Ein anonymer Brief veranlasst einen antriebsschwachen Mann, sich auf die Suche nach der Mutter seines unbekannten und mittlerweile erwachsenen Sohns zu begeben, in deren Verlauf er mit vier Ex-Geliebten konfrontiert wird, die alle als mögliche Mutter in Frage kommen. Die lakonische Tragikomödie über verpasste (Lebens-)Chancen beleuchtet weiße Mittelschicht-Milieus quer durch die USA, wobei einzelne skurrile Charaktere mitunter allzu karikiert werden. Ein spröder, gleichwohl unterhaltsamer Film, dessen höchst eindrucksvoller Hauptdarsteller in seiner Rolle aufgeht, und der mit der Botschaft aufwartet, dass nur das Leben im Hier und Jetzt sinnvoll ist.
- Ab 16.
Broken Flowers
Tragikomödie | USA/Frankreich 2005 | 105 Minuten
Regie: Jim Jarmusch
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Filmdaten
- Originaltitel
- BROKEN FLOWERS
- Produktionsland
- USA/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Bac Films/Focus Features
- Regie
- Jim Jarmusch
- Buch
- Jim Jarmusch
- Kamera
- Frederick Elmes
- Musik
- Mulatu Astatke
- Schnitt
- Jay Rabinowitz
- Darsteller
- Bill Murray (Don Johnston) · Jeffrey Wright (Winston) · Sharon Stone (Laura) · Frances Conroy (Dora) · Jessica Lange (Carmen)
- Länge
- 105 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Tragikomödie
- Externe Links
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Heimkino
Diskussion
Jim Jarmusch verdankt seinen Karrierestart Wim Wenders. Der überließ dem Nachwuchsfilmer, der bei „Nick’s Film – Lightning Over Water“ (fd 22 845) assistiert hatte, das bei jenem Dreh übrig gebliebene Filmmaterial, womit Jarmusch dann die Arbeit an seinem Debüt „Permanent Vacation“ (1980) begann. Dass beide Filmemacher sich nun, ein Vierteljahrhundert später, gleichzeitig dem selben Thema widmen, ist ein kurioser Zufall – oder aber Symptom der aktuellen gesellschaftlichen Virulenz des Themas Vaterschaft. Wie in „Don’t Come Knocking“ (fd 37 182) wird auch in „Broken Flowers“ ein Mann durch die vage Nachricht, dass er Vater eines mittlerweile erwachsenen Sohnes sei, aus der Depression einer Midlife Crisis gerissen. Auch hier macht sich der Protagonist auf die Suche nach der einstigen Geliebten, die als Mutter des Kindes in Frage kommt. Und wie bei Wenders hält die Reise unter anderem ein Wiedersehen mit Jessica Lange bereit.
Jarmuschs Protagonist ist ein Mann, der sich früh zur Ruhe gesetzt hat, nachdem er mit Computergeschäften wohlhabend wurde. Als Don Johnston einen Brief erhält, in dem eine Frau ihm anonym mitteilt, dass er einen Sohn habe, der wahrscheinlich bald vor seiner Tür stehen werde, wird er gerade von seiner aktuellen Partnerin verlassen. Auf beide Neuigkeiten reagiert er mit aufreizender Teilnahmslosigkeit, wie überhaupt seine Hauptbeschäftigung darin zu bestehen scheint, auf der Couch sitzend ins Leere zu starren. So bedarf es der Überzeugungskraft seines Nachbars Winston, bevor Don sich auf die Suche nach den vier Frauen macht, die als Absenderinnen des Briefes in Frage kommen.
