Der blaue Vogel (1975)

wernstein@web.de | 05.03.2023

Unbefriedigendes Spätwerk des Starregisseurs George Cukor Auf den ersten Blick mutet es seltsam an, dass man für die einzige filmische Gemeinschaftsproduktion zwischen USA und UdSSR Maurice Maeterlincks symbolistische Bühnenfantasie „Der blaue Vogel“ auswählte. Verständlicher wird diese Wahl, wenn man weiß, dass die Uraufführung des Schauspiels 1908 vom legendären Konstantin Stanislawski am Moskauer Künstlertheater inszeniert wurde. Folglich war das Stück in den Folgejahrzehnten sowohl in Russland als auch in der Sowjetunion populär und galt damals aufgrund seiner verschrobenen Fantasyelemente für beide gesellschaftlichen Systeme als politisch unverfänglich. Die bereits vorhandene und mit hoher Reputation versehene Operngestaltung des Stoffes von Albert Wolff aus dem Jahre 1919 ignorierte man leider bei dieser Filmversion nahezu vollständig. Nicht von ungefähr wurde das ganze Projekt zu einem künstlerischen und finanziellen Reinfall, nicht zuletzt wegen einer fehlenden Gesamtkonzeption und planlosen Produktionsbedingungen: eskapistischer amerikanischer Musicalfilm-Kitsch beißt sich mit eher konservativen sowjetischen Tanzchoreographien mit kapitalismuskritischen Einlagen; insbesondere in der Episode mit Ava Gardner, die eine Allegorie auf den dekadenten Luxus verkörpert, wohl als Gegenentwurf zu Elisabeth Taylors Lichtfee gedacht. Beide Stardiven hatten da schon die besten Zeiten hinter sich; ebenso Regisseur George Cukor, der hier vorrangig als Botschafter des guten Willens und der Völkerverständigung unterwegs war, jedoch zu wenig als Künstler. Katharine Hepburn und Shirley MacLaine, die ursprünglich auch mit dabei sein sollten, haben wohl geahnt, dass das ganze Unternehmen ein Flop werden würde und sind rechtzeitig ausgestiegen. Besonders anachronistisch wirken die Auftritte von Jane Fonda (damals noch eine „stramme“ Kommunistin) und Cicely Tyson, die im Produktionsjahr bereits Ikonen eines moderneren, weltzugewandteren Kinos waren. Ebenfalls bemerkenswert die Karriere von Kinderdarstellerin Patsy Kensit, die in den achtziger Jahren als Popmusiksternchen der Band „Eighth Wonder“ und mit eher körperbetonten Filmrollen einem größeren Publikum bekannt wurde, heute ist zumeist vor allem ihr Auftritt in „Lethal Weapon II“ (1989) erinnerlich. Trotz aller Probleme gelingt es dem Film, dem Zuschauer einige Elemente der prominenten Vorlage nahezubringen: So die Einsicht, dass das Glück des Menschen sehr viel mit seiner Sicht auf die Dinge des Lebens und der Welt zu tun hat, dass es helfen kann, den Regeln der Achtsamkeit zu folgen und sich den kleinen sinnlichen Freuden des Alltags hinzugeben, etwa in den allegorischen Auftritten des Lichts, des Feuers, des Wassers, des Brotes, der Milch oder des Zuckers. Solche Ideen korrelieren im Übrigen mit moderneren Ansätzen der Psychotherapie, die sich als hilfreich erwiesen haben, Depressionen zu überwinden.