Höllentour
Dokumentarfilm | Deutschland/Schweiz 2004 | 129 Minuten
Regie: Pepe Danquart
Filmdaten
- Originaltitel
- HÖLLENTOUR
- Produktionsland
- Deutschland/Schweiz
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- Quinte Film/Multimedia/Dschoint Ventschr
- Regie
- Pepe Danquart
- Buch
- Pepe Danquart
- Kamera
- Michael Hammon · Wolfgang Thaler · Filip Zumbrunn
- Musik
- Till Brönner · Schumann & Bach
- Schnitt
- Mona Bräuer
- Länge
- 129 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 12.
- Genre
- Dokumentarfilm
Auf diese beiden, die seit Jahren im selben Zimmer wohnen, die „Macht“ über die TVFernbedienung aushandeln und von denen jeder die Schlaf- und Schnarchgewohnheiten des anderen kennt, konzentriert sich Danquarts Film: Er zeigt sie erschöpft und missmutig unter den lindernden Händen von Masseur „Eule“ Dieter Ruthenberg, niedergeschlagen nach einem Zeitfahren, bei dem das Wichtigste, nämlich Zeit, verloren wurde, deprimiert wegen der Verletzungen, die sich im Laufe der Rundfahrt häufen. Doch Danquart geizt auch nicht mit entspannten Szenen, etwa wenn beide Kumpel flachsen, sich gegenseitig auf den Arm nehmen, kichernd verpasste Chance und Träume Revue passieren lassen oder einfach nur vor dem Einschlafen quatschen und plaudern. Dann wirken sie wie große Jungs, die das Glück kaum fassen können, ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht zu haben.
Diese Nähe birgt gewiss auch eine Gefahr: Sie schafft Distanz. Distanz zum Geschehen selbst, dessen Faszination in dieser mikroskopischen Betrachtung ein wenig untergeht. Das könnte zur Entmystifizierung der „Tour“ beitragen, das harte und wohl kalkulierte Geschäft in den Vordergrund rücken, zu dem auch der unsägliche Reklame-Tross zählt, der Tag für Tag lange vor den Fahrern lärmend die Etappe aufrollt. Hier wirkt Danquart merkwürdig unentschlossen: Er konzentriert sich nicht auf die typischen Wasserträger, die ihre Kapitäne versorgen und Lücken zufahren, sondern zeigt Leistungsträger, die sich ihres Marktwerts durchaus bewusst sind und mit den richtigen Kapitänen ihren „Biss“ auch längst bewiesen haben. In der Person des „Tourhistorikers“ Serge Laget hat er zudem jemanden gefunden, der mit Anekdoten und Histörchen, einem enormen Archiv sowie seinem profunden Wissen gewiss nicht angetreten ist, den Mythos der Tour zu hinterfragen. Auch der Verlauf der Sportveranstaltung trägt dazu bei, den Blickwinkel des Berichterstatters zu verändern. Plötzlich zeichnet sich ein Duell ab, das zu Beginn kaum jemand für möglich gehalten hätte: Wiedereinsteiger Jan Ullrich fordert nach seiner Dopingsperre den haushohen Favoriten Lance Armstrong heraus. Im letzten Drittel kippt dann der Film, der nun immer mehr offizielle Fernsehbilder einbezieht und den sich über Tage hinziehenden Zweikampf an der Spitze in der Montage dynamisiert. Die eigentlichen Helden geraten dabei ein wenig in Vergessenheit, ebenso wie der Amerikaner Tyler Hamilton, der sich bereits beim Prolog das Schlüsselbein brach und trotzdem eine Etappe gewinnen konnte.
Erst ganz am Ende, in Paris, sind Aldag und Zabel wieder präsent: Erschöpft sitzen sie auf ihren Rennmaschinen und rollen dann aus dem Bild, zu anderen Einsätzen. Hier lugt noch einmal der Schalk zwischen den Bildern hervor, zeigt sich das unverstellte Jungenstaunen: es wieder geschafft zu haben, wirklich dazu zu gehören, verbunden mit der Hoffnung, im nächsten Jahr wieder dabei zu sein, trotz aller Leiden und Strapazen. Der Stoff, aus dem die Helden sind, taugt eben kaum zur Mythenzertrümmerung.