Biopic | USA 2002 | 105 Minuten

Regie: Paul Schrader

Biografischer Film über das Leben des amerikanischen DJs Bob Crane, der Mitte der 1960er-Jahre als Hauptdarsteller der Fernsehserie "Hogan's Heroes" zum Star aufstieg, seiner Sex-Sucht erlag und 1978 ermordet wurde. Meisterliche Milieu- und Zeitstudie über den gesellschaftlichen Aufbruch der westlichen Welt und seine Kehrseiten, die am Schicksal Canes die Dialektik von Selbstfindung und Realitätsverlust entfaltet. Dabei kann die Roman-Adaption auch als verschlüsselte Parabel über die Geschichte des "New Hollywood" gelesen werden. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
AUTO FOCUS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
Sony Pictures Classics/Propagand Film/Good Machine
Regie
Paul Schrader
Buch
Michael Gerbosi
Kamera
Fred Murphy
Musik
Angelo Badalamenti
Schnitt
Kristina Boden
Darsteller
Greg Kinnear (Bob Crane) · Willem Dafoe (John Carpenter) · Rita Wilson (Anne Crane) · Ron Leibman (Lenny) · Maria Bello (Patricia Crane)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Biopic
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Heimkino

Die Extras der Special Edition umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs, des Drehbuchautors, der Produzenten und der Hauptdarsteller sowie ein Feature mit nicht verwendeten Szenen. Ausgezeichnet mit dem "Silberling 2003" der Filmzeitschrift film-dienst!

