Sainkho - Die moderne Nomadin
Dokumentarfilm | Deutschland 2002 | 80 Minuten
Regie: Erica von Moeller
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2002
- Produktionsfirma
- Colonia/Label 131
- Regie
- Erica von Moeller
- Buch
- Erica von Moeller
- Kamera
- Daria Moheb Zandi · Hajo Schomerus
- Musik
- Sainkho Namtchylak
- Schnitt
- Gesa Marten
- Länge
- 80 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb
Einst, in den 1970er-Jahren, ging Sainkho mit gerade 20 Jahren nach Moskau, um die Musik der Welt kennen zu lernen. Sie wurde Mutter und sogleich mit der Tochter allein gelassen, die später nach Wien zog, um zu studieren, wo auch Sainkho inzwischen ein kleines Appartement besitzt. Zwischen diesen engen Verhältnissen und einigen sehr großen Bühnen steckt von Moeller die Welt der Sängerin ab, die inzwischen Großmutter ist und im Alltag so unscheinbar und zerbrechlich wirkt. Tatsächlich hat das Leben deutliche Spuren hinterlassen: die frühe Trennung, die traumatische Erfahrung, von betrunkenen Frauen in der eigenen Wohnung schwer verletzt worden zu sein, aber auch die Ferne zur Heimat, die Heimatlosigkeit. Ängste treiben sie an, wie sie vor der Kamera erzählt, auch Todesängste. Dann wieder trotzt sie tapfer allen Umständen und lacht darüber – und wird von ihrer Tochter bis heute dafür bewundert: „Wie eine Göttin“ sei die Mutter ihr als Kind vorgekommen. Bezeichnend ist auch die Reise ins heimische Tuva, wo noch viele Leute in Zelten auf den Hochebenen Sibiriens leben. Eben noch sah man Sainkho als dominante, ja herrische Chefin ihrer Band, offen bekennend, dass sie ihre Musiker teilweise nur 50-prozentig für fähig hält, sie zu begleiten. Jetzt wirkt sie sehr bescheiden und zurückhaltend. Selbst bei dem kurzen Auftritt in Tuva bleibt sie brav sitzen, singt einige heimische Lieder und zieht sich ohne ein Wort zurück. Später sieht sie sich zu Hause ein Familienalbum an: Genauso gut könnte sie, wie ihre Schwestern, noch immer hier in der Steppe wohnen.
Es sind diese Widersprüche, die der Film beschreibt und offen lässt, die ein facettenreiches Bild der Sängerin entstehen lassen, ebenso uneinheitlich und faszinierend wie die Musik, die vor dem Hintergrund der Biografie zunehmend fassbarer wird. Sainkhos Klangexperimente wirken immer mehr wie Versuche, die radikal verschiedenen Heimaten und Lebenswelten zu vereinigen oder wenigstens einander anzunähern, gefiltert durch eigene Erfahrungen, die Sainkhos exzessiv auf der Bühne wiedergibt. Mehr als zwei Jahre haben die Regisseurin und die Sängerin miteinander verbracht, um den Film entstehen zu lassen, der an der Kölner Kunsthochschule für Medien fertig gestellt wurde. Der Film erklärt nichts, lässt fast nur Mutter und Tochter erzählen, aber am Ende hat man das Gefühl, trotz der kurzen, an verschiedenen Orten aufgenommenen Schlaglichter einen tiefen Blick in ein Leben geworfen zu haben, das eine gehörige Portion Mut erfordert hat, der sich wiederum auf der Bühne in entfesselte Energie verwandelt.