Biopic | USA 2004 | 170 Minuten

Regie: Martin Scorsese

Der Aufstieg des amerikanischen Tycoons Howard Hughes (1905-1976) zum Filmproduzenten und Flugzeugindustriellen in einer virtuosen Verfilmung, die mit opulenter Ausstattung und inszenatorischer Bravour das Heldenbild einer typisch amerikanischen Karriere entwirft. Vom ersten Moment an entfalten Regisseur Martin Scorsese und sein Produktionsdesigner Dante Ferretti opulentes Kino der Spitzenklasse. Weniger überzeugend verarbeitet Scorsese indes die Neurosen und politischen Kontroversen des perfektionistischen Helden, sodass der Versuch, Kino und Historie unter einen Hut zu bringen, am Ende doch nicht überzeugt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE AVIATOR
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Warner Bros./Miramax/IEG/Forward Pass/Appian Way/Cappa Prod./IMF
Regie
Martin Scorsese
Buch
John Logan
Kamera
Robert Richardson
Musik
Howard Shore
Schnitt
Thelma Schoonmaker
Darsteller
Leonardo DiCaprio (Howard Hughes) · Cate Blanchett (Katharine Hepburn) · Kate Beckinsale (Ava Gardner) · John C. Reilly (Noah Dietrich) · Alec Baldwin (Juan Trippe)
Länge
170 Minuten
Kinostart
20.01.2005
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Biopic
Externe Links
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Heimkino

