Ein junger französischer Bauer will in der Stadt Geld für seinen Hof verdienen, wobei er sich mit einen Clochard anfreundet, der zu einer Art Vaterersatz wird. Als dieser und andere Penner kurz vor Weihnachten in einer gezielten Aktion vor die Tore der Stadt befördert werden, um den Weihnachtsmarkt nicht zu stören, ersinnt der Bauer eine Lösung, die aus der inhumanen Situation ein weihnachtliches Happy End macht. Zwischen harter Realität, poetischem Märchen und Buddy-Movie changierendes Sozialdrama mit inszenatorischen Schwächen, aber viel Humor und überzeugenden Hauptdarstellern, das zur (christlichen) Besinnung aufruft.
- Ab 14.
Vom Himmel hoch (2003, F/B)
Drama | Frankreich/Belgien 2003 | 100 Minuten
Regie: Eric Guirado
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Filmdaten
- Originaltitel
- QUAND TU DESCENDRAS DU CIEL
- Produktionsland
- Frankreich/Belgien
- Produktionsjahr
- 2003
- Produktionsfirma
- Harpo Films/Need Prod./BFC/Canal +/Rhône-Alpes Cinéma
- Regie
- Eric Guirado
- Buch
- Eric Guirado · Michel Fessler · Pierre Schoeller
- Kamera
- Thierry Godefroy
- Musik
- Christian Freyermuth · Sylvain Freyermuth · Philippe Poirier
- Schnitt
- Christian Cuilleron · Ludo Troch
- Darsteller
- Benoît Giros (Jérôme) · Serge Riaboukine (La Chignole) · Jean-François Gallotte (Lucien) · Ludmila Ruoso (Marthe) · Arthur Semay (Dallas)
- Länge
- 100 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama
Diskussion
Man könnte Eric Guirados Spielfilmdebüt einen christlichen Film zur Advents- und Weihnachtszeit nennen: eine Mahnung, bei allem Trubel um Geld und Geschenke auch an die sozial Schwachen zu denken, denn im Mittelpunkt stehen ein Penner und ein junger Mann, der im Advent in die große Stadt kommt, um Arbeit zu suchen. Aber in erster Linie steht der Film in der Tradition der französischen Sozialdramen, die eine inhumane Gesellschaft anprangern; direkte religiöse Aussagen gibt es nicht. Ausgehend von einer Zeitungsmeldung, dass die Stadt Nizza Mitte der 1990er-Jahre im Sommer Bettler aus der Innenstadt vertreiben ließ, um die Touristen nicht zu verprellen, inszenierte der Franzose Eric Guirado (Jahrgang 1968) einen Kurzfilm. „Un petit air de fête“ erzählt in 35 Minuten von dem jungen Viehbauern Jérôme, der mit seiner Mutter einen winzigen Bauernhof betreibt, dessen Ertrag kaum zum Leben reicht. Also geht er in die Stadt, um Arbeit zu suchen. Dort trifft er den Penner La Chignole (Klapperkiste) und freundet sich mit ihm an. Beim Stadtbauamt findet Jérôme einen Aushilfsjob, der ihn glücklich macht, bis er eine Ungeheuerlichkeit miterleben muss. Auf der Grundlage dieses Plots drehte Guirado vier Jahre später mit denselben Hauptdarstellern seinen ersten langen Spielfilm „Quand tu descendras du ciel“ (eine Zeile aus dem französischen Weihnachtslied „Petit Papa Noël“), der noch stärker auf das schreckliche Ereignis hin inszeniert ist. Kaum hängt die Weihnachtsbeleuchtung, lockt die Stadtverwaltung nämlich die Obdachlosen unter dem Vorwand, ihnen einen Job zu geben, in einen Transporter, der sie weit vor der Stadt auf einem Feld aussetzt. Denn die Penner stören das schmucke Stadtbild mit den leuchtenden Bäumen und könnten die Leute vom Einkaufen abhalten.
