The American Nightmare
Dokumentarfilm | USA/Großbritannien 2000 | 73 Minuten
Regie: Adam Simon
Filmdaten
- Originaltitel
- THE AMERICAN NIGHTMARE
- Produktionsland
- USA/Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2000
- Produktionsfirma
- Minerva
- Regie
- Adam Simon
- Buch
- Adam Simon
- Kamera
- Immo Horn
- Musik
- Karlheinz Stockhausen
- Schnitt
- Paul Carlin
- Länge
- 73 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 18
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Wer in Zweifel gezogen hat, dass Film einen privilegierten Zugang zum kollektiven Unbewussten besitzt, wird hier eines Besseren belehrt. Zugleich bietet der Film stupende Lektüren legendär-berüchtigter Filme wie „Blutgericht in Texas“, „Zombie“ oder „Last House on the Left“, die klar machen, dass man die soziale Dimension des modernen US-Horrorfilms nicht unterschätzen sollte. Dass dies dem Film derart fesselnd gelingt, liegt auch an der intellektuellen Brillanz der Interviewpartner: Die Filmemacher Romero, Hooper und Craven scheinen retrospektiv selbst erstaunt und amüsiert über die Tragweite ihrer „realistischen“ Gewaltfantasien. Souverän erklärt Wes Craven den Sadismus einzelner Sequenzen von „Last House on the Left“ als Reflex auf die Erschießung mehrerer Studenten-Aktivisten an der Kent State University von Ohio durch die Nationalgarde oder auf die berüchtigte Hinrichtung eines Vietkong durch den Polizeichef Saigons. Der Special-Effects-Meister Tom Savini bringt es auf den Punkt, wenn er von seiner therapeutischen Strategie berichtet, sein eigenes Erschrecktsein von der Realität der späten 1960er-Jahre in ein professionelles Verbreiten von Schrecken zu transformieren. Allgemein gefasst: „The American Nightmare“ lässt es wahrscheinlich scheinen, dass die 1960er-Jahre plausibel über die Morde Kennedy- King-Altamont-Manson rekonstruierbar sein dürften.
Ein Ausschnitt aus dem Trailer zu „The Last House on the Left“ lockt den Kinobesucher mit dem Ratschlag, er solle sich doch, um eine Ohnmacht zu vermeiden, stets daran erinnern, dass er nur einen Film sehe. John Landis und einige andere Befragte berichten mit Enthusiasmus vom kruden Realitätssinn dieser Filme, der das Kino in ein „Haus des Schreckens“ verwandelte. Bei Hitchcock, so Landis, konnte sich der Zuschauer in den Händen eines Meisters, aber letztlich doch in Sicherheit wiegen, doch in den Filmen von Craven und Hooper, von Romero und Cronenberg begab man sich freiwillig in die Hände von „Maniacs“. Auch Filmwissenschaftler wie Tom Gunning, Carol J. Clover und Adam Lowenstein bestätigen die existenzielle Dimension der ersten Begegnung mit den „films maudits“; Bezüge zu klassischen Horrorfilmen wie „Frankenstein“ werden herausgearbeitet: Während klassische Horrorfilme Ur-Ängste verarbeiten, aber durch ihre Künstlichkeit auch eine Distanz schaffen, sind die neuen Horrorfilme auf bestürzende Weise „realistisch“. Das Unbewusste ist kein schöner Ort, erklärt Carol J. Clover. Insbesondere Romeros „Die Nacht der lebenden Toten“ habe Bilder, die es unmöglich machen, beim Sehen nicht an die Ermordung von Martin Luther King oder die Lynchmobs der Südstaaten zu denken. Filme wie „Zombie“ erzählen von den ambivalenten Wonnen des Konsumismus, Cronenbergs „Shivers“ von der ambivalenten Sehnsucht nach Gemeinschaft, die die schmerzhafte Erfahrung von Individualität zurücknimmt. Profundes gibt es zu erfahren über den Zusammenhang von Terror und Schaulust, über das fast kindliche Staunen über die eigene Kraft, solch einen Schrecken auszuhalten. Dabei bricht die Dokumentation an manchen Stellen die mitunter zu enge Festlegung auf eine visuelle Repräsentation des Sozialen auf und reflektiert auf den Reiz des Fantastischen. Vielleicht liegt Romero ja richtig mit seiner Einschätzung, dass seine „Zombie“-Trilogie letztlich die conditio humana umreißt: „Wir leben im ständigen Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit. Also sind wir die living dead.“