Ararat (2002)
- | Kanada/Frankreich 2002 | 115 Minuten
Regie: Atom Egoyan
Filmdaten
- Originaltitel
- ARARAT
- Produktionsland
- Kanada/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2002
- Produktionsfirma
- Alliance Atlantis/Astral/Ego Film Arts/Serendipity Point/Super Ecrran/The Harold Greenberg Fund/Teh Movie Network/Téléfilm Canada/ARP Sélection
- Regie
- Atom Egoyan
- Buch
- Atom Egoyan
- Kamera
- Paul Sarossy
- Musik
- Mychael Danna
- Schnitt
- Susan Shipton
- Darsteller
- David Alpay (Raffi) · Arsinée Khanjian (Ani) · Christopher Plummer (David) · Charles Aznavour (Edward Saroyan) · Marie-Josée Croze (Celia)
- Länge
- 115 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Nun hat der in Kanada aufgewachsene armenische Autorenfilmer Atom Egoyan einen Weg gefunden, die grausigen Geschehnisse der Vergessenheit zu entreißen. Egoyan entschied sich, den Genozid von der Gegenwart aus zu thematisieren. Um die Gräueltaten der Vergangenheit darzustellen, wendet er einen intelligenten Kunstgriff an: Der von Charles Aznavour verkörperte Regisseur Saroyan dreht einen Film über den Völkermord an den Armeniern, wobei ihm der Berg Ararat, an dessen Gipfel einst die Arche Noah strandete, als unverrückbares Symbol für den Überlebenswillen der Armenier gilt. Egoyans Alter ego Saroyan will der sogenannten zivilisierten Welt die fast vollständige Vernichtung der 3000 Jahre alten Kulturnation im Stile Hollywoods vor Augen führen. Durch zahlreiche Auseinandersetzungen mit der als Beraterin engagierten Kunsthistorikerin Ani, die lieber über das Werk des Malers Arshile Gorky referiert als ihren Sohn Raffi über den geheimnisvollen Tod seines Vaters aufzuklären, entscheidet sich der alte Meister im Lauf der Dreharbeiten doch noch für eine authentische Darstellung, statt auf Spektakel und Effekte zu setzen.
Scheinbar mühelos wandern Egoyan und sein Kameramann Paul Sarossy auf der Suche nach Wahrheit und Versöhnung durch Zeiten und Räume. In der Rahmenhandlung erzählt der junge David, der im Ursprungsland seiner Eltern Landschaftsaufnahmen für Saroyan machte und unwissend Drogen nach Kanada schmuggelt, dem Zollbeamten die Geschichte vom Völkermord und der Suche nach Identität. Die aufwändige Nachstellung der historischen Ereignisse, die auf Clarence Ushers Augenzeugenbericht „Ein amerikanischer Arzt in der Türkei“ basiert, geht bisweilen bis an die Grenze des Erträglichen: Armenische Frauen werden vergewaltigt und massakriert, Kinder erschossen und Männer enthauptet. Alles nur ein Film, versucht man sich als Beobachter einzureden, doch spätestens, wenn sich nach der Premiere von Saroyans Film die Problematik zwischen den Charakteren fortsetzt und die durch die Verleugnung von Generation zu Generation vererbte Tragik der armenischen Geschichte zu spüren ist, drängt sich dem Zuschauer die bittere Wahrheit auf.
Egoyan verteufelt dabei die Türken nicht. Er macht auch nicht die Nachfolgegenerationen für die Verbrechen der jungtürkischen Regierung verantwortlich. Vielmehr sucht er den Diskurs mit der heutigen Türkei. Elias Koteas schlüpft als türkischer Schauspieler Ali aus Bewunderung für Saroyan in die Rolle eines sadistischen Befehlshabers der Osmanen. Außerhalb des Sets ist er ein herzensguter Mensch, der offensiv, aber nicht militant mit seiner Homosexualität umgeht. In der Diskussion mit David, der den Dreharbeiten beiwohnt, hält er den Völkermord allerdings für eine Erfindung der Armenier. Er hat es nicht anders gelernt, denn in den türkischen Geschichtsbüchern steht bis heute nichts über diesen Genozid. Während zahlreiche Länder den Völkermord an den Armeniern längst anerkannt haben, ist dies sowohl von türkischer als auch deutscher Seite noch immer nicht geschehen. Hierzulande startet „Ararat“, der in Kanada mit fünf Genie-Awards ausgezeichnet und von der „New York Times“ als „gedanklich herausforderndster Film des Jahres“ bezeichnet wurde, gerade Mal mit fünf Kopien, sodass wohl nur ein geringer Teil der in Deutschland lebenden Türken Gelegenheit haben wird, sich mit einem der schwärzesten Kapitel der eigenen Vergangenheit auseinander zusetzen. Dabei könnte Egoyans differenzierter Film der Anfang einer Annäherung zwischen Türken und Armeniern sein.