Mit der Figur des Don variiert Bill Murray einmal mehr jene Rolle des von innerer Leere erfüllten Mannes mittleren Alters, die er in Wes Andersons „Rushmore“ (fd 34 741) entwickelt und in „Lost in Translation“ (fd 36 315) perfektioniert hat. Damit Murrays Pokerface seine ebenso komische wie melancholische Wirkung entfalten kann, bedarf es freilich des Kontrastes mit einer skurrilen Umwelt – zumal sich der Minimalismus von Murrays Spiel hier mit dem Minimalismus von Jarmuschs gewohnt lakonischem Erzählton paart. Für die notwendige Skurrilität sorgt zunächst der lebenslustige Familienvater Winston, der als Hobbydetektiv die Adressen von Dons ehemaligen Geliebten ermittelt und die Reise für seinen Freund plant. Und indem der aus Äthiopien stammende Nachbar eine CD seines Landsmannes Mulatu Astatke als musikalische Reisebegleitung für Don wählt, sorgt er auch für jene Portion Hipness, die Jarmuschs spröden Filmen seit jeher eigen ist. Während Astatkes wunderbarer Fusion Jazz, der regelmäßig zwischen den einzelnen Stationen der Reise erklingt, eine denkbar originelle Wahl darstellt, scheinen einige Facetten, die zum ausgesucht skurrilen Eindruck von Dons Verflossenen beitragen, indes überraschend abgeschmackt. Dass in „Broken Flowers“ Mark Friedbergs Produktionsdesign ähnlich aussagekräftig ist wie die Dialoge, zeichnet sich bereits in den frühen Szenen ab, in denen die unpersönliche Ordnung in Dons Haus dem fröhlichen Chaos beim Nachbarn gegenübergestellt wird. Über Dons Ex-Geliebte Dora scheint freilich mit einer einzigen Totalen der Fassade ihres Hauses alles gesagt. „McMansions“ nennt man in den USA die überdimensionierten Einfamilienhäuser, die die Stadtumgebungen verschandeln. Und darin, dass es den Bewohnern solcher Kästen an Geschmack fehle, ist sich das Publikum eines Jarmusch-Films gewiss einig. Insofern wird der Spott auf diese Figur seltsam tautologisch, wenn sich die Frontansicht des Hauses als Motiv eines im naiven Stil und in Pastelltönen gemalten Bildes wiederholt, das über Doras Sofa hängt. Wenn Jarmusch Dora dann auch noch als Immobilienmaklerin auftreten lässt, die ihr Heim ein „Designerhaus“ nennt, ist das des Guten entschieden zuviel. Die Abgeschmacktheit dieses Kontrastes lässt, als Don schließlich Dora und ihrem spießigen Mann beim Abendessen gegenübersitzt, sogar Murrays Stoizismus plötzlich als Masche erscheinen.
Zum Glück gibt es aber immer wieder Momente, in denen Jarmusch seine coole ironische Distanz aufgibt, um kurz die Oberflächen seiner Figuren aufzubrechen. So meint Don zunächst irrtümlich, dass er Dora die Perlenkette geschenkt hätte, die sie gerade trägt. Wenn er daraufhin, eines Besseren belehrt, feststellt, dass er ihr solch ein Geschenk hätte machen sollen, scheinen unversehens Gefühle auf, die er selbst wohl längst vergessen hat. Weil man so gut wie nichts über Dons Vergangenheit und über die der Frauen erfährt, entfalten diese Augenblicke, in denen verpasste Gelegenheiten und geplatzte Träume zu erahnen sind, umso größere Wirkung. So gewinnt auch die von Jessica Lange gespielte Frau, die als New-Age-Psychotherapeutin für Haustiere ebenfalls einer Karikatur gleicht, zusätzliche Facetten, wenn ein knapper Dialog erahnen lässt, dass ihr Leben reichlich unerwartete Wendungen genommen hat. So bringt Don von seiner Reise schließlich vor allem die einfache Erkenntnis mit, dass die Vergangenheit unwiederbringlich vorbei ist und nur das Heute zählt. Diese bescheidene Philosophie wurde indes bereits von jener Verflossenen verkörpert, der er auf der ersten Station seiner Reise begegnete. Sharon Stone hat nur wenige kurze Szenen, doch in diesen gelingt ihr ein hinreißendes Porträt einer Frau, die bei aller Ausgeflipptheit, die ihr Jarmusch andichtet, vom Ballast der Vergangenheit unbelastet scheint. Wie man mit sich ins Reine kommt, um heiter im Hier und Jetzt zu leben: von dieser Frau könnte Murrays melancholischer Miesepeter es vielleicht lernen.
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