Von „36 Rivalen“ kann in Olivier Marchals fulminantem Polizeithriller keine Rede sein. Der nüchterne französische Originaltitel „36, Quai des Orfèvres“ dokumentiert lediglich eine Pariser Postanschrift, den Sitz einer Spezialeinheit der Polizei. Während deren Mitglieder ausgelassen die Beförderung eines Kollegen feiern, findet andernorts ein brutaler Überfall auf einen Geldtransport statt, bei dem zwei Menschen ihr Leben verlieren. Der Coup trägt eindeutig die Handschrift einer seit langem gesuchten Bande. Am Tatort finden sich die Kommissare Vrinks und Klein ein, Kumpels aus alten Tagen, die, mittlerweile in anderen Abteilungen tätig, längst einen Bogen um sich machen, auch weil Klein in der Vergangenheit eine Affäre mit Vrinks Frau Camille hatte. Dieser sexuelle „Fauxpas“ ist der Zusammenarbeit der beiden ausgebrannten Polizisten zwar nicht förderlich, behindert sie aber auch nicht über die Maßen. Die eigentliche Konkurrenz wird geschürt, als der Vorgesetzte der beiden Vrinks signalisiert, dass er ihn gerne auf seinem Posten wissen würde; Voraussetzung dafür sei die Ergreifung der Bande. Dies scheint nur eine Frage der Zeit, als der Strafgefangene Silien seine Spitzeldienste anbietet und Vrinks im Gegenzug um einen kleinen Gefallen bittet: eine Stadtrundfahrt zu nächtlicher Zeit am Tag seines Freigangs, ein Treffen mit Freunden und die Rückendenkung des Polizisten. Der erfasst den Ernst der Lage aber erst, als Silien drei Kontrahenten erschießt und Vrinks zu einem wasserdichten Alibi nötigt. Vrinks hat zwar jetzt seinen Zugang zu der berüchtigten Bande, doch Klein will seinen eigenen Zugriff und verdirbt die Aktion, die mit etlichen Toten und der Flucht des Haupttäters endet. Eigentlich könnte jetzt Gras über die Sache wachsen, doch ein toter Polizist verlangt unwiderruflich nach einem Untersuchungsausschuss, in dessen Verlauf Vrinks’ Verstrickung zu Tage kommt. Er wird vom Dienst suspendiert und wandert ins Gefängnis, während Klein auf der Karriereleiter empor steigt. Der Inhaftierte nutzt eine gerichtliche Vorladung, um noch einmal ein Zusammensein mit seiner Frau zu erzwingen, während sich Klein im Glanz seines neuen Postens sonnt. Jedenfalls beinahe: Als Silien Kontakt mit Vrinks’ Frau aufnimmt, um den Polizisten mit gerichtlich relevanten Aussagen zu entlasten, heftet sich Klein an ihre Fährte, provoziert einen Verkehrsunfall und richtet die beiden lästigen Zeugen hin. Vrinks, der nach sieben Jahren Haft nichts mehr zu verlieren hat, sinnt auf Rache.
Bei aller Kompliziertheit der Handlung erliegt Marchal nie den Gefahren des Genres und entwickelt einen Cop-Thriller mit Anti-Helden ohne Schablone. Den diversen Geschichten und Charakteren verleiht er Tiefe, wobei nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint; je länger man hinschaut, umso mehr Abgründe offenbaren sich. Der scheinbar integre Familienvater Vrinks schreckt nicht davor zurück, seine Machtkompetenz auch im privaten Bereich einzusetzen; Gegenspieler Klein liefert das Paradebeispiel eines korrupten „Bullen“, der zwar nicht unbedingt für Geldzuweisungen empfänglich ist, der aber durchaus seine Sonderstellung im System zu nutzen weiß. Überhaupt spielen das System und die Hierarchie, in denen sich diese Art polizeilicher Ethik behaupten kann, eine nicht zu unterschätzende Rolle in dem düsteren Thriller, der in seiner stillen Lakonie oft an die Polizeifilme von Jean-Pierre Melville erinnert. Die beiden Hauptdarsteller zeigen sich von ihrer besten Seite: Daniel Auteuils melancholischer Charme funktioniert eben nicht nur in besinnlichen Komödien, sondern steht auch einem ausgebrannten Polizisten zu Gesicht, und Gérard Depardieus massiver Körper signalisiert zwar Einsatzbereitschaft und Durchsetzungsvermögen, kann aber die allumfassende Müdigkeit, die von Kleins Charakter längst Besitz ergriffen hat, nur auf den ersten Blick kaschieren. Der ohne aufdringliche Spezialeffekte überzeugend inszenierte und gespielte Film bietet nicht nur Freunden des Genres beste Unterhaltung.