Mein Name ist Bach
Historienfilm | Schweiz/Deutschland 2003 | 99 Minuten
Regie: Dominique de Rivaz
Filmdaten
- Originaltitel
- MEIN NAME IST BACH
- Produktionsland
- Schweiz/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2003
- Produktionsfirma
- CAB/TSR/Pandora/WDR
- Regie
- Dominique de Rivaz
- Buch
- Jean-Luc Bourgeois · Dominique de Rivaz · Leo Raat
- Kamera
- Ciro Cappellari
- Musik
- Frédéric Devreese
- Schnitt
- Isabel Meier
- Darsteller
- Vadim Glowna (Johann Sebastian Bach) · Jürgen Vogel (Friedrich II.) · Karoline Herfurth (Prinzessin Amalie) · Paul Herwig (Emanuel Bach) · Anatole Taubman (Friedemann Bach)
- Länge
- 99 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Historienfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Nicht ganz klar wird, ob Friedrich in Bach einen anderen, besseren Vater sucht. Jedenfalls hängt er an ihm, kujoniert seinen Gast ein wenig, lässt sich indes beim gemeinsamen Musizieren vom Meister überrumpeln, gar demütigen, ohne Rache zu üben. In einer sinnlosen Szene toben sich die beiden lautstark an Instrumenten aus, gehen barfuss durch den Park oder reiten als Paar auf einem Kamel, bis beide in ihre jeweilige Einsamkeit zurückkehren. Daneben gibt es die aufmüpfige Schwester Amalia, die Friedemann zu sich ins Bett lässt: eine beiläufige Love Story (ziemlich unvorstellbar am Preußenhof zu jener Zeit). An dem anziehenden Friedemann hätte auch Friedrich Interesse gehabt, es bleibt jedoch bei einer flüchtigen Annäherung. Scharf gezeichnet sind dagegen die Domestiken: Goltz, der Untertan als Intimus des Königs, stumm, der unaufdringliche Diener; Quantz, der Flötenmacher und Komponist, der dem Herrscher leise widersprechen darf. Die Szenerie: Räume im Berliner Stadtschloss, vor und während des Umzugs nach Sanssouci, vollgestopfte Zimmer, Durcheinander, Unordnung. Vielleicht Ausdruck für die Verwirrung der Gefühle, von denen sich einige im Spiel nicht freimachen können.
Durchwoben wird das Doppeldrama vom alternden Künstler und vom menschenfeindlichen, der Erinnerungsfolter unterworfenen Fürsten durch den edlen Wettstreit um die Komposition eines musikalischen Themas, das sich Friedrich beim Klang der Schröpfköpfe aufdrängte, die man von seinem Rücken löste. Eine kuriose Entstehungslegende, die die Herkunft des vom König gestellten Motivs erklären soll, aus dem Bach später „Das musikalische Opfer“ formte. Bach, so heißt es, versinkt bald nach seinem Besuch in Berlin und Potsdam wegen einer missglückten Star-Operation in Blindheit – dies Schicksal droht ihm von Beginn an. Bei der Ausreise fährt seine Kutsche an der des Herrn Voltaire vorbei, der nach Sanssouci will – der nächste Ersatzvater, den Friedrich bis zum letzten Tropfen auspressen will.
Das Merkwürdige an diesem Handlungsaufbau ist, dass sich Charakterumrisse und Verhaltensbeschreibungen fragmentarisch aneinander drängen; halbfertige Porträts und angedeutete Innenansichten, die meisten ziemlich ernsthaft gespielt, zumal von Vadim Glowna als Autorität im Reich der Musik, perückenumweht oder glatzköpfig, der vor seinem Lebensende eine innere wie äußere Unabhängigkeit anstrebt, und von Jürgen Vogel als scheinbar großmütigem, doch höchst reizbarem, im Kern paranoidem König. Ein um freie Erfindung ergänzter Ausschnitt aus der Geschichte des 18. Jahrhunderts, in dem es nicht ums Pittoreske geht, sondern um das Extravagante zweier Repräsentanten der Kunst und der Macht. Bach turnt auf einem Brett, das der Länge nach über einem Ruderboot liegt, und behauptet, er sei ein Seiltänzer, der hoch über der Erde ohne Netz agiere. Eine eigenartige Künstler-Ideologie, die sich mit dem historischen Bach kaum vereinbaren lässt oder nur nach ausführlicher Begründung. Im übrigen hält sich das Bemühen um historische Korrektheit in Grenzen. Auch die elegante Kamera bevorzugt keine „konservativen“, vielmehr heute übliche Perspektiven wie den gern gewählten auffälligen Top Shot von oben.
Es wird erkennbar, wie schwer es Künstlern – schon in der Epoche der Aufklärung, noch in der des alten Regimes der Monarchien – gemacht wurde, sich aus dem Lakaienstatus zur Selbstbestimmung ihrer Profession durchzukämpfen. Muss man sich dies wieder vor Augen halten, weil es in der Gegenwart womöglich analoge Zwänge gibt? Um bloße Auffrischung unserer Bildung oder um romantische Genieverehrung geht es in dem Film nicht – dafür um existenzielle Exempel: die Deformation des Charakters durch die Zerstörung seiner Liebesfähigkeit oder um das unausweichliche Altern? Das Erzählinteresse der Regisseurin wird nie ganz durchsichtig, so fein gearbeitet auch etliche Partien ausfallen.