Nicholas Nickleby (2002)
Drama | USA/Großbritannien/Deutschland/Niederlande 2002 | 132 Minuten
Regie: Douglas McGrath
Filmdaten
- Originaltitel
- NICHOLAS NICKLEBY
- Produktionsland
- USA/Großbritannien/Deutschland/Niederlande
- Produktionsjahr
- 2002
- Produktionsfirma
- Hart Sharp Entertainment/ Cloud Nine Films
- Regie
- Douglas McGrath
- Buch
- Douglas McGrath
- Kamera
- Dick Pope
- Musik
- Rachel Portman
- Schnitt
- Lesley Walker
- Darsteller
- Charlie Hunnam (Nicholas Nickleby) · Jamie Bell (Smike) · Jim Broadbent (Wackford Squeers) · Tom Courtenay (Newman Noggs) · Alan Cumming (Mr. Folair)
- Länge
- 132 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Drama | Literaturverfilmung
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Die DVD-/BD-Edition von Vocomo (2019) enthält ein ca. 30-minütiges Making-of; die BD enthält zusätzlich noch ein ca. 15-minütiges Interview-Feature, in dem sich Stars des Ensembles zu ihren Kollegen äußern, sowie ein 18-minütiges Feature mit "Szenenanalysen", die anhand ausgewählter Szenen Einblicke in die Arbeit mit unterschiedlichen Kameraperspektiven geben.
Eine detailfreudige, ganz im Kolorit des 19. Jahrhunderts gehaltene Charles-Dickens-Verfilmung mit einem bis in die Nebenrollen hinein hervorragend besetzten Cast.
Es ist ein bitteres Schicksal, das die Familie von Nicholas Nickleby (Charlie Hunnam) heimsucht, und trotzdem entbehrt es in der Stimme des Erzählers nicht eines gewissen ironischen Untertons. Ein schönes Landhaus in Devonshire haben sie gemeinsam bewohnt, Vater, Mutter und die beiden Kinder Nicholas und Kate, bis sich der Vater auf dasselbe Metier wie sein Bruder Ralph einließ, die Spekulation, aber alles verlor und daraufhin starb. Den Hinterbliebenen gegenüber zeigt sich jener reiche Bruder zwar, wenngleich widerwillig, behilflich, nimmt Mutter und Tochter bei sich auf und schickt Nicholas auf eine Schule, wo er als Assistenzlehrer engagiert wird. Aber weder die Frauen finden eine würdige Unterbringung vor, noch Nicholas, der in einer fernen Jungenschule eine Hölle auf Erden erlebt. Er flieht zusammen mit dem bemitleidenswerten Smike; zunächst landen sie bei einer Theatertruppe, bis sie schließlich nach London kommen, wo die Auseinandersetzung mit dem Onkel eskaliert.
Charles Dickens’ dritter Roman gehört zu den weniger oft verfilmten Stoffen des viktorianischen Sozialkritikers, doch auch dieses Buch hält einige der typischen Charaktere bereit, die das Dickenssche Universum lebendig und zeitlos und damit fürs Kino so geeignet erscheinen lassen. Da sind komische Käuze wie die Mitglieder der Theatertruppe (Nathan Lane und Barry "Dame Edna" Humphries), die sich selbst maßlos überschätzen, oder gemeine Unholde wie der Schulmeister (Jim Broadbent) und seine Frau (Juliet Stevenson), die kaum von besserer Herkunft sind als diejenigen, die sie peinigen. Es gibt aber auch die übelmeinende Noblesse, hier beispielsweise in Gestalt von Onkel Ralph (Christopher Plummer): Sie versteckt ihre nicht minder düsteren Absichten hinter einem Gebäude von Moral und Standesdünkel, typischen Merkmalen der viktorianischen Gesellschaft.
Auf der anderen Seite existiert aber auch die reine Unschuld, die im Dickicht der Städte herumgestoßen wird, wenngleich nicht alle Hoffnung vergebens ist – sei es, indem sie Gleichgesinnte, nicht selten Opfer wie sie selbst, finden, sei es im schieren Aufstand. Nicholas Nickleby ist kein Kind wie Oliver Twist oder Barnaby Rudge, sondern ein tapferer junger Mann, der es sowohl mit dem Schulmeister aufnimmt als auch mit dem Onkel. Das macht ihn zum Helden, auch wenn er als Figur vor dem Panoptikum der Karikaturen verblassen muss, woran auch der Hauptdarsteller Charlie Hunnam wenig ausrichten kann.
Wie jeder (Dickens-)Roman musste auch dieser fürs Kino zurechtgestutzt werden. Regisseur und Autor Douglas McGrath ist es jedoch gelungen, das komplexe epische Gefüge der Geschichte in eine Leinwand-Dramaturgie zu übersetzen, die auch deshalb über zwei Stunden trägt, weil die lineare Handlung – auch dies eine Dickenssche Vorliebe – unter der Oberfläche einige Geheimnisse verborgen hält. Der Film ist durch und durch historisch: die Kulissen, Kostüme und Perücken, auch die Ausdrucksweise sind reinstes 19. Jahrhundert, und dennoch wirken sie nicht antiquiert, sondern versetzen das Publikum in der Zeit zurück. McGrath hat auch nicht versucht, der Geschichte ein zeitgemäß hohes Tempo aufzudrücken; sein Film hätte auf ähnliche Weise wohl auch vor zehn, zwanzig oder mehr Jahren entstehen können und würde trotzdem, wie Kubricks „Barry Lyndon“ (fd 19 995) oder Ridley Scotts „Die Duellisten“ (fd 20 737), die Zeit überdauern. Natürlich auch aufgrund des ewigen Themas der moralischen Geschichte um menschliche Güte und den steinigen Boden, auf die sie mitunter fällt, und um Boshaftigkeit, hinter der oft auch nur ein verwundeter Mensch steht. Ähnliches ist McGrath bereits mit seiner Verfilmung von Janes Austens „Emma“ (fd 32 463) gelungen, mit einem nicht minder unterhaltenden Gleichgewicht aus Drama und leisem Humor. Auch sein „Nicholas Nickleby“ trägt den verschiedenen Aspekten der Geschichte Rechnung, einschließlich einer gewissen Sentimentalität, und verpackt das Ganze mit so viel Spannung, dass sein Film auch im besten Sinne als Familienfilm durchgeht.
Fotos: © 2002 UNITED ARTISTS FILMS INC.