Der Großvater der sadistischen Titelfigur landet durch einen Zufall in der Hölle, wo es ihm ausnehmend gut gefällt. Währenddessen versucht der Enkel, den Opa durch eine schwarze Messe wieder auferstehen zu lassen. Der zweite Zeichentrickfilm nach der erfolgreichen Comic-Serie (vgl. "Kleines Arschloch", 1996) setzt mit schwarzem und obszönem Humor auf eine eher spezielle Fangemeinde. Die schlicht animierte Nummernrevue bietet eine Abfolge infamer und blasphemischer Einfälle, deren pubertäre Provokationen jedoch keinerlei befreiende Wirkung erzeugen.
Das Kleine Arschloch und der alte Sack - Sterben ist Scheiße
Zeichentrick | Deutschland 2006 | 79 Minuten
Regie: Michael Schaack
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Senator Film/TFC Trickcompany
- Regie
- Michael Schaack
- Buch
- Walter Moers
- Musik
- Helge Schneider
- Länge
- 79 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Genre
- Zeichentrick
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
In seiner Schlichtheit hat das neue Filmmotto von Walter Moers etwas Bezwingendes: „Sterben ist Scheiße“ – selbst wer die Wortwahl etwas derb findet, wird hier nicht widersprechen wollen. Zu einer Feier des Lebens konnte sich der für seinen manchmal schwarzen, aber immer obszönen Humor bekannte Comic-Autor dann aber auch nicht durchringen. Sein zweiter Film mit dem frühreifen, altklugen, dabei unausstehlichen und somit treffend betitelten Kleinen Arschloch ist eher das Werk eines Gnostikers, der im Tod die einzige Erlösung vom irdischen Jammertal erkennt.
Dabei beginnt „Das kleine Arschloch und der alte Sack“ recht unverfänglich mit zwei Flugenten, die in luftiger Höhe über die Gefahren und Risiken des Fliegens debattieren. Offenbar fehlt dem ängstlicheren der beiden hessisch babbelnden Vögel das Urvertrauen in den eigenen Instinkt, während sein Begleiter darüber nur den Kopf schüttelt. Auf der Erde stolpert das Kleine Arschloch derweil über den Leichnam seiner Nachbarin, was erst zu einigen gesucht pietätlosen Spässchen am offenen Grab führt und wenig später dazu, dass die Familie ihren in einen unglücklich platzierten Sarg geplumpsten Großvater auf dem Friedhof vergisst. Nach einer kurzen Schrecksekunde einigt man sich darauf, nichts bemerkt zu haben und das Erbe in aller Unschuld unter sich aufzuteilen. Ausgerechnet der sonst für jede Niederträchtigkeit zu habende Filius entwickelt dann aber sentimentale Gefühle für seinen Großvater: Mit einer schwarzen Messe möchte er ihn wieder von den Toten auferstehen lassen.
Wenn der Enkel nur wüßte, wie gut es dem Opa in der Unterwelt gefällt! Sterben ist nämlich mitnichten Scheiße – zumindest wenn man vor dem Himmel der Prüden und Abstinenzler nach links in die wohlig warme Hölle abbiegt. Zwar ist der Teufel dem Kleinen Arschloch wie aus dem Gesicht geschnitten, doch wirkt sein Charakter ungleich freundlicher: Mehr Conferencier als Beelzebub, führt er den Neuankömmling in eine bestens ausgestattete Saunalandschaft ein, die neben Satellitenfernsehen und immer willigen Gespielinnen vor allem mit der Abwesenheit von körperlichen Gebrechen prunkt. Kein Rollstuhl mehr, kein künstlicher Darmausgang, kein Katheder in der Harnröhre – freiwillig kehrt Großvater nicht mehr ins Leben zurück. Warum sollte er auch? Seine Familie ist derart missraten, dass die Simpsons daneben wie die Waltons aussehen, und auch ansonsten ist die Welt des „Kleinen Arschloch“ auf Sadismus, Infamie und Blasphemie gebaut. Wenn der impertinente Dreikäsehoch gerade niemanden beleidigt, misshandelt er seinen Hund, wie andere Kinder nicht mal ihr Stofftier, und treibt den armen Vierbeiner zu immer verwegeneren Fluchtversuchen. Doch wie sich das Tier auch müht, es kommt immer nur vom Regen in die Traufe – oder, um im Moers'schen Jargon zu bleiben, vom Scheißhaufen in die Jauchegrube. So eintönig das anzusehen ist, es hat Methode: Das Kleine Arschloch trifft auf Pasolini. Nach dem fulminanten Erfolg des ersten „Kleinen Arschloch“-Films (fd 32 428) ist „Das kleine Arschloch und der alte Sack“ kalkulierter kommerzieller Selbstmord. Dass der Verleih alles versucht, um dies zu verheimlichen, ist sein gutes Recht. Sieht man nur das Plakat, ist alles beim Erfolgsrezept geblieben: Mit Helge Schneider (der auch die Musik beisteuert), dem Komikerduo Badesalz sowie Dirk Bach hat Regisseur Michael Schaack prominente Unterstützung ins Synchronstudio geholt und die Zeichentrick-Animation den Comicvorlagen gewohnt simplizistisch nachempfunden. Doch haben die pubertären Provokationen keine befreienden Effekte mehr. Nicht nur das Kleine Arschloch ist unter die Satanisten gegangen, es ist Walter Moers selbst, der uns in seinem neuen Film die schwarze Messe liest.
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