Drehbuchautor zu sein, zumal in Hollywood, ist ein hartes Los. Nicht jeder ist ein Frank Darabont, der weiß Gott keinen Nebenberuf mehr nötig hat. Offiziell 8500 Mitglieder dieser Zunft, nicht gerechnet die ungezählten Freizeit-Autoren, die von dem großen Wurf träumen und sich mit zahllosen Ratgeber-Büchern und Seminaren wappnen, buhlen um die Gunst der Studios und Produzenten. Was hinter den Kulissen in Hollywood gespielt wird, hat Robert Altman in „The Player“
(fd 29 643) wunderbar sarkastisch dargelegt. Anspielungsreich und hinterlistig als Film im Film angelegt und mit zahlreichen Cameo-Auftritten namhafter Stars angereichert, irritierend zwischen Realität und Fantasie changierend, zeigt Altman, wie es in der Traumfabrik um künstlerische Ansprüche, geschweige denn Wahrhaftigkeit bestellt ist. Hauptsache Happy End und eine Prise Sex! Alles ist eine Frage der Adaption, der Anpassung an die Lebensbedingungen Hollywoods. Von Beginn an machte Altman klar, dass seine Geschichte nichts ist als die – allerdings vor Ironie und schwarzem Humor strotzende – Ausgeburt eines Drehbuchautors, der sich kalkuliert den Regeln beugt und damit das System aushebelt. War bereits „The Player“ an Selbstreferentialität kaum zu überbieten, so brechen nun bei Charlie Kaufmans/Spike Jonzes „Adaption“ sämtliche Dämme.
Es ist schon ein heikles Thema, das Verhältnis von filmischer Illusion und außerfilmischer Wirklichkeit: Wo fängt das eine an, wo endet das andere? Und was tun, wenn die Prinzipien der Fiktion plötzlich der Realität weit mehr entsprechen, als man es sich selbst hat träumen lassen? Musste sich ein gewisser Barton Fink
(fd 29 156) einst ein Drehbuch zu einem Catcher-Film aus den Windungen seines Gehirns quetschen, so ist Drehbuchautor Charlie Kaufman nach dem grandiosen Erfolg seines Projekts „Being John Malkovich“
(fd 34 219) nicht viel besser dran. Ja, wir befinden uns bereits mitten in „Adaption“: Charlie Kaufman gibt es zum einen wirklich, und dann noch in diesem Film, wo er von einem großartigen Nicolas Cage verkörpert wird. Zu Beginn sieht man ihn – als sei es ein „Making of“ – am Set zu den Dreharbeiten zu „Being John Malkovich“, wo Malkovich, Catherine Keener und John Cusack gerade ihren Auftritt vorbereiten. Charlie Kaufman ist in einer schweren Schaffens- und Existenzkrise, dem so genannten Writer’s Block, einer Schreibblockade, die er weder durch Disziplin noch durch Selbstüberlistung überwinden kann. Gerade da erhält er den Auftrag, „The Orchid Thief“, den dokumentarischen Bestseller der beim „New Yorker“ arbeitenden Journalistin Susan Orlean, für einen Film zu adaptieren. Soweit die Wirklichkeit, wie sie in den Film Einzug hält, die man aber ebenso gut bereits für Fiktion halten könnte.
