Eine südafrikanische Journalistin, Mutter einer taubstummen Tochter, droht an ihrer traumatischen Vergangenheit zu zerbrechen. Diese holt sie ein, als sie mit drei ehemaligen Geheimpolizisten konfrontiert wird, die eine Freiheitskämpferin ermordeten und sie selbst folterten. Der aus vielfachen Rückblenden bestehende, inszenatorisch schnörkellose Film konzentriert sich ganz auf seine überzeugenden Darsteller und ihre Geschichten und verdichtet sich zum zwingenden Porträt einer mutigen, gespaltenen Frau. Der spannende Versuch einer Vergangenheitsbewältigung aus der Perspektive der Gegenwart. (O.m.d.U.)
- Ab 16.
Zulu Love Letter
- | Südafrika/Frankreich/Deutschland 2004 | 103 Minuten
Regie: Ramadan Suleman
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Filmdaten
- Originaltitel
- ZULU LOVE LETTER | LETTRE D'AMOUR ZOULOU
- Produktionsland
- Südafrika/Frankreich/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- JBA Production/Natives at Large
- Regie
- Ramadan Suleman
- Buch
- Ramadan Suleman · Bhekizizwe Peterson
- Kamera
- Manuel Teran
- Musik
- Zim Ngqawana
- Schnitt
- Jacques Comets
- Darsteller
- Pamela Nomvete Marimbe (Thandeka) · Mpumi Malatsi (Mangi) · Sophie Mgcina (Me'Tau) · Kurt Egelhof (Moola) · Connie Mfuku (Mutter)
- Länge
- 103 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
„Zulu Love Letter“ stammt aus und spielt in Südafrika. Wie Zola Masekos „Drum“ (fd 37 370) setzt er sich mit der Zeit der Apartheid auseinander. Dass die Darsteller der internationalen Co-Produktion zu 90 Prozent Englisch und nur zu zehn Prozent Zulu sprechen, macht deutlich, an wen sich „Zulu Love Letter“ hauptsächlich richtet. Dennoch bleibt der Film ein spürbar afrikanisches Werk. Regisseur Ramadan Suleman („Fools“) verzichtet weitgehend auf Hochglanzoptik, aufwändige Kamerafahrten oder Schnittspektakel. Stattdessen malt er seine Bilder in den staubigen Farben eines dürren Landes. Kameramann Manuel Teran lässt die Sonne über dem Kap nicht leuchten. Sie brennt herunter auf die Vorstädte Johannesburgs. Meist legt sich ein Dunst aus Hitze und Erde vor die Linse. Man sieht keine Cityimpressionen, keine Großstadtlichter oder keine schiebenden Menschenmassen, hört kein Marktgeschrei, und keine hupenden Autos. Überhaupt keine Betriebsamkeit. Vielmehr unasphaltierte, entvölkerte Straßen. Leere, träge Viertel, in denen der rote Golf der Journalistin Thandeka Khumalo ein wenig deplatziert wirkt. Landschaft und Auto spiegeln die innere Zerrissenheit Thandekas wider und versinnbildlichen, wie sie sich fühlt: einsam, verlassen, heimatlos und überfordert.
Zu Beginn hockt sie ohnmächtig in ihrem Auto in einer Tiefgarage. Aus dem Kassettenradio dröhnt laute Musik. Thandeka ist am Ende ihrer Kräfte. Sie will nicht mehr leben. Aber sie wird gerettet, und rappelt sich noch einmal auf, stellt sich den Erwartungen, denen sie doch nie gerecht wird. Ihr Chef, ihr Ex-Mann, ihre Eltern, ihre 13-jährige taubstumme Tochter Mangi, alle sind enttäuscht von ihr. Vor allem als Mutter droht sie zu versagen. Mangi wuchs bei ihren Großeltern auf, sucht aber verzweifelt die Nähe zu Thandeka. Aus Perlen fertigt sie ein Amulett, einen „Zulu Love Letter“ für ihre Mutter. Doch die Wirkung lässt lange auf sich warten. Thandeka begegnet ihrer Tochter unwirsch und unsensibel. Sie vergisst sie abzuholen, beherrscht nicht einmal die Gebärdensprache. Pamela Nomvete Marimbes wunderbares Spiel verdichtet die inneren Brüche Thandekas zu einer authentischen, widersprüchlichen Persönlichkeit. Sie spielt sie stark und schwach zugleich, stets stimmig und glaubwürdig. Das Schönste aber ist, dass diese wunderbare schauspielerische Leistung zunächst kaum auffällt. Weil man fast nicht merkt, dass hier jemand darstellt. Ganz selbstverständlich ist Marimbe als Thandeka präsent, fast wie nebenbei. Mpumi Malatsi geht als ihre Filmtochter ebenso ungekünstelt in ihrer Rolle auf, wie das gesamte Ensemble überzeugt.
Im Zentrum des Films verkörpert Marimbe die nicht immer sympathische Antiheldin so eindringlich, dass man als Zuschauer zwischen Wut und Mitgefühl schwankt, weil sich früh abzeichnet, dass Thandeka nicht einfach charakterschwach ist. Ihr trotziger Egoismus entspringt einem unbewältigten Trauma, das in verzerrten Erinnerungsbildern immer wieder aufflackert. Aus vielfachen Rückblenden lässt sich ihre Leidensgeschichte allmählich rekonstruieren. Als junge Reporterin musste sie mit ansehen, wie eine Freiheitskämpferin von der Geheimpolizei ermordet wurde. Thandeka wurde verhaftet, gefoltert. Damals war sie schwanger, ihre Tochter kam später taub zur Welt. Davon hat sie ihr aber nie etwas erzählt. Mangi ahnt ein Geheimnis, aber Thandeka schweigt. Bis eines Tages die Mutter der ermordeten Freiheitskämpferin bei ihr in der Redaktion auftaucht. Sie hat einen der drei am Mord beteiligten Polizisten ausfindig gemacht. Endlich will sie erfahren, wo ihre Tochter begraben liegt. Doch der Polizist streitet alles ab, und die verzweifelte Mutter bittet Thandeka um ihre Hilfe. Nun holt die Vergangenheit Thandeka ein. Nicht nur, weil sie vermehrt Albträume und quälende Erinnerungen heimsuchen. Sondern auch als ganz konkrete Bedrohung, weil die Mörder von damals und liebevollen Familienväter von heute um keinen Preis mit ihrer einstigen Untat in Verbindung gebracht werden möchten. Bald gerät nicht nur Thandeka, sondern auch ihre Tochter in tödliche Gefahr.
Rückblenden, die ein verdrängtes traumatisches Erlebnis nach und nach mosaikartig zu Tage fördern, hat man im Kino schon häufig gesehen. So oft, dass sich diese Erzähltechnik mittlerweile abgenutzt hat. Das Verzerrungsbrimborium aus Zeitlupen, Unschärfen und Reißschwenks, das Suleman hierbei auffährt, unterstreicht den dramatischen Effekt überdeutlich. Für eigene Anteilnahme bleibt da nur wenig Raum. Doch der Film erzählt über die Vergangenheit aus der Perspektive der Gegenwart. Mit dieser kommt Suleman deutlich besser zurecht. Im Jetzt entwickelt er das zwingende Porträt einer mutigen, gespaltenen Frau, einer geschundenen, kämpferischen Kultur. Nur gelegentlich lässt Suleman seine Figuren ein bisschen viel reden. Meist aber sagen sie gerade das, was zu sagen ist. Im Übrigen sprechen die zärtlichen Bilder und kargen Momente für sich selbst.
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