Verleih DVD
Columbia TriStar Home (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Da liegt er nun, in den frühen Morgenstunden des 29. Juni 1978, mit eingeschlagenem Schädel in seinem Hotelbett in Scottsdale, Arizona, doch seine Voice-over-Stimme gibt immer noch keine Ruhe. Mit demselben agil-gutgelaunten Tonfall, den Bob Crane den ganzen Film über angeschlagen hat, erklärt er, dass er für seinen Mörder irgendwie auch Verständnis habe, schließlich gelte: „Men just wanna have fun!“ Der Zuschauer hat bis zu diesem Zeitpunkt Cranes ausgesprochen exzentrischem „Fun“-Verständnis 14 lange Jahre folgen dürfen. Anfangs, 1964, macht Bob Crane etwas, was man heute wohl „Frühstücksradio“ nennen würde, also permanent gutgelauntes Entertainment, bei dem einem schnell der Appetit vergeht. Von einem Appetit ganz anderer Art handelt Paul Schraders neuester Ausflug in die späten 1960er- und 1970er-Jahre, in die Zeit des gesellschaftlichen Aufbruchs, der gesellschaftlichen Verunsicherung – und der sexuellen Revolution. Der Drehbuchautor von „Taxi Driver“ (fd 19 983) und Regisseur solch meisterlicher Milieustudien wie „Hardcore“ (fd 21 144), „American Gigolo“ (fd 22 460) oder „Blue Collar“ (fd 21 150) bleibt mit „Auto Focus“ seinen spezifischen Themen treu: Einsamkeit, menschliche Obsessionen, Sexualität, Schuld und Sühne. Mehr durch Zufall wird aus dem Radiomann ein Fernsehstar: Witzbold Bob Crane bekommt die Hauptrolle als launiger Kriegsgefangener in der Fernsehserie „Hogan’s Heroes“ („Ein Käfig voller Helden“), einer Sitcom, die in einem KZ spielt, wie Cranes Frau angewidert-süffisant zu Bedenken gibt. Stimmt natürlich nicht ganz, aber die Serie entpuppt sich nicht als Karrierekiller, sondern wird ein veritabler Überraschungserfolg, Crane ein Star. Doch hinter der Fassade des stets aufgedrehten Possenreißers gibt es auch noch den Pornografen Crane, der zu Beginn als „Fan der Fotografie“ einschlägige Magazine sammelt und später dann als technologischer Avantgardist den rasanten Aufstieg der Videotechnik begleitet. Man sieht die ersten Videokameras, die ersten Video-Kassetten, die erste Farb-Video-Geräte. Zusammen mit seinem devoten Freund und Vertrauten John Carpenter, einem Technik-Freak aus den „Sony“-Labors, filmt er sich beim Sex mit häufig wechselnden Frauen, die ihm der Starruhm zutreibt. In einer herrlich zugespitzten, dabei noch immer dezenten Schlüsselszene des Films sitzen Bob und John gemütlich im Keller, gucken ihre Home-Videos und onanieren friedlich nebeneinander. Die bizarre, von homoerotischen Untertönen nicht freie Männerfreundschaft überlebt zwei Ehen Cranes und seinen Abstieg zum Provinzschauspieler, der zum Zeitpunkt seiner Ermordung wohl sämtliche Swingerclubs der USA besucht haben dürfte. Weil Crane aber fortwährend darauf besteht, völlig normal zu sein („Ich rauche nicht, ich trinke nicht ... zwei von drei, das ist doch nicht schlecht?“) und die Gesellschaft ihrer Vorurteile zeiht, kostet ihn sein kaum kaschiertes „Hobby“ schließlich sogar das Comeback in der Disney-Produktion „Superdad“. Paul Schrader ist erwiesenermaßen ein Spezialist für die Abgründe hinter der Heile-Welt-Fassade. Im Falle von „Auto Focus“ geht es um den komplexen dialektischen Prozess einer Selbstfindung, die zumindest zeitweise auf der Welle des Zeitgeistes surft, um dann schließlich in den Niederungen der Asozialität und des Realitätsverlustes zu landen. Schrader zeigt Crane zunächst als eine naiv-kindliche Person, deren sexuelle Obsession sich ganz allmählich gegen die herrschende Prüderie und Doppelmoral zu behaupten lernt. Zumindest zeitweise aber kann Crane durchaus beanspruchen, die Avantgarde einer sich radikal liberalisierenden Kultur zu sein, die ihm den Diskurs des progressiven Tabubruchs gegen die spießige Umwelt zugesteht. Cranes ausgelebte Obsessionen befinden sich im Einklang mit der Hippie-Zeit und der Etablierung einer Pornoindustrie am Rande des Mainstream („Deep Throat“). Doch Crane geht seinen Weg zwanghaft immer weiter und verpasst den Augenblick, wo das Pendel der neokonservativen Restauration zurückschlägt. Die sexuelle Revolution frisst ihre Kinder. Es ist nicht schwierig, „Auto Focus“ auch als verschlüsselte Parabel auf den Aufstieg und Fall des „New Hollywood“ zu lesen, ein Prozess, der mit Cranes Biografie auffällig parallel verläuft, von den swingend-jazzigen, antiautoritären Anfängen („Die Reifeprüfung“, fd 15 718; die Monkees in „Head“) bis hin zum sinistren Finale („Wie ein wilder Stier“, fd 22 856; „Heaven’s Gate“, fd 24 953). Auf einer anderen Ebene ist „Auto Focus“ ein Film über eine Männerfreundschaft. Dabei wird Crane von seinem opportunistischen Zuarbeiter und „Mephisto“ Carpenter (grandios schmierig: Willem Dafoe) bis zum Schluss mit tödlicher Konsequenz ausgenutzt, obwohl Cranes Verachtung für Carpenter rapide zunimmt, als das Geld knapper wird und die Basis ihrer Beziehung deutlich zu Tage tritt. Auf dieser Ebene ist „Auto Focus“ eine Herr-Knecht-Parabel in Bonbonfarben und Noir-Untiefen. Und als „incredible strange“ Pop-Studie ist „Auto Focus“ schließlich auch noch der schwarze Gegenentwurf und eine interessante Ergänzung zu „Geständnisse – Confessions of a dangerous mind“ (fd 35 913). Die Produzenten Scott Alexander und Larry Karaszewski haben sich zuvor Figuren wie Ed Wood, Larry Flynt oder Andy Kaufmann zugewendet; in dieser Reihe ist auch Bob Crane einigermaßen gut aufgehoben.
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