Eierdiebe (2003)
- | Deutschland 2003 | 88 Minuten
Regie: Robert Schwentke
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2003
- Produktionsfirma
- Odeon/StudioCanal/Moneypenny/ZDF/arte
- Regie
- Robert Schwentke
- Buch
- Robert Schwentke
- Kamera
- Florian Ballhaus
- Musik
- Martin Todsharow
- Schnitt
- Hans Funck
- Darsteller
- Wotan Wilke Möhring (Martin Schwarz) · Janek Rieke (Nickel) · Antoine Monot jr. (Harry) · Julia Hummer (Susanne) · Alexander Beyer (Roman Schwarz)
- Länge
- 88 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
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Heimkino
Der Filmemacher Robert Schwentke weiß, wovon er redet: „Eierdiebe“ ist streckenweise autobiografisch; bei Schwentke wurde vor einigen Jahren ebenfalls Hodenkrebs diagnostiziert, er kennt die Behandlung und den Klinikalltag aus eigener Erfahrung. Im Rückblick scheint ihm die Art und Weise, mit der auf der Station mit der unvermittelten Einsicht in die eigene Sterblichkeit umgegangen wird, offensichtlich auch ein probates Mittel, einer größeren Öffentlichkeit davon zu berichten. „Eierdiebe“ schlägt den etwas gewöhnungsbedürftigen Tonfall einer schwarzen Komödie an und präsentiert das System Krankenhaus mit seinen sprachlichen Verwaltungsschnoddrigkeiten aus der Perspektive des betroffenen Patienten, ist potenziell also das spiegelverkehrte Pendant zu Robert Altmans „M.A.S.H.“ (fd 16 830). Der Zuschauer mag dies als geschmacklos, vielleicht sogar als produktiven Tabubruch empfinden, was durchaus in Schwentkes Absicht liegt. Der drastisch zugespitzte Humor wurzelt allerdings mehr im Befremden über den surrealen Alltag auf der Station als etwa in der Wut auf das menschenverachtende System „Krankenhaus“ mit seinen routinierten Pflegern und selbstgefälligen Ärzten, die ja ohnehin seit Jahrzehnten als „Götter in Weiß“ toposhaft-trivial im Zentrum der Kritik stehen. „Eierdiebe“ präsentiert sich dementsprechend als eigenwillige Milieustudie, die bestimmte Reaktionsmuster der Umwelt auf die Ausnahmesituation präzise einfängt, darüber hinaus aber kräftig im Fundus der Krankenhausklischees und -kalauer („Tumor ist, wenn man trotzdem lacht“) wildert, aber insbesondere in der zweiten Hälfte des Films ein ordnendes Konzept vermissen lässt. Lachen scheint angesichts des Schreckens ein probates Rezept zur Enttabuisierung des Themas, aber Lachen allein ist nicht abendfüllend – zumal auch dann nicht, wenn der Protagonist die Geschichte überlebt.
Überzeugend wirken insbesondere die flotten Szenen zu Beginn, die von der Überforderung erzählen, die eine solche Diagnose mit sich bringt. Dies widerfährt nicht nur Martin, sondern auch seinen Eltern, die zwanghaft versuchen, die Alltagsroutine aufrecht zu erhalten, oder die Konfrontation mit der Krankenhausrealität komplett verweigern. Dass solches Verhalten dem Sohn nicht hilft, registriert Schwentke, spart sich jedoch den moralischen Zeigefinger. Solche Nuancen verspielt der Regisseur in der Folge allerdings durch billige Kalauer um Hoden-Prothesen und Organ-Poker, angereichert mit musikalischen Plattitüden. Dass Ärzte und Krankenschwestern angeblich gerne zum schnellen Sex in Nebenräumen verschwinden, kolportierte schon die „Krankenschwestern-Report“-Serie, andere Szenen verströmen reichlich „Einer flog über das Kuckucksnest“- Flair. In einer der schönsten Szenen werden Martin und Susanne beim Spaziergang im Park von der Polizei aufgegriffen, weil man sie für heruntergekommene Junkies hält. Da Schwentke bis zum halbherzigen Happy End aber nichts Rechtes mehr einfallen wollte, muss eine aberwitzige und etwas überkandidelte Hoden-Rückholaktion mit anschließender Erdbestattung nehmst Schlusspointe mit Hund herhalten, um „Eierdiebe“ zum doppelbödigen Titel zu verhelfen. Auch formal verlässt der Film kaum das übliche Fernsehspiel- Niveau – alles wird dem Thema untergeordnet. Die dramaturgischen Schwächen wirken umso befremdlicher, als der Film durchaus Szenen enthält, die man gern ausführlicher erzählt bekäme. Nicht nur die zarte, unter den geschilderten Bedingungen eigentlich unmögliche Liebesgeschichte zwischen Martin und der fast durchsichtigen Susanne, sondern auch die Sidekicks Harry und Nickel sowie die angedeutete Vater-Beziehung hätten mehr Aufmerksamkeit verdient. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Schwentke von seiner forsch-nonchalanten Umgangsweise mit dem Stoff selbst so beeindruckt war, dass er die Frage nach dem „Warum?“ der filmischen Aufbereitung aus den Augen verlor. Für seine moribunden Figuren jedenfalls scheint er sich nicht sonderlich zu interessieren.