Willkommen im Club (2005)

- | Deutschland 2005 | 98 Minuten

Regie: Holger Borggrefe

Ein Maurer, eine Hauswirtschafterin und eine angehende Ärztin, die im selben Hamburger Mietshaus leben, verlieren am selben Tag ihre Jobs: drei Fälle von Arbeitslosigkeit, die der Film in klassischer Parallelmontage verfolgt, wobei sich die Figuren nur selten begegnen und jede bemüht ist, ihre missliche Situation zu verbergen und zu verarbeiten. Ein trotz dramaturgischer und darstellerischer Schwächen durchgehend spannender Gegenwartsfilm, der souverän auf dem schmalen Grat zwischen Tragödie und Komik balanciert und seine Stärken in der originären Atmosphäre hat. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Stehwiederauf Filmprod.
Regie
Holger Borggrefe
Buch
Holger Borggrefe · Nicole Unger
Kamera
Janucz Reichenbach
Musik
Matthias Köninger
Schnitt
Martina Mielenz
Darsteller
Franz Joseph Dieken (Joachim Weller) · Kasia Naumow (Tonja) · Nicole Unger (Kerstin Reimann) · Harald Burmeister (Gerd Hoffmann) · Max Naumow (Moritz)
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
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Veröffentlicht am
12.10.2005 - 09:12:21
Diskussion
Eigentlich haben Joachim, Tonja und Kerstin wenig gemein, abgesehen davon, dass sie im selben Hamburger Mietshaus wohnen und – wie es der Zufall so will – am selben Tag arbeitslos werden. Maurer Joachim bekommt seine Kündigung per Post, Tonja verliert ihren Job als Hauswirtschafterin auf einem Gestüt, weil sie eine Affäre mit ihrem Chef hatte und dessen Ehefrau dahintergekommen ist, und der angehenden Ärztin Kerstin erklärt man im Krankenhaus unverblümt, dass sie dem Stress ihres Berufs offenbar nicht ganz gewachsen sei. Drei gänzlich verschiedene Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen, die sich plötzlich gezwungen sehen, mit Arbeitslosigkeit fertig zu werden. Während Joachim das Ganze nicht wahrhaben will, den Mann vom Arbeitsamt bestürmt und Arbeit, nicht Arbeitslosengeld verlangt, würde die alleinerziehende Tonja die staatliche Unterstützung gern annehmen, wenn sie denn einen Anspruch darauf hätte. Kerstin ist dagegen noch vergleichsweise gut dran. Sie findet ziemlich schnell eine neue Stelle – die allerdings erst in einem halben Jahr frei wird. Während der geschiedene Joachim versucht, seine Misere vor Ex-Frau und kleiner Tochter zu verbergen und Tonja sich auf jedes erdenkliche Jobangebot einlässt, fällt die psychisch labile Kerstin in ein Loch. Von ihrer eigenen Untätigkeit gelähmt, heftet sie sich wie eine Klette an ihren Freund, woran die Liebe alsbald zu ersticken droht. Drei Fälle von Arbeitslosigkeit, die „Willkommen im Club“ in klassischer Parallelmontage verfolgt, wobei sich die Hauptfiguren zwar hie und da über den Weg laufen, ohne sich jedoch sonderlich näher zu kommen, da jeder bemüht ist, seine missliche Situation zu verbergen, bzw. sie allein zu meistern. Der daraus resultierenden Tristesse entsprechen trübe Hamburger Herbst- und Wintertage und ein (fast) durchgehend gemäßigtes Erzähltempo. Auch in den Gesichtern der Protagonisten wird deutlich, dass die Sonne gerade irgendwo anders scheint. Doch die kleinen und großen Dramen werden immer wieder durch komödiantische Elemente konterkariert. Sei es durch kafkaeske Realsatiren des Arbeitsmarktes, der allerlei absurde Mini-Jobs und Umschulungen zu bieten hat, oder durch dezent ironische Musikuntermalung. Außerdem gibt es regelmäßig Szenen, die souverän auf dem schmalen Grat zwischen Tragödie und Komik balancieren. Wo Joachim in liebevoller Handarbeit Schmuckhüllen für seine bescheidene Video-Sammlung bastelt oder Kerstin sich nicht entscheiden kann, ob sie Kaffee oder Tee zum Frühstück haben möchte, gelingen anrührend traurig-komische Momente. Ihnen stehen allerdings immer wieder Sequenzen gegenüber, denen es bei der szenischen Auflösung deutlich an Feinschliff mangelt. Wenn Tonjas Ex sie mit Dackelblick anschaut, „Ich wollte dich fragen, willst du...“ stammelt und dabei in seiner Hosentasche nestelt, woraufhin sie einen Verlobungsring erwartet, er aber nur ein Taschentuch hervorkramt und sich heftig schneuzt, wirkt das allenfalls wie ein bebilderter Witz aus einer Sketchparade. So ist „Willkommen im Club“ unter dem Strich eine kammerspielartig inszenierte, mit Mini-DV-Kamera gedrehte Produktion aus der Grauzone zwischen Low- und No-Budget, die nicht ohne dramaturgische Längen ist, mit schauspielerischen Leistungen von höchst unterschiedlicher Qualität aufwartet, ihre Stärken aber in einer originären Atmosphäre hat, die auf höchst eigentümliche Art zwischen Tristesse und lakonisch trockenem Humor changiert.
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