Ein Angestellter kehrt aus der chinesischen Wirtschaftsmetropole Shenzen zu seinem Vater nach Peking zurück, wo dieser mit seinem jüngeren, geistig behinderten Sohn eine Badeanstalt führt. Diese Konstellation nutzt der Film für die Konfrontation chinesischer Traditionen mit den Verlusten und Zwängen des wirtschaftlichen Booms in China. Die mit stillem Humor und Gelassenheit entwickelte Geschichte ist mit zahlreichen Anekdoten angereichert, was phasenweise auf Kosten der inneren Spannung und Überzeugungskraft des Films geht. (O.m.d.U.)
- Ab 14.
Das Badehaus
- | VR China 1999 | 94 Minuten
Regie: Zhang Yang
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Filmdaten
- Originaltitel
- XIZHAO
- Produktionsland
- VR China
- Produktionsjahr
- 1999
- Produktionsfirma
- Imar Film/Xi'an Film Studio
- Regie
- Zhang Yang
- Buch
- Liu Fen Dou · Zhang Yang · Huo Xin · Diao Yi Nan · Cai Xiang Yun
- Kamera
- Zhang Yian
- Musik
- Ye Xiaogang
- Schnitt
- Yang Hong Yu
- Darsteller
- Zhu Xu (Master Liu) · Pu Cun Xin (Da Ming) · Jiang Wu (Er Ming) · He Zheng (He Bing) · Zhang Jin Hao (Hu Bei Bei)
- Länge
- 94 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Ein Missverständnis ruft Da Ming, einen höheren Angestellten aus der Boom-Region Shenzen, zurück nach Tokio. Sein geistig behinderter Bruder Er Ming – eher eine Art heiliger Tor mit genialen Einfällen – hat ihm eine Postkarte geschrieben, die ihren Vater Meister Liu offenbar kurz nach seinem sanften Tod zeigt. Kaum in der etwas heruntergekommenen Badeanstalt angekommen, die Vater und Sohn in einem volkstümlichen Viertel Pekings führen, erkennt Da Ming seinen Irrtum. Denn Meister Liu massiert und knetet die Körper seiner männlichen Klientel mit fast der gleichen Energie und Hingabe wie eh und je. Eher um sein Gesicht zu wahren als aus wirklicher Zuneigung, bleibt Da Ming noch eine Weile mit Vater und Bruder zusammen. Oder ist es vielleicht der burleske Charme des feuchten Etablissements und seiner verschrobenen Besucher, der Da Ming insgeheim fesselt und zum Dableiben bewegt? Ganz klar wird das nicht. Auf jeden Fall ist eine Konfrontation vorprogrammiert, auch wenn diese mit irritierender dramaturgischer Nonchalance entwickelt wird. Schaut man sich „Das Badehaus“ an, meint man es mit dem gediegenen Alterswerk eines abgeklärten Regieveteranen zu tun zu haben, nicht mit dem zweiten Film eines 36-Jährigen und seines Teams, das sich zuvor in der Underground- und Popmusik-Szene einen Namen machte. Doch Zhang Yang – nicht zu verwechseln mit dem Regisseur der so genannten 6. Generation Zhang Yuan („East Palace, West Palace“, fd 33 220) – ist ein weiteres Beispiel für den momentanen Facettenreichtum im chinesischen Filmschaffen, das längst auch jenseits von Illegalität und Underground Wege findet, Produktionen mit eigenständigen Gedanken zum chinesischen Selbstverständnis zu realisieren. Wie schon in seinem Debütfilm „Spicy Love Soup“ ist sich Zhang Yang nicht zu schade, dabei auch auf die Publikumswirksamkeit zu achten - mit offensichtlichem Erfolg an den heimischen Kinokassen.
Auch international fand die unaufgeregt erzählte Konfrontation zwischen chinesischer Tradition und modernem Fortschritt ihre Liebhaber, wie zahlreiche Preise auf namhaften Festivals beweisen. Ein wenig überrascht dies schon, denn weder Zhang Yangs Inszenierung noch die etwas voraussehbare und mit zahmem Humor garnierte Geschichte bieten wirklich Außergewöhnliches. Mit „gefällig“ ist der Film noch am ehesten charakterisiert. In zahlreichen anekdotenhaften Windungen und Nebengeschichten entführt „Das Badehaus“ ganz sacht in den wohltemperierten Kosmos einer kleinen Welt, die kurz nach Da Mings Ankunft auch noch vom Abriss bedroht wird. Man ahnt die Bedeutung dieser Badeanstalt für die Menschen der Nachbarschaft, die dennoch in erster Linie primär als „Schauplatz“ und Treffpunkt merkwürdiger Gestalten wahrgenommen wird und in ihrer Funktion im Film auch darauf reduziert scheint: ein abgeschlossener Kosmos, in dem die Menschen die Wirklichkeit eher verdrängen, als dass dieser eine Relevanz beigemessen würde – und damit auch im Film irgendwie verhandelbar wäre. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Meister Liu und Er Ming ihren Kunden in vielen Situationen und Lebensbereichen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Auf der Ebene der Hauptfiguren bleibt „Das Badehaus“ ähnlich indifferent. Die Wandlung des „verlorenen Sohns“ wird genauso wenig mit Leben und Konflikten gefüllt, wie auch seine Motive für die einstige Abkehr von dieser Welt nie hinterfragt und mit der neuen Situation kontrastiert werden. Oder spukte in den Köpfen der Macher doch schon die Angst herum, die Kritik am Wirtschaftsboom und seinen Folgen nicht zu weit zu treiben? So bleibt die Frage offen, was dieser Film, abgesehen von seinen skurrilen, humorvollen Randepisoden, tatsächlich erzählen will und wie ernst er es damit meint.
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