf dessen mit fragmentarischen Kalligrafien beschriebenen Bürowänden die Schatten der auf die Fenster gemalten Buchstaben durch den Sonnenlauf immer neue Wörter bilden. „Es ist Zeit, die Sterne anzuzünden“, prangt in Leuchtschrift über seinem Swimmingpool; auf dem Glasboden seiner Wohnung „schwebt“ (von unten betrachtet) eines jener engelhaften Wesen, die er hin und wieder als One-Night-Stand mit aus der nahen Disco bringt. Charles Berling meistert mit seiner Schauspielkunst dieses Klischee genauso beeindruckend wie das eines Sohnes, der von seinem Vater wegen seiner Homosexualität verstoßen wurde. Für die Versöhnung mit diesem mittlerweile sterbenskranken Vater gelingt Zabou Breitman eine wunderbare Bild-Metapher, genauso wie sie die Annäherung zwischen Hugo und Frédéric mit zärtlichen Gesten andeutet. Vielleicht ist es die Distanz zum anderen Geschlecht, die Breitman und ihre Co-Autorin einen so unaufgeregten Blick auf die Männer und deren Gedanken werfen lassen. Das Leid der Frauen bahnt sich dagegen mit Gewalt seinen Weg: ein Au- pair-Mädchen wird von einem Verwandten sexuell belästigt, und Frédérique begegnet Frédériks sexuellem Desinteresse mit verstörender Handgreiflichkeit. Léa Drucker spielt diese zutiefst verletzte Frau mit großer Intensität. Ähnlich vermag es Bernard Campan, der schon in Breitmans Regiedebüt „Claire“ (fd 35804) überzeugte, den schmerzlichen Kampf zwischen verlöschender und neu entflammender Liebe nachvollziehbar zu interpretieren. Wenn Breitman ihm bei der Annäherung an Hugo feminine Töne verleiht, während er in der Beziehung mit Frédérique durchaus maskulin wirkt, erkennt man ihre aus eigener Schauspielerfahrung erwachsene Handschrift. Man kann Breitman zugute halten, dass sie in die Fußstapfen ihrer großen französischen Regiekollegen zu treten vermag. Von Eric Rohmers Kunst des spielerisch-tiefsinnigen Dialogs und Louis Malles eleganter Inszenierungskunst ist sie nicht weit entfernt.
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