Einblicke in den Kampf mehr oder weniger talentierter Menschen, die in Hollywood Karriere als Schauspieler machen wollen. Ein schonungsloser, zugleich aber stets unterhaltsamer Dokumentarfilm, der einen desillusionierenden Blick hinter die Kulissen des Filmgeschäfts und der Casting-Agenturen gewährt und sich zu einer Beschreibung des Scheiterns verdichtet.
- Ab 14.
Behind the Couch - Casting in Hollywood
Dokumentarfilm | Deutschland 2005 | 70 Minuten
Regie: Veit Helmer
Kommentieren
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Veit Helmer Filmprod.
- Regie
- Veit Helmer
- Buch
- Veit Helmer
- Kamera
- Bendar Al Bashir
- Musik
- Johannes Koeniger
- Schnitt
- Vincent Assmann
- Länge
- 70 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Auf dem roten Teppich schreiten die Berühmtheiten und winken huldvoll – John Travolta, Kim Basinger, Dustin Hoffman. Sie haben es geschafft, sind ganz, ganz oben. Die meisten ihrer Kollegen indes bewegen sich aber ganz, ganz unten. Sie tragen ihre Haut zu Markte, um in dem heiß umkämpften Geschäft zu reüssieren. Denn an Schauspielern oder solche, die sich dafür halten, herrscht in Hollywood kein Mangel. Allein die Schauspieler-Gewerkschaft Screen Actor’s Guild zählt 118.000 Mitglieder, von denen 80.000 nicht beschäftigt sind. Weitere 150.000 Menschen sind nicht einmal organisiert, versuchen aber trotzdem, einen Job zu bekommen, einen Agenten, einen Manager, egal wo und wie. Der gewöhnliche Alltag heißt Arbeitslosigkeit und Ausbeutung. Casting-Director Mike Fenton bringt es auf den Punkt: „Ein Schauspiellaie, der nach L.A. kommt, sollte seinen Geisteszustand untersuchen lassen und am besten nach Hause gehen, eine Familie gründen und im Provinztheater auftreten.“ Harsche Worte eines Profis. Dennoch versuchen es Abertausende stets aufs Neue. Ohne eine Armada von Spezialisten läuft dabei nichts; am wichtigsten ist eben ein guter Casting-Director, egal ob für Studio- oder Independent-Produktionen. Die Damen (und wenigen Herren) treffen eine Vorauswahl der Schauspieler für Regisseure und Produzenten, wobei es auf Fingerspitzengefühl ankommt, für jede Rolle den richtigen Riecher zu haben in diesem „industrialisierten“ System der Rollenbesetzung.
Drei Monate schaute Veit Helmer für seinen ersten Dokumentarfilm hinter die Kulissen des Filmbusiness, war beim Casting von Wim Wenders’ „Don’t Come Knocking“ (fd 37 182) dabei und lernte viele große und kleine Casting-Firmen kennen. Ein Glücksfall, dass ihm Zora DeHorter über den Weg lief. Von ihrem ersten Gespräch mit dem Produzenten und der Regisseurin des Films „Half Life“, dem Erstellen einer Wunschliste über das Auswahlprozedere und Vorsprechen bis zur ersten Klappe am Drehort verfolgt er das knallharte Geschäft. Dabei heftet er sich auch an die Fersen der jungen April Kian, einer Schauspielerin aus Singapur, die völlig unbedarft in Los Angeles ankommt und gerne ein Star würde, wobei sie sich ernsthaft überlegt, ob es besser ist, erst für den „Oscar“ in der Kategorie Beste Nebenrolle anzutreten oder sofort für die Hauptrolle. Dabei klappert sie mutig Edel-Agenturen ab, nächtigt in billigen Motels und quält sich in teuren Fitness-Centern, um letztendlich enttäuscht zurückzufliegen – mit einem Plastik-„Oscar“ als Souvenir im Gepäck. Ganz anders ergeht es Lee Marks, der nervös wird, wenn das Handy zehn Minuten lang einmal nicht klingelt. Er kriegt die Rolle in „Half Life“ – Zufall, Talent oder Glück? Dramaturgisch eher am Spielfilm orientiert, bündelt Helmer 70 Stunden Material zu einer spannenden 70-minütigen Dokumentation über die diejenigen, die über das Schicksal jener vielen entscheiden, die meistens vergeblich auf die große Chance warten. In den Buchläden steht meterweise Ratgeber-Literatur über den Weg zum Ruhm, Käufer wie Verkäufer empfinden sich als verkannte Schauspieler, Horden von Fotografen leben vom optimalen „Head-Shot“, der optisch vielfach retouchierte Visitenkarte, die aus einem Mäuschen Marilyn Monroe macht. Für ein einziges Projekt landen durchschnittlich 5000 Zusendungen bei der Casting-Assistentin. Am Ende werden alle Bewerbungsunterlagen, Fotos und (häufig getürkte) Lebensläufe zum Recycling auf eine Müllhalde transportiert und zu einer grauen Masse verarbeitet – Papierkleie. Vorher wirbelt ein Windstoß ein paar „Head-Shots“ über die Einöde. Verlorene Träume in einer Stadt, die Träume produziert. Veit Helmer gewährt einen Einblick in den Kampf um den Aufstieg und die alltäglichen Abläufe, in die Rituale Hollywoods von der Verhackstückung des Drehbuchs bis zur fertigen Regievorlage. Am Ende bleibt auch die Hoffnung auf der Strecke. Man streckt sich lieber nach der Decke, so wie die 33-jährige Al. Sie ist kein Superstar und ahnt trotz allen Optimismus, dass sie auch nie einer wird. Aber sie ist stolz auf 15 Jahre im Business. Ein schonungsloser und informativer Dokumentarfilm, der nüchtern und unterhaltsam zeigt, was Film eigentlich ist: ein Geschäft mit Sehnsucht und Illusionen.
Kommentar verfassen