The Navigators

- | Großbritannien 2001 | 95 Minuten

Regie: Ken Loach

Nach der Privatisierung der britischen Eisenbahn ändern sich die Arbeitsbedingungen für eine Gruppe von Gleisarbeitern zunächst nur unmerklich, bis sie die mörderischen Auswirkungen der neuen Ökonomie in allen Konsequenzen erfahren müssen. Ein engagierter "Arbeiterfilm", der die Dialektik von Privatheit und Öffentlichkeit, Solidarität und Klassenbewusstsein vor Augen führt. Die semi-dokumentarische Inszenierung vermittelt präzise Informationen über die britische Gesellschaft und deren Arbeitswelt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE NAVIGATORS
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Parallax Pictures/Road Movies Filmprod./Tornasol/Alta Films Prod.
Regie
Ken Loach
Buch
Rob Dawber
Kamera
Mike Eley · Barry Ackroyd
Musik
George Fenton
Schnitt
Jonathan Morris
Darsteller
Dean Andrews (John) · Thomas Craig (Mick) · Joe Duttine (Paul) · Steve Huison (Jim) · Venn Tracey (Gerry)
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Erstauflage der DVD (2005) ist nur innerhalb der Box "Ken Loach Sammler Edition" erschienen.

Verleih DVD
epix (16:9, 1.66:1, DD2.0 engl./dt.)
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Diskussion
Was für eine schöne Ellipse! Ken Loach schaut zu Beginn einigen Gleisarbeitern dabei zu, wie diese präzise, professionell und zugleich entspannt Witze reißend ihren Job erledigen. Durch eine konventionelle Montage wird leichthin Suspense aufgebaut, also das, was man ohnehin erwartet, wenn sich ein Zug einer Gruppe von Gleisarbeitern nähert und die Kameraeinstellung etwas zu lange auf einem Fuß oder einer Weiche verharrt. Doch hier löst sich die Spannung in Routine auf. Kurz vor Schluss wird es dann in der Tat einen tödlichen Unfall auf den Gleisen geben, doch dann weiß man um die Gründe des Unglück, die alles andere als ein zufälliges Unglück sind. „The Navigators“ funktioniert eben nicht über dramaturgische Konventionen, sondern über die Aufklärung der Verhältnisse. Nicht nur in diesem Punkt verweigert sich Ken Loach den Konventionen. So beginnt der Film, indem er die Selbstwahrnehmung seiner Protagonisten reproduziert, als pfiffige Arbeiterkomödie. Am Anfang ist die Welt – zumindest relativ – noch in Ordnung: Die Arbeiter der British Rail haben sich eingerichtet in ihrem Leben, das seinen Gang geht, kleinere Scharmützel zwischen staatlichen Managern und den Gewerkschaften inklusive. Ihre Arbeit ist zwar gefährlich und nicht wirklich gut bezahlt; dafür aber arbeitet man sich auch nicht tot, sondern in komfortablen, fast familienähnlichen Teams. Insofern erfahren sie die einschneidenden Veränderungen ihres Arbeitsfeldes anfangs noch wie einen schlechten, bürokratischen Scherz. Die British Rail wird privatisiert, und die ersten, ungelenk durchgesetzten Folgen dieser Privatisierung scheinen in der Tat eher skurril, destruieren aber systematisch überkommene Strukturen: Zwar werden neue Firmenschilder an- und nach wenigen Wochen wieder abgeschraubt, aber auch gut eingespielte Teams aufgelöst und auf konkurrierende Firmen verteilt; das Reinigungspersonal muss jetzt Feudel und Eimer selbst kaufen; die Stempeluhr wird plötzlich kontrolliert. Tödliche Unfälle bei der Arbeit, so werden die Arbeiter belehrt, sollen sich aus Image-Gründen in einem bestimmten statistischen Rahmen bewegen. Anfangs machen sich die Arbeiter darüber lustig, schließlich hat es seit längerem keine tödlichen Unfälle mehr gegeben. Auch ältere, erfahrene Gewerkschafter scheinen die Konsequenzen der Veränderungen zu unterschätzen. Doch dann zeigt sich an Kleinigkeiten, wie die überkommene Lebenswelt aus den Fugen gerät: Tarifverträge werden außer Kraft gesetzt, die Löhne gekürzt, der Einfluss der Gewerkschaften wird zurückgedrängt. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen werden härter, Konflikte in die Privatsphäre getragen. Wer sich dem Stil der neuen Zeit verweigert, wer auf seine Erfahrung oder seine Rechte pocht, verliert seinen Job. Solidarität wird zum Fremdwort, das Arbeitsamt zur Verwahranstalt, es zählt allein das Zauberwort „Flexibilität“. Nicht rentable Abteilungen werden umstandslos geschlossen, billige Arbeitskräfte ohne Kompetenzen eingestellt, die Sicherheitsmaßnahmen radikal abgebaut: „Freie“ Arbeitskräfte nehmen es notgedrungen in Kauf, jeden Tag einige hundert Kilometer zur Arbeit zu fahren. Erst jetzt – längst hat der Film seinen Tonfall verändert – beginnt die Quote der tödlichen Unfälle zu steigen. So erweisen sich die Regeln der neuen Ökonomie als mörderische self-fulfilling prophecies. Seit 1968 erzählt Loach präzise, bittere und manchmal auch sentimentale („Carla’s Song“, fd 32 739) Geschichten aus dem Alltag der britischen Arbeiterklasse. Dies zu tun, mag manchem heutzutage altmodisch erscheinen, doch Bilder solcher längst als zu wenig glamourös geltender Lebenswelten, die in den Medien nicht mehr repräsentiert werden, scheinen in der Tat wichtiger und aktueller denn je. Die Dreharbeiten begannen im Oktober 2000, unmittelbar nach dem schweren Eisenbahnunglück von Hatfield. Mittlerweile, so kann man lesen, denkt die Labour-Regierung darüber nach, den Bahn wieder in ein nicht-profitorientiertes Unternehmen zurück zu verwandeln. Loachs Kino ist also durchaus am Puls der Zeit. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, mit welcher Souveränität er realitätsgesättigte Szenen über die Dialektik von Privatheit und Öffentlichkeit, Solidarität und Klassenbewusstsein entwirft. Gerade durch die Genauigkeit der semi-dokumentarischen Szenen, in denen der Film Konflikte am Arbeitsplatz zeigt oder aber einzelnen Figuren in ihr Privatleben folgt, ohne diese Informationen gleich wieder thesenhaft zu verdichten, gelingt es Loach, die Arbeitswelt in ihrer Komplexität zu repräsentieren und diese Repräsentation in ihren Bezüge zum Alltag, zum Privaten politisch zu vermitteln, ohne sofort pädagogische Konzepte oder konkrete Handlungsanweisungen mitzuliefern.
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