Eine junge Frau, die vor dem Krieg in Kroatien nach Deutschland floh, kehrt in ihre Heimat zurück, wo sie zunächst herzliche Aufnahme findet. Als sie aber ein Kind mit asiatischen Gesichtszügen zur Welt bringt, gehen ihre Landsleute auf Distanz. Rabenschwarze Tragikomödie, die an einem überspitzt dargestellten Einzelfall die Tragödie Jugoslawiens durchspielt. (O.m.d.U.)
- Ab 16.
Sorry for Kung Fu
- | Kroatien 2004 | 71 Minuten
Regie: Ognjen Svilicic
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Filmdaten
- Originaltitel
- OPROSTI ZA KUNG FU
- Produktionsland
- Kroatien
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- HRT/Croatian Television
- Regie
- Ognjen Svilicic
- Buch
- Ognjen Svilicic
- Kamera
- Vedran Samanovic
- Musik
- Ognjen Svilicic · Marco Market
- Schnitt
- Vjeran Pavlinic
- Darsteller
- Daria Lorenci (Mirjana) · Vera Zima (Kate) · Filip Rados (Jozo) · Vedran Mlikota (Veliki) · Luka Petrusic (Marko)
- Länge
- 71 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Der Jugoslawien-Krieg ist zu Ende. Aber im kleinen, ländlichen Kroatien-Ausschnitt, den diese lakonische Tragikomödie präsentiert, sind die Wunden längst noch nicht verheilt. Im Krieg war die junge Mirjana nach Deutschland geflüchtet. Im Frieden wäre sie wohl nicht zurückgekehrt, hätte sie ihr Visum dort verlängern können. Nun aber sitzt sie im Zug: eine moderne, schwangere Frau, die in ihre Heimat zurückgezwungen wird. Mirjanas Rückkehr ist nicht bloß als Reise in die eigene Vergangenheit inszeniert, sondern auch als Rückschritt zu einer traditionellen, patriarchalen Kultur, die der Film ebenso satirisch wie liebevoll aufs Korn nimmt. In ihrem Bauch bringt Mirjana ein Stück Zukunft mit. So anschaulich, so simpel funktioniert die Symbolik in der mit bescheidenen Mitteln kammerspielartig entworfenen Filmallegorie über Fremdenfeindlichkeit und Nächstenliebe. Am dramaturgischen Drehpunkt verschmelzen Ferne und Nähe zu zwei Seiten derselben Medaille: Mirjana bringt zum Entsetzen ihrer Eltern einem Jungen mit asiatischen Gesichtszügen das Leben schenkt. Das Fremde, Andersartige wird plötzlich Teil der eigenen Familie. Vor allem Mirjanas Vater will das zunächst nicht wahrhaben. Als er erfährt, dass seine Tochter einen gesunden Jungen geboren hat, feuert er mit seinem Gewehr, wie in altväterlichen Zeiten, einen Salut ab. Doch als er seinen halbasiatischen Enkelsohn im Krankenhaus zum ersten Mal sieht, verstößt er ihn.
Mirjana und ihr Sohn verlassen das Dorf. Ein paar Jahre später kehren sie erneut zurück. Mirjanas Vater liegt im Krankenhaus. Am Krankenbett kommt es zu einem verwirrenden Aufeinandertreffen von Großvater und Enkelsohn. Eine Begegnungsszene, die gerade deshalb anrührt, weil sie vieles unausgesprochen, aber manches ahnen lässt. Ähnlich zurückhaltend funktioniert der gesamte Film. Oberflächlich bietet er kaum mehr als drei Szenerien: das Haus von Mirjanas Eltern, die karge Einöde, die es umgibt, eine Klinik. Neben Mirjana und ihren Eltern taucht noch Marko auf, Mirjanas jüngerer Bruder, der mit einer billigen E-Gitarre gegen den Dorfmuff anklimpert. Dann ist da noch der Onkel, der sich sofort, als Mirjana schwanger und ohne Mann zurückkommt, darum kümmert, alles wieder „in Ordnung“ zu bringen. Ognjen Svilicic zeichnet ihn als Prototypen balkanischer Mauschelkunst und überzeichnet ihn dabei nur gerade soviel, dass man sich über ihn lustig machen kann, ohne ihn als Witzfigur abzutun. In der schrägen Filmwelt des kroatischen Regisseurs ist über Landes- und Feindesgrenzen hinweg der Einfluss des bosnischen Filmemachers Emir Kusturica unverkennbar. Mit ihm teilt Svilicic den Hang zu bizarren Situationen, knorrigen Typen und zum satirischen Blickwinkel. Nur trägt Svilicic nicht so dick auf. Sein Humor taugt eher zum Schmunzeln. Schallend komisch wird es selten; wirklich ernst allerdings auch nicht öfters.
Das verzweifelte, täppische Regiment der Männer wirkt fast bemitleidenswert kauzig, obwohl es eigentlich alles andere als lustig ist. Der Vater zwingt Mirjana, sich als Witwe auszugeben – als Witwe eines anständigen, kroatischen Mannes. Das noch ungeborene Kind wird so legitimiert, und Mirjana kann wieder heiraten, egal, ob sie will oder nicht. Der emsige Onkel schleppt allerhand merkwürdige „Verehrer“ an. Der eine zückt beim kleinsten Geräusch die Waffe und steht beim Essen plötzlich auf, um vor dem Haus einen Hasen zu schießen. Ein anderer hat eine praktische Methode entwickelt, mit Hilfe eines Traktors Minen zu räumen. Ein Heiratskandidat nach dem anderen entpuppt sich als seelischer Kriegskrüppel oder ist von zweifelhafter ethnischer, möglicherweise bosnisch-moslemischer Herkunft. Die nationalen und religiösen Vorbehalte des fremdenfeindlichen Vaters werden mit der Geburt seines Enkelkindes ad absurdum geführt. Die Lüge von der ehrenwerten patriotisch-verwitweten Tochter fliegt auf, und Mirjanas Vater wird zum Gespött des Dorfs. Mit dieser kompakten Handlung bringt Svilicic den grotesken Nachkriegsalltag und den absurden Chauvinismus im ehemaligen Vielvölkerstaat Jugoslawien auf den Punkt. Inmitten eines kleinkarierten, engstirnig bornierten Landstrichs, in dem ehemalige Nachbarn zu Todfeinden wurden, führt sein Film am Beispiel einer Mutter und ihres Sohnes vor Augen, dass Fremdenfeindlichkeit nur dort gedeihen kann, wo es an Nächstenliebe mangelt. Gemächlich und gelassen, humorvoll und ein wenig spöttisch offenbart er die Schwächen der Protagonisten, ohne sie an den Pranger zu stellen. Ganz ohne Zorn, voller kritischer Liebe für die störrischen Menschen seiner Heimat filmt Svilicic gegen den Hass an. Trotz der vielen tristen Aufnahmen vor staubiger Landschaft bleibt stets ein hoffnungsvolles, menschenfreundliches Grundgefühl spürbar. „Sorry for Kung Fu“ ist ein bittersüßer, sanft-spröder Nachkriegsfilm, eine rosige schwarze Komödie.
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