Jede Sekunde zählt - The Guardian

- | USA 2006 | 136 Minuten

Regie: Andrew Davis

Ein alternder Rettungsschwimmer der US-Küstenwache ist nach einem Unfall zum Dasein als Lehrer verdammt. Er nimmt einen Schüler unter seine Fittiche, der sich in seiner Obhut vom arroganten Schnösel zum verantwortungsvollen Retter entwickelt. Das dramatische Filmabenteuer will den namenlosen Helfern ein Denkmal setzen und damit zugleich einem patriotischen Grundbedürfnis gerecht werden. Dabei gelingt es dem Film trotz vieler Klischees, die Geschichte in einen mystischen Bereich zu überhöhen und an den Glauben an Rettung zu appellieren. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE GUARDIAN
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Lia Scott Price Prod./Beacon Pic./Contrafilm/A School Prod./Film Films/Touchstone Pic.
Regie
Andrew Davis
Buch
Ron L. Brinkerhoff
Kamera
Stephen St. John
Musik
Trevor Rabin
Schnitt
Thomas J. Nordberg · Dennis Virkler
Darsteller
Kevin Costner (Ben Randall) · Ashton Kutcher (Jake Fischer) · Joe Arquette (Copilot) · Clancy Brown · John Heard
Länge
136 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Buena Vista (1:1,85/16:9/Dolby Digital 5.1)
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Diskussion
Der erste Blick der Kamera könnte der eines Ertrinkenden sein oder desjenigen, der ihn rettet. Er heftet sich aus einigen Metern Tiefe an die Oberfläche, während eine Stimme von einem Mann im Meer erzählt, der Schiffbrüchige so lange über Wasser hält, bis Rettung naht. Eine geradezu sakrale Stimmung liegt über dem Bild, so als solle die ozeanische Legende die Rückkehr zum Licht auch als letzte Gewissheit des Verzweifelten bekräftigen. Dann wechselt die Perspektive und wirft einen mitten hinein in die raue Wirklichkeit: Ein Hubschrauber der Küstenwache rattert über der nächtlichen Beringsee, ein Rettungsschwimmer springt heraus und zieht bei meterhohen Wellen ein über Bord gegangenes Ehepaar zu einem Stahlkorb. Beinahe geht alles schief, weil der Mann in Panik verfällt, die Rettungskoje zum Kentern bringt und seine Frau bewusstlos in den Fluten versinkt. Auf dieser Bühne gibt es keine Ruhe und kein himmlisches Licht, sondern nur die Naturgewalt, Todesangst und die Fähigkeiten eines Lebensretters, der im Scheinwerferlicht seiner Helfer eine vor der Öffentlichkeit verborgene Heldentat vollbringt. Keine Kamera wartet, als der Hubschrauber auf festem Boden landet und sich die Wege von Retter und Geretteten trennen. Derzeit sucht Hollywood die Vorbilder der amerikanischen Gesellschaft an der Heimatfront. Die neuen Helden sind Flugzeugpassagiere, Feuerwehrmänner oder Streifenpolizisten, Menschen, die keine höhere Mission, sondern Zufall und Pflichterfüllung an die vorderste Linie gestellt haben. Ihre Geschichten handeln von Opferbereitschaft und Rettung in höchster Not und sollen die verlorene nationale Einheit in der gemeinsamen Trauer über die Opfer vergangener Katastrophen noch einmal beschwören. Andrew Davis verlässt mit seiner aktuellen Spielart des Denkmalfilms erstmals den symbolischen Boden von Ground Zero. „Wir haben landesweit alle dieselbe Ausbildung“, sagt ein Helikopter-Pilot der Küstenwache zu einem Passagier, „deshalb brauchten wir nach Katrina keine Eingewöhnungszeit. Ein Rad griff in das andere.“ Es ist der einzige Hinweis auf die Flutkatastrophe von New Orleans, die mit den fliegenden Rettungsschwimmern der US Coast Guard einen weiteren Typ des bis dato unbesungenen Helden ins allgemeine Bewusstsein hob. Mehr braucht es auch nicht, um die Geschichte in der Mitte des nationalen Gedenkens zu verankern. Der Rettungsschwimmer Ben Randall ist bereits eine lebende Legende, wenn man ihm im Film begegnet. Er hat so viele Menschen vor dem Ertrinken gerettet wie sonst niemand in der Küstenwache und nicht nur seine Ehe dafür geopfert. Eigentlich wäre er alt genug, um hinter einem Schreibtisch Platz zu nehmen, doch zieht es ihn immer noch hinaus. Erst ein Unfall, den er als einziger seiner Hubschrauber-Besatzung überlebt, nötigt ihm eine Auszeit ab. Er übernimmt die Ausbildung neuer Rettungsschwimmer und führt den Film ins bekannte Fahrwasser eines sportlich-militärischen Ausscheidungswettbewerbs: „Top Gun“ (fd 25 722) ist nicht weit, wenn man die Rekruten exerzieren und sich in die örtlichen Schönheiten verlieben sieht, verfolgt, wie einige versagen, andere sich bewähren und der jugendliche Protagonist am Ende mit gestärktem Charakter aus einem Parcours körperlicher und seelischer Prüfungen hervorgeht. Auch der Vater-Sohn-Konflikt zwischen Randall und seinem anfangs arroganten und später angemessen demütigen Musterschüler Jake Fischer wird auf eine Weise erzählt, die keine Überraschungen verheißt und doch die Unterschiede zu den kämpfenden Truppen betont. Wer die Prüfung der Küstenwache besteht, gehört zu einer Elite, die nicht das eigene Leben auf dem Schlachtfeld wagt, sondern sich freiwillig zum Spielball der Naturgewalten macht: „So that others may live!“, heißt der Wahlspruch ihrer Schule. Natürlich steuert auch „Jede Sekunde zählt“ so unvermeidlich wie vorhersehbar aufs große Drama zu, doch das Pathos ist selbst im Finale noch wohl dosiert, wenn Randall und Fischer zu ihrem schicksalhaften Einsatz fliegen. Etwas anderes wäre mit Andrew Davis und seinem Hauptdarsteller Kevin Costner auch nicht möglich gewesen: Beide gelten als Vertreter eines mit Lebenserfahrung gesättigten Understatements, und vermutlich ist es auch diesem Gespann zu danken, dass der Tatendrang von Costners Juniorpartner Ashton Kutcher auf ein ansehnliches Maß gebremst wurde. Am erstaunlichsten an diesem schönen Film ist allerdings, dass die Erzählung ihre letzte Steigerung im mythischen Bereich einer Meereslegende findet. Wo andere Gottes Beistand beschwören, spinnt Davis Seemannsgarn und dreht doch einen Film über den Glauben: den Glauben daran, dass Menschen einander retten können, und den Glauben, dass uns jemand zu Hilfe kommt.
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