Martins Passion

Dokumentarfilm | Deutschland 2004 | 100 Minuten

Regie: Irene Langemann

Dokumentarfilm über den brasilianischen Starpianisten João Carlos Martins, der als eigenwilliger Bach-Interpret in Südamerika große Popularität genießt. Im Mittelpunkt des Porträts stehen nicht die schillernde Karriere und Martins’ Lebensgeschichte, sondern die ambivalenten Triebkräfte hinter den Passionen des Pianisten, die neben Bach vor allem dem Fußball gelten und ihn viele gesundheitliche und persönliche Rückschläge meistern ließen. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Lichtfilm/3sat/WDR/arte
Regie
Irene Langemann
Buch
Irene Langemann
Kamera
Dieter Stürmer
Musik
Johann Sebastian Bach · Dave Brubeck
Schnitt
Kawe Vakil
Darsteller
João Carlos Martins · Pelé · Dave Brubeck · Heiner Stadler
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
Die Geschichte einer beispielhaften Karriere, die sich allerdings nicht in pausenlosen Erfolgen manifestiert, sondern eher durch eine Reihe extremer Rückschläge, die selbst weniger zimperliche Gemüter ins (künstlerische) Abseits gedrängt hätten. Anfang der 1960er-Jahre steigt der Brasilianer João Carlos Martins, ein Kind aus gutbürgerlichem Haus, aufgrund seines Talents, aber auch wegen des Drängens seiner Mutter und nach einer harten Pianistenausbildung zum südamerikanischen Bach-Interpreten Nummer Eins auf. Schon bald wird er in einem Atemzug mit Glenn Gould genannt und feiert Erfolge in den Konzerthallen rund um den Globus. Doch Martins ist nicht nur von der Musik besessen, sondern auch vom brasilianischen Nationalsport Fußball. In jeder freien Minute spielt er mit Freunden und Bekannten und organisiert zwischen zwei Engagements Spiele auf Stoppelfeldern in New York. So auch Anfang der 1970er-Jahre, als er dabei einen Unfall erleidet und sich eine Verletzung der rechten Hand zuzieht. Seine Konzertlaufbahn scheint beendet. Doch weder das Klavierspiel noch das Fußballspielen gibt er auf. Für den Flügel trainiert er sich eine neue Technik an, den Fußballplatz betritt er künftig nur noch mit Boxhandschuhen.

Martins' Interpretationen werden eigenwilliger, die Musikwelt verehrt ihn. Doch Ende der 1990er-Jahre ereilt ihn ein weiteres Desaster. Ein Nerv der verletzten Hand muss durchtrennt werden, die nun zum nutzlosen Körperteil eines Pianisten verdammt scheint. Martins ist am Ende, aber er gibt nicht auf, trainiert die Partituren allein für die linke Hand; ein Comeback in London scheint in greifbarer Nähe, doch dann verweigert die überbelastete Hand ihren Dienst. Das Konzert muss abgesagt werden, Martins scheint endgültig vor dem Aus zu stehen. Da geschieht wieder eines jener Wunder, die den Maestro zeitlebens begleitet und neue Perspektiven eröffnet haben.

Es wäre nicht redlich, die Geschichte João Carlos Martins so verkaufen zu wollen, als wäre man intimer Kenner in Sachen EMusik oder gehöre zum engeren BachKreis. Nicht zu übersehen ist, dass Martins trotz seiner gewaltigen Plattenerfolge in Südamerika hierzulande eher ein unbeschriebenes Blatt ist. Ihn ins Bewusstsein einer Dokumentarfilm-Öffentlichkeit zu hieven, ist auch nicht das eigentliche Verdienst von „Martins Passion“, sondern einen Menschen vorzustellen, der ganz in seinen Leidenschaften aufgeht: Musik und Fußball. Dabei wird der Mensch Martins, der mit einer Fülle von Archivmaterial, kompiliert mit aktuellen Interviews, vorgestellt wird, nie so recht greifbar, bleibt eher Mythos: Ikone und Frauenheld zugleich, der jede Strapaze und jeden körperlichen Schmerz in Kauf nimmt, um seine Ausnahmestellung zu behaupten. Diese (Selbst- )Darstellung birgt die Gefahr, sich in Eitelkeit zu erschöpfen. Doch die Regisseurin umschifft diese Klippe, indem sie es dem Zuschauer überlässt, sich ein eigenes Bild der widersprüchlichen Persönlichkeit des Künstlers zu machen. Dieses setzt sich nicht über die eher schlichten Filmbilder zusammen, sondern über die von Martins interpretierte Musik; über sie wird ein Charakter transparent, der sich einem vielleicht nie erreichbaren Ideal verschrieben hat. Deutlich spürt man dies in der letzten Sequenz, die Martins in einer Session mit Jazz-Pianist Dave Brubeck zeigt; Martins, der seine neue Technik demonstrieren will, und sein langjähriger Freund steigern sich in eine solche Improvisationslust, dass das Glück dieses Augenblicks auch auf Zuschauer überspringt, die mit dieser Art von Musik eher wenig anfangen können.

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