South Of The Clouds

- | VR China 2004 | 100 Minuten

Regie: Zhu Wen

Die Geschichte eines Mannes, der seinen Jugendtraum vom Leben in der südlichen Provinz Yunnan über viele Jahre aufgeschoben hat. Schließlich unternimmt er eine Reise ins Land seiner Träume, wo er durch seine Gutgläubigkeit in Konflikt mit dem Gesetz gerät - das vermeintliche Paradies wird zum Gefängnis. Die Beschreibung eines der Alltagsroutine geopferten Lebens erzielt durch den sich allmählich verlangsamenden Erzählfluss eine starke Wirkung, wobei der Film in der Schilderung von kleinsten Gefühlsregungen stets authentisch bleibt. Zudem findet er eine wunderbar unaufgeregte Sprache, die mit Humor und Melancholie mühelos die Bürde der sympathischen Geschichte schultert. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
YUN DE NAN FANG
Produktionsland
VR China
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
China Film Asset
Regie
Zhu Wen
Buch
Zhu Wen
Kamera
Wang Min
Musik
Zuoxiao Zuzjou
Schnitt
Kong Jinlei
Darsteller
Li Xuejian (Xu Daqin) · Liu Changsheng (Ruan Yuping) · Jin Zi (Xu Hong/Mosuo-Mädchen) · Zhao Huanyu (Xu Qiang) · Wu Yue (Xu Qiangs Frau)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
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Diskussion
Die Sehnsucht, die Xu Daqin in die Provinz Yunnan im Süden Chinas zieht, hat ihren Ursprung in seiner Vergangenheit: Als junger Mann bekam er das Angebot, den Arbeitsplatz mit einem Kollegen in Yunnan zu tauschen, und es sah fast so aus, als könnte er dort ein neues Leben beginnen. Doch dann wurde die Frau, mit der er eine flüchtige Affäre hatte, schwanger, und er blieb in der kalten Industriestadt des Nordens hängen. 40 Jahre lebte er mit der streitsüchtigen Frau, ertrug ihre Launen und ging jeden Morgen in dieselbe Fabrik. Die Ehe und der eintönige Alltag machten ihn immer schweigsamer. Erst als die Frau stirbt und die Kinder das Zuhause verlassen, beschließt er, den Ort zu besuchen, an dem er ein anderes Leben hätte führen können.

„South of the Clouds“ erzählt hautnah an der Realität von verpassten Chancen und leisen Hoffnungen und davon, was passiert, wenn sich der Mensch mit den Zufällen des Lebens arrangiert. Angekommen in Yunnan, das als die schönste Gegend Chinas gilt, erwartet Xu Daqin eine herbe Enttäuschung: Die Fabrik, in der er hätte arbeiten sollen, verfällt. Als den gutmütigen Rentner eine Prostituierte bedrängt, wird er festgenommen und landet im Gefängnis. Doch auch dieses Missgeschick kann seiner Sehnsucht nichts anhaben. Er schließt einen Vertrag mit der Gefängnisleitung, der ihm verbietet, weder die Stadt noch das Hotelzimmer zu verlassen. In dieser kafkaesken Situation bleibt Xu Daqin nichts anderes übrig, als seinen Träumen freien Lauf zu lassen. Am Ende lacht und weint er gleichzeitig und stellt sich vor, was er alles hätte werden können.

Nicht ohne Grund webt Regisseur Zhu Wen die Handlung um das Motiv des Ortswechsels. Erst in den 1990er-Jahren erlaubte die Volksrepublik China ihren Bürgern, den Arbeitsplatz und damit den Wohnort zu wechseln. Für viele ein ungewohnter Vorgang, der sich mit zahlreichen Projektionen aufladen lässt, wie im Fall von Xu Daqin, den der Schauspieler Li Xue-jian mit einer Mischung aus Unterwürfigkeit und Entschlossenheit spielt. Wenn er in die Kamera schaut, ist es, als hätte er seinen Blick nach innen gerichtet. In einer der vielen beiläufigen Szenen, die den Film auszeichnen, schaut er seiner Tochter in deren Fitness-Studio erstaunt beim Trainieren zu. Als er für einen Spanner gehalten wird, verliert Xu Daqin kein Wort, um sich zu verteidigen. Auch gegenüber Freunden zeigt er sich nicht aufgeweckter. Wenn ihm beim Schattenboxen sein redseliger Jogging-Kumpel auf die Nerven geht, äußert sich das lediglich an seinem säuerlichen Gesichtsausdruck. Fast scheint es, als habe Xu Daqin sich von der Außenwelt längst verabschiedet. Doch dann leistet er plötzlich Widerstand. Er weigert sich, sein Erspartes ins Fitness- Studio der verzogenen und undankbaren Tochter zu investieren, und gibt es lieber für die lange Reise in den Süden aus. Denn mit dem Ortswechsel, so glaubt Xu Daqin, könnte vielleicht auch seine Identität eine andere werden. Im Zug nach Yunnan heitert sich tatsächlich sein Wesen auf. Erstaunt schaut man zu, wie er ohne Unterlass mit seinen Reisegefährten plaudert, als gelte es, all die Jahre des Schweigens und der Resignation nachzuholen. Fast mutet sein Ausbruch aus der Alltagsroutine rührend an, denn viel Zeit für die lang ersehnte Selbstverwirklichung bleibt ihm nicht mehr.

Mit dieser bitter-süßen Rentner-Ballade betritt der 37-jährige Schriftsteller und Regisseur Zhu Wen Neuland. Bisher hatte er über die Wünsche und Ängste der eigenen Generation erzählt, wie in seinem Debüt „Seafood“, das vor zwei Jahren auf der „Berlinale“ lief. In seinem zweiten Film schreckt er nun zwar nicht vor Sentimentalität zurück, bleibt aber authentisch in der Schilderung von kleinsten Gefühlsregungen. Das mag mit der Grund dafür sein, dass sich das Mitgefühl, das manche Szene beherrscht, immer wieder auf den Zuschauer überträgt. Für „South of the Clouds“ findet Zhu Wen zudem eine wunderbar unaufgeregte, minimalistische Sprache, die mit Humor und Melancholie geradezu mühelos die Bürde seiner sympathischen Geschichte schultert.

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