Weltverbesserer auf dem Schlachtfeld

Dokumentarfilm | Deutschland 2006 | 86 Minuten

Regie: Teresina Moscatiello

Auf einem amerikanischen Truppenübungsplatz in der Oberpfalz verkörpern vier deutsche Freiwillige gegen Honorar den irakischen Feind, um US-Soldaten auf ihren Einsatz im Nahen Osten vorzubereiten. Anhand ihrer Aussagen macht der Dokumentarfilm auf eine ebenso skurrile wie umstrittene Ausbildungsmethode der US-Armee aufmerksam, wobei er sich weitgehend an der Oberfläche abarbeitet. Auch der Perspektivwechsel in der zweiten Hälfte, wenn Angehörige der US-Armee in den Mittelpunkt rücken, verstellt eher den Blick, als dass er ihn schärft. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Sinafilm/dffb
Regie
Teresina Moscatiello
Buch
Teresina Moscatiello
Kamera
Jakob C. Ruehle · Teresina Moscatiello
Musik
Ton Steine Scherben · Fujy von Utidii
Schnitt
Nelia Székely
Länge
86 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
Teresina Moscatiellos erster abendfüllender Dokumentarfilm lenkt den Blick in die Oberpfalz, nach Grafenwöhr, einen Ort in der Nähe von Weiden, dessen Umland seit Ende des Zweiten Weltkriegs amerikanisches Hoheitsgebiet ist. Zu Zeiten des Kalten Kriegs fanden hier, unweit der tschechischen Grenze, ausgedehnte Manöver statt, die den Feind aus dem Osten abschrecken sollten. Nun wäre das Gelände eigentlich Brachland, doch die US-Armee hat es einer neuen Bestimmung zugeführt: Hier werden militärische Einheiten auf ihren Einsatz im Nahen und Mittleren Osten vorbereitet; Pläne für ein erneutes Iran-Abenteuer liegen anscheinend schon in der Schublade. Diese Vorbereitungen finden nicht in Klassenräumen statt, und es geht nicht darum, rudimentär die fremde Sprache zu erlernen, Einblicke in die fremde Mentalität zu erhalten oder sich auf eine fremde Kultur einzustelle; vielmehr findet das Training auf einem imaginierten Schlachtfeld statt, mit Feinden, die in diesem Fall deutsche Komparsen sind und für dreiwöchige Übungseinheiten angeworben werden. Der Film stellt vier dieser Laiendarsteller vor, die als „Scheich“, „Polizist“ oder „Terrorist“ Scheinortschaften bewohnen, über denen ständiger Hubschrauberlärm liegt, durch die Panzer patrouillieren und in denen Scharfschützen ihrer Arbeit nachkommen. Zweck der Übung ist die Simulation von Stress unter Gefechtsbedingungen, mit der die Soldaten der US-Truppen auf ihre Einsätze vorbereitet werden. Aufgabe der Deutschen ist es, möglichst überzeugend den aggressiven Widerpart zu verkörpern. „Weltverbesserer“ sind die vier Protagonisten indes weniger, eher schon Menschen, die sich mit wenig Arbeit gutes Geld verdienen wollen und dafür eine gehörige Portion Stress in Kauf nehmen. Etwa, um sich das beschauliche Leben auf dem Land zu finanzieren oder um sich eine Gitarre kaufen zu können, die den Traum von einer Musikkarriere ermöglichen soll. Eine Sonderstellung nehmen Anja und Lena ein, zwei junge Frauen, die bereits mehrfach an den Übungen teilnahmen und inzwischen mit Soldaten der US-Armee verheiratet sind. Bei aller Bemühung um Ausgewogenheit verschiebt sich hier die Perspektive des Films; er verliert das grotesk-militärpolitische Thema aus den Augen und bringt zunehmend Privates ins Spiel, da den beiden Ehemännern jederzeit blüht, in den Nahen Osten abkommandiert zu werden. Die oberpfälzische Etappe wird zwar auch so zum vorgelagerten Kriegsschauplatz, doch die Erzählperspektive ändert sich dramatisch. War vorher von einer nur der Strategie verpflichteten Einrichtung die Rede, wird nun den potenziellen Opfern – nicht auf irakischer Seite – mehr und mehr Raum gegeben. Dramaturgisch hat der von Andres Veiel betreute Film wenig zu bieten. Die Gesprächspartner präsentieren sich in festgelegten Bildanordnungen, posieren hinter gerahmten Familienfotos, mit dem Dackel auf der Couch oder räkeln sich auf dem Sofa. Ständig ins Bild gerückte amerikanische oder irakische Flaggen, als Bezüge von Gartenliegen oder, ziemlich plakativ, gehisst auf dem offenen Feld, zeugen vom Willen zur Inszenierung, helfen aber den „Weltverbesserern“ (die in Übersetzung der amerikanischen Bezeichnung eigentlich „Bürger auf dem Schlachtfeld“ heißen müssten) auch nicht weiter. Zwangsläufig leidet ein solcher Film darunter, dass er aus Gründen der Geheimhaltung kaum Aufnahmen von den Übungen zeigen kann, doch er leidet noch mehr daran, dass im letzten Drittel unvermittelt zwei kurze „Kameradschaftsabende“ der Weltverbesserer eingeblendet werden, Animationssequenzen mit Knetfiguren eine Verhörsituation simulieren und zum Abspann das „Ton Steine Scherben“-Lied „Der Traum ist aus“ ertönt, das mit dem vorangegangenen Film kaum etwas zu tun hat.
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