Biopic | USA 2004 | 114 Minuten

Regie: Bennett Miller

Leben und Karriere des US-amerikanischen Erfolgsautors Truman Capote, fokussiert auf die sechsjährige Arbeit an seinem dokumentarischen Roman "Kaltblütig". Die in der Titelrolle brillant gespielte Filmbiografie beleuchtet auch die Schattenseiten ihrer Hauptperson, ohne sich von ihr abzuwenden. Dabei porträtiert die elegante Inszenierung mit Hang zur Melodramatik ihre Hauptperson als gesellschaftlichen Außenseiter, der das scheinbare Stigma der Auserwähltheit durch sein affektiertes Auftreten zu überdecken versucht. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CAPOTE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
United Artists/Infinity Media/A-Line Pic./Cooper's Town Prod./Eagle Vision
Regie
Bennett Miller
Buch
Dan Futterman
Kamera
Adam Kimmel
Musik
Mychael Danna
Schnitt
Christopher Tellefsen
Darsteller
Philip Seymour Hoffman (Truman Capote) · Catherine Keener (Harper Lee) · Clifton Collins jr. (Perry Smith) · Chris Cooper (Alvin Dewey) · Bob Balaban (William Shawn)
Länge
114 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Biopic | Drama
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen dt. untertitelbaren Audiokommentar des Regisseurs mit dem Darsteller Philip Seymour Hoffman sowie einen mit dem Regisseur und dem Kameramann.

Verleih DVD
Sony (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Leben und Karriere des US-amerikanischen Erfolgsautors Truman Capote, fokussiert auf die sechsjährige Arbeit an seinem dokumentarischen Roman "Kaltblütig". Die in der Titelrolle brillant gespielte Filmbiografie beleuchtet auch die Schattenseiten ihrer Hauptperson, ohne sich von ihr abzuwenden.

Diskussion

Leben und Karriere des US-amerikanischen Erfolgsautors Truman Capote, fokussiert auf die sechsjährige Arbeit an seinem dokumentarischen Roman "Kaltblütig". Die in der Titelrolle brillant gespielte Filmbiografie beleuchtet die Schattenseiten ihrer Hauptperson, ohne sich von ihr abzuwenden.

Einem schönen Bonmot zufolge ist eine Berühmtheit jemand, der keinen Vornamen mehr braucht. Der schlichte Schriftzug „Capote“ zu Beginn der Filmbiografie von Bennett Miller beschwört damit genau jenes zwischen Nähe und Unerreichbarkeit schillernde Spiel des Ruhms, auf das sich auch der amerikanische Schriftsteller Truman Capote bestens verstand. Wenige Künstler ließen ihren eigenen Ruf so effektiv für sich arbeiten wie der Autor von „Frühstück bei Tiffany“, der nach einigen literarischen Erfolgen auf das Feld der journalistischen Reportage wechselte. Sein Name öffnete ihm nicht nur die Türen der Stars – was vor allem Marlon Brando hinterher bereuen – sollte sondern auch die der kleinen Leute.

Bennett Miller erzählt in seinem Spielfilmdebüt im Wesentlichen die Geschichte einer Recherche. Sie führt Truman Capote in eine kleine Ortschaft, die zum Schauplatz eines scheinbar sinnlosen Mordes an einer vierköpfigen Familie wurde. Ursprünglich als skizzenhaftes Sittenbild einer erschütterten Gemeinde gedacht, wächst sich das Projekt zu einer bald sechsjährigen Arbeit am dokumentarischen Roman „Kaltblütig“ aus. Capote verfolgte die Ermittlungen, führte unzählige Gespräche, freundete sich mit Perry Smith und Dick Hickock an, den beiden geständigen Mördern, und begleitete sie bis zu ihrer Exekution.

Nach der Veröffentlichung von „Kaltblütig“ wurde Capote vereinzelt dafür kritisiert, dass er sein Material dem Gericht nicht zugänglich gemacht hatte. Doch das war nicht sein einziges moralisches Vergehen. Als er endlich einen Schluss für seinen Roman brauchte, entzog er den Todeskandidaten die von ihm bezahlte rechtliche Unterstützung.

Künsterdrama und Wirklichkeit

Künstlerdramen handeln meistens davon, dass jemand mit den Konventionen bricht und dabei mit den gültigen Wertvorstellungen über Kreuz kommt. Für Miller ist das Revolutionäre an „Kaltblütig“, dass sich Capote für seine „non-fiction fiction“ mit der Wirklichkeit eingelassen und damit die Kontrolle über sein Werk aus der Hand gegeben hat.

Die letzten beiden Jahre des Schreibens, in denen Capote zwischen Schreibtisch und Todestrakt pendelt und dabei allmählich die Geduld mit der widerspenstigen Realität verliert, werden für den Schriftsteller zur Tortur und für seinen Darsteller zum Paradestück. Zunächst ist Philip Seymour Hoffmans am Rande der Persiflage balancierende Interpretation ein Schock, weil sie den eitlen Mann mit der Fistelstimme dem Publikum zum Fraß vorzuwerfen scheint. Statt um Sympathien zu werben, wird Capote von Anfang an als Außenseiter der Gesellschaft porträtiert, als narzisstischer Vampir, der sich von der Wirklichkeit ernährt, um sie in Kunst zu verwandeln.

„Eine Goldmine“, murmelt der Autor ergriffen, als er zum ersten Mal die Tagebücher Perry Smiths durchgeht. Doch Ruhm ist in „Capote“ seine eigene Strafe. Nach dem Erfolg von „Kaltblütig“ endet sein Held als König Midas der amerikanischen Literatur. Die Schlusstitel vermelden pathetisch: „He never finished another book“.

Ein melodramatisches Herz

Der Titel von Capotes Roman „Kaltblütig“ ließ sich gleichermaßen auf das eigentliche Verbrechen wie auf die staatlich sanktionierte Todesstrafe beziehen. Auf den Film und seine Hauptfigur trifft eher das Gegenteil zu. Unter der eleganten Oberfläche von Bennett Millers Regie pulsiert ein melodramatisches Herz, und unter dem affektierten Äußeren von Hoffmans Capote das Stigma der Auserwähltheit.

Allerdings kann sich auch Miller nicht von einem scheinbar unumgänglichen Gesetz des biografischen Dramas befreien: Im Leben der Berühmtheit wird eine Folgerichtigkeit konstruiert, die mitunter von bloßer Konfektionierung nicht mehr zu unterscheiden ist. Manches hätte man gerne etwas ausführlicher gesehen, etwa Capotes Beziehung zu Perry Smith, in dessen Geschichte sich der Autor zum Teil wiedererkannte, oder die zu seiner Assistentin Harper Lee, die mit ihrem Roman „Wer die Nachtigall stört...“ selbst zu literarischen Ehren kommen sollte. Immerhin spricht Smith die zentralen Sätze des Buchs auch im Film: „Ich wollte den Mann nicht verletzen. Ich hielt ihn für einen anständigen Herrn. Sanftmütig. Ich dachte es bis zu dem Zeitpunkt, als ich ihm die Kehle durchschnitt.“

Insgesamt ist dieser Capote aber eine zu egozentrische Figur, um dem Ensemble seines Lebens oder dem Thema seines berühmtesten Buchs einen Teil der Bühne abzutreten. Sogar die Exekution widmet Miller zu Capotes persönlichem Drama um. Der Autor, der in „Kaltblütig“ ganz hinter dem Geschehen verschwinden wollte, entkommt auch posthum nicht seiner eigenen Präsenz.

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