Xavier, Student der Wirtschaftswissenschaften und Mitte 20, weiß noch nicht genau, was er nach dem Studium beruflich machen soll. Doch als er den Tipp bekommt, mit guten Spanisch-Kenntnissen einen Job im Finanzministerium anzutreten, entschließt er sich, für ein Jahr im Rahmen eines EU-Austauschprogrammes nach Barcelona zu gehen. Er verabschiedet sich leichten Herzens von seiner kumpelhaften, manchmal etwas schnippischen Freundin Martine und trifft auf dem Flughafen sogleich eine neue Frau, in die er sich verliebt: Anne-Sophie, jung, scheu und gerade frisch verheiratet mit einem Neurologen. Xavier wohnt vorübergehend bei dem Paar und kommt Anne-Sophie näher, aber auf Dauer hält ihn nichts in diesem langweiligen, geordneten Leben. Da ist die muntere Multikulti-Studenten- WG schon eher nach seinem Geschmack. Xavier besteht tatsächlich den Test, den sich der praktisch denkende deutsche Mitbewohner für die Aspiranten auf das freie Zimmer ausgedacht hat. Die Mitbewohner aus Italien, England, Dänemark, Belgien und Spanien zeigen ihm, wie man in Barcelona Spaß haben kann. Natürlich sind amouröse Abenteuer wichtiger als die Bücher, zumal Xavier schnell zum besten Freund der belgischen Lesbe Isabelle wird, die ihm gute Tipps gibt, wie er Anne-Sophie erobern kann. Aber auch den anderen WG-Bewohnern schlägt das Gefühlsleben immer neue Haken: Die Spanierin, die mit dem Dänen der WG glücklich ist, verliert ihn, als dessen dänische Ex-Freundin schwanger wird. Wider Erwarten taucht auch der britische Freund der ewig kiffenden Engländerin auf – als sie gerade mit einem Amerikaner im Bett liegt. Überhaupt verheißen Besuche von Zuhause selten etwas Gutes. Das gilt auch, als Martine zu Besuch kommt, die von den Mitbewohnern ebenso wenig erbaut ist wie davon, dass Xavier ihren Geburtstag vergessen hat; wenig später macht sie telefonisch mit ihm Schluss. Am Ende eines turbulenten Jahres ändert Xavier seine Vorstellungen von der Zukunft: statt dem langweiligen, aber sicheren Finanzjob entgegenzustreben, will er nun Schriftsteller werden.
Trotz der vielen Parallelen zu den politischen Problemen, in Europa harmonisch zusammenzuleben, ist „L’auberge espagnole“ vor allem ein Film übers Erwachsenwerden von jungen Leute und weniger über das Erwachsenwerden der europäischen Staaten. Mit Xavier, der nicht so recht weiß, was er will und in vielen Dingen noch sehr naiv ist, hat Regisseur Cédric Klapisch („...und jeder sucht sein Kätzchen“, fd 32 231) eine sympathische Identifikationsfigur gefunden, und mit der bunt zusammengewürfelten Wohngemeinschaft auch einen Ort, der exotisch und vertraut zugleich ist. Klapischs in vielen Teilen autobiografischer Film fällt nicht in die üblichen länderspezifischen Klischees, was die Charakterisierung der Personen angeht, sondern sieht die sechs Wohngenossen einfach nur als junge Menschen, die zufällig aus anderen Ländern kommen. Die gemeinsame Sprache (in der Originalfassung) ist englisch, wobei es ganz amüsant ist, wenn manchmal Sätze Englisch beginnen und Französisch oder Spanisch enden. Doch abgesehen davon, merkt man wenig von den Differenzen der jungen Europäer, deren Probleme mit Liebe, Sex und Treue sich ziemlich ähneln. So ist die „L’auberge espagnole“ für viele so etwas wie überlange Sommerferien in einem fremden Land, in dem man vieles tut, was man sich zuhause nicht erlauben würde. Das ist ganz unterhaltsam inszeniert, wirkt auf Dauer aber genauso langweilig und nervend wie die Stimme von Xavier aus dem Off, der rückblickend von seinem Jahr in Spanien erzählt – inklusive des aufgesetzt wirkenden Sinneswandels am Ende. Dafür ist Klapisch atmosphärisch- technisch auf der Höhe seiner jungen Protagonisten, wenn er in Video-Ästhetik filmt oder die Leinwand dreiteilt, um zu zeigen, wie die Mitbewohner versuchen, einen eifersüchtigen Freund fernzuhalten. Zumindest was die frankophone Seite angeht, sind die jungen Darsteller perfekt: Romain Duris nimmt man den ambivalenten Xavier ebenso ab wie Audrey Tautou die nur vordergründig tolerante Martine oder Cécile De France die einfühlsame lesbische Lehrmeisterin Xaviers.