Seit Stanley Kubricks „Shining“
(fd 22 670) kann niemand mehr im Film eine erhobene Axt verwenden, ohne dem Zuschauer das Gesicht Jack Nicholsons ins Gedächtnis zu rufen. Bill Paxton, der sich für seine erste Regiearbeit die Story eines Axt-Mörders ausgewählt hat, war damit schlecht beraten. Nicht nur die Erinnerung an „Shining“, sondern auch Geschichten von Stephen King („Dolores“, fd 31 666) und eine lange Tradition von Horrorfilmen bis zurück in die Stummfilmzeit stellen sich Paxton in den Weg. Die Story, die er erzählt, porträtiert überdies nicht nur einen an Wahnvorstellungen leidenden Vater, sondern auch dessen minderjährige Kinder, die Zeugen und unfreiwillige Helfer seiner Taten werden. Kombiniert mit Visionen, Dämonen- und Geisterglauben, hätte „Dämonisch“ vielleicht sogar ein Thema für Hollywoods selbsterkorenen Spiritualisten M. Night Shyamalan abgeben können, zumal die Geschichte – wie dessen Film „The Sixth Sense“
(fd 30 020) – mit einer überraschenden Umkehrung des bisher verstandenen Handlungsablaufs endet. Zu viel Ballast für einen Erstlingsregisseur, der zugleich auch noch die Hauptrolle spielt.
Dad – er hat nicht einmal einen Namen – ist Witwer und muss im ländlichen Texas zwei Söhne großziehen. Fenton ist zwölf, Adam neun, und trotz des Verlustes der Mutter scheinen sie in Harmonie und Eintracht aufzuwachsen. Bis Dad eines Nachts den beiden Kindern verkündet, ihm sei ein Engel erschienen und habe ihm das bevorstehende Weltgericht offenbart. Seine und ihre Aufgabe sei es, die Dämonen zu vernichten, die sich hinter dem Antlitz scheinbar harmloser Mitbürger verbergen. Gott, so glaubt er, weist ihm auch den Weg, wie er das tun soll: Er lässt ihn eine Axt finden, und ein Engel nennt ihm die Namen der Dämonen, die er zerstören soll (die einzige Szene, in der die Visionen auch sichtbar werden). Dad ist weder ein Gewaltmensch noch ein Neurotiker, sondern ein sympathischer, liebender Vater, der von den Visionen, die ihn zum Mörder machen, wie von einer tödlichen Krankheit befallen wird. Im Glauben an die Auserwähltheit seiner Familie beginnt er, auch die Kinder immer mehr in die Erfüllung seiner Aufgabe zu verwickeln. Adam ist noch zu klein, um sich gegen den Einfluss des Vaters wehren zu können, aber Fenton widersetzt sich, bis Dad seinen Willen bricht, indem er ihn eine Woche lang ohne Nahrung in einem unterirdischen Verschlag einsperrt.
Erzählt wird die Geschichte in Rückblenden, die sich aus einem Gespräch des inzwischen erwachsenen Fenton mit einem FBI-Beamten ergeben, der eine aktuelle Mordserie aufzuklären hat. Fenton nennt seinen Bruder Adam als den Täter und führt den Ermittlungsbeamten in seine ehemalige Heimatstadt, um die Anschuldigung zu beweisen. Es ist Matthew McConaughey, der in dieser Rolle zunehmend die Show stiehlt. Auf ihn kann sich der Regisseur Bill Paxton, der den Vater spielt, auch in den sich überschlagenden Schlussszenen verlassen. Falls man bei einer Story wie dieser überhaupt von Glaubwürdigkeit reden kann, dann ist sie zum größten Teil McConaughey zu verdanken. Glücklicherweise scheut das Drehbuch vor einer Überstrapazierung der biblischen Anspielungen zurück und konzentriert sich zunehmend auf die Kinder, damit möglicherweise versuchend, das Ganze als ein Menetekel heutiger Jugendprobleme zu interpretieren. Aber mit solchen Vermutungen geht man wohl schon zu weit bei einem Film, der so geradeaus inszeniert ist wie „Dämonisch“. Ob es das limitierte Budget war, das ihn dazu gezwungen hat, oder eine bewusste Entscheidung – Bill Paxtons Regie rückt den Film in die Nähe alter B-Movies, als digitale Effekte noch nicht erfunden und Stephen Kings Romane noch nicht geschrieben waren. So verstörend es in solchem Zusammenhang für manchen Zuschauer sein mag, den psychischen Qualen der beiden Kinder zusehen zu müssen, so abträglich erweist sich die Inszenierung für die Entwicklung einer emotionalen Spannung, wie sie das Publikum heute im Kino gewöhnt ist.