Da es inzwischen eine ganze Reihe französischer Städte gibt, die Ähnliches praktizieren, trifft Guirados Kritik voll ins Schwarze. „Die Aktion ist keine Säuberung, sondern nur eine Sicherheitsmaßnahme“, sagt der Chef des städtischen Verkehrsamtes zu den Bediensteten, die er mit der Aufgabe betraut, die Penner aus der Stadt zu fahren. Aber er klagt indirekt nicht nur die Stadtoberen an, sondern auch diejenigen, die solche Befehle ausführen. Zwar sind die Fahrer durchaus solidarisch mit den Clochards, aber sie wollen ihre Stelle nicht verlieren; also mucken sie nicht auf. Auch Jérôme nicht, obwohl er es zuvor immerhin geschafft hat, den wegen Vagabundierens festgenommen La Chignole wieder frei zu bekommen. Auch diesmal hat Jérôme eine gute Idee, der die Ausgesetzten – ganz im christlichen Sinn des Weihnachtsfestes – auf seinen Bauernhof einlädt, wo sie unter den geschmückten Weihnachtsbäumen feiern.
Nach dem Vorbild anderer französischer Sozialdramen packt Guirado viel Humor in seinen Film, wenn er seine Charaktere beschreibt. So marschiert der etwa 50-jährige La Chignole, ein Mann mit langen zotteligen Haaren und einer großen Klappe, eines Tages schnurstracks in den Laden, vor dem er sonst immer nur steht, um sich die Filme in den laufenden Fernsehern im Schaufenster anzuschauen. Er hätte gerne eine Fernbedienung, sagt er zu der verdutzten Verkäuferin, damit er abends – wenn der Laden geschlossen ist – wenigstens die Programme wechseln könne. Dem trockenen Humor der Dialoge – vor allem in den Gesprächen Jérômes und La Chignoles – entsprechen manchmal auch optische Scherze, wenn Jérôme fröhlich in den Ästen des geschmückten Baumes hängt und gar nicht mehr herunterkommen will. Ruhige poetische Nacht- und Landschaftsszenen wechseln mit schnellen, harten Actionszenen beim Aufgriff der Obdachlosen. Auch die Erzählperspektive bleibt nicht immer bei dem jungen Bauern als Identifikationsfigur, auch wenn er als einziger sehr eingehend beschrieben wird. Als er noch auf dem Bauernhof lebte, war er frustriert, weil der Hof nicht genug Ertrag abwarf. Doch auch die Stadt zwingt ihm unliebsame Überraschungen auf, als ihn beispielsweise seine Schwester, eine allein erziehende Mutter, nicht aufnimmt, da er sich jahrelang bei ihr nicht gemeldet hatte. Erst in einem völlig Fremden, dem Clochard, der selbst keinen Halt hat, findet er einen Menschen, der für seine Lage Verständnis aufbringt und ihm neuen Lebensmut gibt. Doch Guirado übertreibt es etwas mit seiner zwischen Märchen und Realität pendelnden Weihnachtsgeschichte. Da gibt es auch noch die Journalistin, die über die Festnahmen der Penner berichten will, ihren Chef, der die Reportage nicht druckt, Jérômes Vorgesetzten Lucien, der versetzt wird, weil er Jérôme bei der Suche nach seinem verhafteten Freund hilft, den Bürgermeister, der wegen seiner unsozialen Taten von seiner Frau verlassen wird, und anderes mehr. Zuweilen verzettelt sich der Film zwischen den Nebenfiguren und -handlungen und zahllosen Perspektivwechseln. Auch das süßliche Ende will nicht so recht zu dem poetischen Realismus passen. Doch Benoit Giros sensible Darstellung des schmächtigen, aber durchaus mächtigen Jérôme und die alles in den Schatten stellende Präsenz des Routiniers Serge Riaboukine als Haudegen La Chignole machen so manche inszenatorische Schwäche wieder wett.
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