Allein der analytische und auch filmgeschichtlich anspruchsvolle Audiokommentar des Regisseurs, der Cutterin Thelma Schoonmaker und des Produzenten Michael Mann ist für sich schon auszeichnungswürdig. Ergänzt wird dieses Extra der umfangreiche Edition durch eine Fülle von Features, die sowohl Leben und Werk des porträtierten Howard Hughes eingehend beleuchten, als auch um filmische Belange wie den Soundtrack oder die Schauspielerführung kreisen. Des weiteren enthält die Edition ein Feature mit einer im Film nicht gezeigten Szene (3 Min.). Die Edition (2 DVDs) ist mit dem Silberling 2005 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Buena Vista (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.); Special Edition: Buena Vista (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt., dts dt.)
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Diskussion
Die Vermutung liegt nahe, dass man beim Schreiben über Martin Scorseses neuen Film in erster Linie den Mythos eines Regisseurs weiterzuspinnen hätte, der sich aus sozialen Hintertreppenmilieus zu hochfliegenden, bombastischen Panoramen geschichtsmächtiger Figuren heraufgearbeitet hat. In der Tat verstehen es Scorsese und sein Produktionsdesigner Dante Ferretti vom ersten Bild an, opulentes Kino der Spitzenklasse zu entfalten. Man kann in den Massenszenen „baden“ und an der keimfreien Heroisierung des jungen Exzentrikers Howard Hughes das Staunen neu lernen. Doch den Gipfel seiner Kunst erklimmt Scorsese nur in einer Nebenhandlung, die Cate Blanchett als Katharine Hepburn einführt. Was als ironisch überdrehte Karikatur beginnt, mit der (in der Originalfassung) Gestus, Stimme und Diktion der eigenwilligen Komödiendarstellerin bereits zu einer wunderschönen Hommage zugefeilt werden, verdichtet sich alsbald zu einem intimen Drama, das die Dimension eines so opernhaften Films wie „The Aviator“ sprengt. Sobald sich Katharine Hepburn aus Hughes’ Leben wieder verabschiedet, weil sie in Spencer Tracy die große Liebe gefunden zu haben glaubt, bricht auch der Film zusammen. Insofern ist „The Aviator“ Scorseses „Gangs of New York“ (fd 35 802) durchaus ähnlich: Auch hier verselbständigen sich einzelne virtuos konzipierte Szenenfolgen, während das große Ganze zur Repetition neigt und langsam ermüdet. Das hat nicht zuletzt etwas damit zu tun, dass sich Scorsese immer mehr vom kritischen Filmemacher zum Regisseur überproportionierter „Event Movies“ entwickelt. Seine bedeutenden und richtungweisenden Arbeiten, die vornehmlich zu Beginn seiner Karriere entstanden, fanden zwar bei der Kritik, aber weder in Hollywood noch beim breiten Publikum die Anerkennung, die sie verdienten. Nun sieht es so aus, als ob er all sein Talent nur noch dazu verschleudert, mit aller Gewalt endlich einen „Oscar“ für den besten Film des Jahres zu erhalten, der ihm bisher versagt blieb. Doch „The Aviator“ ist nur in der Beherrschung der filmischen Mittel ein großer Film; so oft Scorsese auch mit dem Genius des jungen Industriellen, Piloten und Filmproduzenten Howard Hughes kokettiert, der nach jedem riskanten Geschäftsmanöver wie ein Phönix aus der Asche aufersteht, und so penetrant er gelegentlich in Inhalt und Stil mit der Erinnerung an Orson Welles’ genialen Film „Citizen Kane“ (fd 10 261) flirtet, gelingt ihm doch nicht der große Wurf, der ihm wohl vorgeschwebt hat. Einer der Gründe dafür liegt in der abwärts tendierenden Biografie des trotz Geld, Macht und Selbstbewusstsein an seinen Neurosen scheiternden Helden. Was der Film erzählt, ist über weite Strecken der Inbegriff einer amerikanischen Erfolgsstory: die Geschichte eines jungen Mannes, der mit seinem ererbten Vermögen und seinem grenzenlosen Perfektionismus in allem, was er tut, nach dem Höchsten strebt. Ob er für eine Szene seines Films „Hell’s Angels“ 26 Kameras verlangt und Wolken wie die Brüste von Jane Russell, ob er das schnellste oder das größte Flugzeug der Welt bauen lässt, ob er einen ganzen Straßenzug von Beverly Hills bei einem Flugzeugabsturz in Asche legt, ob er den Traum von einer interkontinentalen Fluglinie in Washington gegen eine Phalanx einflussreicher Widersacher verteidigen muss oder ob es nur um seine wechselnden Liebschaften mit Hollywood-Stars und -Starletts geht: Alles, was Hughes anfasste, trug stets den Stempel des Außergewöhnlichen und Übermenschlichen. Das ist der Stoff, aus dem amerikanische Karrieren gemacht sind. Aber Hughes war kein Rockefeller. Von Kindheit an war er eine gespaltene Persönlichkeit, deren Höhenflüge lediglich der Kompensation zahlloser Neurosen dienten, mit denen er sich schließlich als hoffnungslos Drogenabhängiger zugrunde richtete. Scorsese verweigert tiefere Einsichten in das Ende des Mannes, dessen Aufstieg er mit sichtlicher Begeisterung glorifiziert. In der zweiten Hälfte des Films, wo es gegolten hätte, die Tragödien des Howard Hughes zu beschreiben, scheint er entschlossen, vor dem Schlimmsten Halt zu machen. Er verzettelt sich in einer schier endlosen Ausbreitung der Verhöre vor einem Senatsausschuss, dessen Vorsitzender Hughes moralisch und finanziell zugrunde richten will, und er überlässt es einer seltsam ambivalenten Szene, in der ein nackt in seinem Vorführraum herumirrender Hughes der neugierigen Öffentlichkeit die kalte Schulter zeigt, den endgültigen Durchbruch der Geisteskrankheit anzudeuten. Größe im eigenen Untergang wird diesem Howard Hughes nicht gestattet. Darin unterscheidet sich „The Aviator“ zum Beispiel von David Leans „Lawrence von Arabien“ (fd 11 864), der seinem zwielichtigen Helden auch im unattraktiven Ende die Aura des „Übermenschen“ belässt, so anfechtbar sie auch erscheinen mag. Der inhaltlichen Konzeption entspricht die formale: Die Bravour der Anfangsszenen, der Witz der Beziehung zu Katharine Hepburn, die Rasanz der Fliegerszenen, die kalkulierte, aber augen- und ohrenbetäubende Extravaganz des Hollywood-Betriebs können auf Dauer nicht verbergen, dass der Held, um dessentwillen das alles inszeniert wurde, dem Abgrund zusteuert und den Film damit um das Crescendo betrügt, das Kinofilme dieses Kalibers nun einmal benötigen, um sich im Gedächtnis des Zuschauers zu verankern. An dem Versuch, Kino und Historie in Einklang zu bringen, haben sich schon viele Autoren und Regisseure verhoben. Wenige verfügten über die Begabung, die Martin Scorsese auszeichnet. Deshalb ist es um so bedauerlicher, einen Film wie „The Aviator“ letztlich scheitern zu sehen.
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