Zimt und Koriander
- | Griechenland/Türkei 2003 | 107 Minuten
Regie: Tassos Boulmetis
Filmdaten
- Originaltitel
- POLITIKI KOUZINA
- Produktionsland
- Griechenland/Türkei
- Produktionsjahr
- 2003
- Produktionsfirma
- Village Roadshow Prod. Hellas/Greek Film Center/FilmNet/Cinegram/ANS Prod./PPV Athens
- Regie
- Tassos Boulmetis
- Buch
- Tassos Boulmetis
- Kamera
- Takis Zervoulakos
- Musik
- Evanthia Reboutsika
- Schnitt
- Yorgos Mavropsaridis
- Darsteller
- Georges Corraface (Fanis Iakovides) · Ieroklis Michaelidis (Savas Iakovides) · Renia Louizidou (Soultana Iakovidou) · Stelios Mainas (Onkel Emilios) · Tamer Karadagli (Mustafa)
- Länge
- 107 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Unter den Filmen, die das Ritual des Essens zum Thema haben, gehört „Zimt und Koriander“ zu den ungewöhnlichsten: Während andere Regisseure die Verführungskraft einzelner Speisen feiern oder die Gemeinschaft stiftende Funktion des Mahles betonen, legt die griechisch-türkische Co-Produktion mit kulinarischer Raffinesse eine Spur der Erinnerung in ein historisch vermintes Grenzgebiet. Wie eine proustsche Madeleine locken die Düfte der Kindheit den erwachsenen Fanis immer wieder in die Vergangenheit zurück, sodass auch die Gegenwart wie selbstverständlich unter den Zeichen von Abschied und Wiedersehen steht: Ausgerechnet am Tag seiner Abreise nach Berkeley erfährt der Astrophysiker Fanis von der lang erwarteten Ankunft seines Großvaters in Athen. 40 Jahre lang hat dieser seinen Besuch immer wieder angekündigt, um dann doch stets in Konstantinopel zu bleiben. Auch dieses Mal werden die Gäste vergeblich herbeieilen und dem alten Freund nur in ihren Erinnerungen begegnen. Für Fanis ist dieser Weg in die Vergangenheit genau vorgezeichnet: Er führt ihn in die Schule der Gewürze, in der ihm der Großvater nicht nur das Leben, sondern auch die Grundzüge der Astronomie erläuterte. Der feurige Pfeffer steht im Planetensystem der Kochkunst für die Sonne, der bittersüße Zimt für die lockende Venus, das Salz, das nicht zu sehen, aber stets vorhanden ist, für alles Irdische. Dieser letzten großväterlichen Einsicht hat sich die Inszenierung angeschlossen: Wie das Salz in der Speise ist die Politik in „Zimt und Koriander“ niemals offen gegenwärtig, und doch wäre der Film ohne sie nicht zu verstehen.
Er beginnt mit dem Bild einer stillenden Mutter, die ihrem Neugeborenen die Brustwarze mit ein wenig Zucker schmackhaft macht. Auch Tassos Boulmetis, der mit seinem Film eigene Erlebnisse dramatisiert, ist dem Prinzip der Verzuckerung nicht abgeneigt: Im Exil vermag Fanis die Vernunftheirat seines Onkels zu verhindern, indem er der Braut die richtigen Zutaten unterschiebt; die Vereinigung der Familien findet nur über dem Toilettenbecken statt, danach geht man wieder getrennte Wege. Mit humoristischer Leichtigkeit mildert der Regisseur die Melancholie seiner Kindheitserinnerungen und lässt das Sujet Vertreibung und Exil so bewegend wie unaufdringlich im Alltäglichen aufgehen. Niemand wird zum Sprachrohr eines Leitartikels degradiert, stattdessen baut Fanis die Küche seiner Mutter zur heimatlichen Enklave aus. Ganze Nächte hindurch bereitet er die köstlichsten Speisen zu, bis es den Lehrern mit ihrem stets schläfrigen Schüler zu bunt und seinen Eltern unheimlich wird. Die Küche bleibt fortan für alle männlichen Hausbewohner verschlossen, doch die Sehnsucht findet andere Wege und führt den Pfadfinder zur Kochstelle eines Freudenhauses. Als Fanis bei einer Razzia aufgegriffen wird, schlägt die Polizei patriotische Ertüchtigung als Arznei gegen das Heimweh vor. Der Junge solle die nationalen Monumente Griechenlands besuchen, mindestens dreimal die Woche. Doch solche simplen Rezepte verfangen nicht in einem Film, der ohne jeden revanchistischen Gestus vom Schmerz der Heimatlosigkeit erzählt.