Je mehr sich Charlie bei diesem Projekt abmüht und zunehmend selbst zu einem Teil der Geschichte wird, desto größer kommt sein naiver und unbekümmerter – und nun tatsächlich fiktiver – Zwillingsbruder Donald heraus (ebenfalls Nicolas Cage). Er will es Charlie gleich tun und als Drehbuchautor reüssieren. Dazu macht er genau das, was Charlie so verabscheut: In einem Crash-Kurs mit Drehbuch-Guru Robert McKee (auch er wurde aus dem realen Leben gegriffen) eignet er sich alle Regeln für eine erfolgreiche dramaturgische Struktur an und lässt in seiner Action-Killer-Story kaum ein Klischee aus – und das mit Erfolg! Entnervt lässt sich Charlie auf eine Lehrstunde mit McKee ein, der ihn tatsächlich auf das fehlende Element in seiner Story hinweist. Zusammen mit Donald macht Charlie sich daran, das Geheimnis in Susan Orleans Buch zu entdecken, den Schlüssel zum dramatischen Zentrum seines Drehbuchs. Und schlittert in ein ebenso reales wie filmreifes Abenteuer, in dem genau jene Elemente Einzug halten, die Charlie vorher so verpönt waren: Sex, Waffen und Verfolgungsjagden. Wir erinnern uns: Auch in Altmans „The Player“ kippt im Film-im-Film, der das wahre Leben ohne Happy End zeigen und ohne Stars auskommen sollte, am Ende alles um, und Julia Roberts und Bruce Willis treten in einer dramatischen Last-Minute-Rescue auf den Plan. Kaufman und Jonze treiben das Ganze auf die Spitze, indem sie die Realität in ihrem Film selbst schon ganz nach den Regeln Hollywoods funktionieren lassen.
In „Adaption“ gelingt dem verrückten Gespann das Kunststück, den Aberwitz von „Being John Malkovich“ noch zu toppen. Auf der Filmmesse MIFED wurde von Käufern, die den Film grundsätzlich begeistert aufnahmen, moniert, er sei zu sehr auf Insider-Wissen angelegt und für ein größeres Publikum weniger zugänglich. Auch wenn „Adaption“ keine Mainstream-Produktion ist, darf man diese Einschätzung bezweifeln. Auf erfrischende Art und mit wunderbarem Dialogwitz mokieren sich Kaufman und Jonze über Hollywood, das Handwerk des Filmemachens, intellektuelle Blasiertheit, spielen dabei mit zahlreichen Klischees – und behalten dabei doch alles, wie der Marionettenspieler in „Being John Malkovich“, unter Kontrolle. Ein ganzes Jahr verbrachte Jonze mit der Post-Production, besonders mit der Montage, bis er der kuriosen Story ihren letzten Schliff verpasst hatte – alles in relativer Freiheit vom Druck des Studios, da mit einem vergleichsweise geringen Budget gearbeitet wurde. Selbst wenn am Ende, als die Regeln des Drehbuchschreibens tatsächlich über die Wirklichkeit zu regieren beginnen, manches überzuborden scheint: die kuriosen Wendungen, den fließenden Übergang zwischen den im Film selbst etablierten unterschiedlichen Realitätsebenen meistern Kaufman und Jonze souverän. Gerade die vielen Bezugnahmen auf reale Personen und Situationen, dann wieder die Brechungen der Wirklichkeit liefern einen spannenden Subtext, der ständig im Hintergrund mitläuft. Großartig auch die drei Hauptdarsteller, die augenscheinlich mit allergrößter Spielfreude agieren: Nicolas Cage, mit schütterem Haar und mehr als nur Hüftspeck, gibt den ambitionierten Loser ebenso hinreißend wie den unbedarften Draufgänger; Meryl Streep als emotional verhärmte Intellektuelle Susan Orlean auf der Suche nach Leidenschaft; Chris Cooper („Lone Star“), Darsteller des selbstherrlich-abgedrehten Orchideen-Züchters Laroche und Hauptfigur von Orleans Buch – sie wurden für ihre Leistungen unter anderem mit einem „Golden Globe“ ausgezeichnet. Die meisten Auszeichnungen aber konnte bisher Charlie Kaufman auf sich vereinigen, der, wie kaum ein anderer Drehbuchautor vor ihm, ins Rampenlicht getreten ist und mit dem Buch zu George Clooneys Regiedebüt „Confessions of a Dangerous Mind“ bereits ein weiteres originelles Verwirrspiel abgeliefert hat.