Fulltime Killer

- | Hongkong 2001 | 102 Minuten

Regie: Johnnie To

Zwei Auftragskiller, ein stoischer Japaner und ein eher arroganter Chinese, wollen ihre Kräfte messen und liefern sich, nachdem sie sich in dieselbe Frau verliebt haben, einen finalen Endkampf. Postmoderne Genregeschichte mit zahlreichen Verweisen auf die Filmgeschichte, die ein Fenster zum panasiatischen Gedankenraum aufstößt und zugleich selbstreflektierend die Grenzen des Genres auslotet. Für Fans ein sowohl visueller als auch intellektueller Genuss. (O.m.d.U.) - Sehenswert.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
FULLTIME KILLER | CHUEN JIK SAT SAU
Produktionsland
Hongkong
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Milky Way Image/Teamwork Motion Pictures
Regie
Johnnie To · Wai Kai-Fai
Buch
Wai Kai-Fai · Joey O'Bryan
Kamera
Siu-Keung Cheng
Musik
Alex Khaskin · Guy Zerafa
Schnitt
David M. Richardson
Darsteller
Andy Lau (Tok) · Takashi Sorimachi (O) · Simon Yam (Lee) · Kelly Lin (Chin) · Cherrie Ying (Gigi)
Länge
102 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 18 (Video & DVD)
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
e-m-s
DVD kaufen

Diskussion
Ein Wettkampf, lachend, und doch auf Leben und Tod: Ein Japaner und ein Chinese wollen feststellen, wer der Beste ist in ihrem Beruf. Sie sind Profikiller, und zwischen ihnen steht eine schöne Frau. Johnnie To war der Genre-König des Hongkong-Kino, sein neuester Streich ist große Filmoper: elegisch und leidenschaftlich, voller ausladender Gesten und grundsätzlicher Verspieltheit, ohne jeden Realismus, aber mit allem Pathos dieser Welt – pure Fantasie eben. Und doch ist der Film noch mehr. Der Japaner O ist ein erfahrener Profikiller. Schnell, präzis und mit gebührendem Ernst führt er seine Aufträge aus, von Hongkong aus in ganz Asien operierend. Da dringt plötzlich ein Newcomer in sein Terrain ein: Tok, der seine Arbeit mit spielerischer Genusssucht erledigt. Aufreizend arrogant, höhnisch, aber auch ein wenig verkrampft lächelnd, ist er deutlich weniger „cool“ als O, auch wenn sein selbsterklärtes Vorbild der Samurai Alain Delon in Melvilles Klassiker ist: ein Störenfried, der die Provokation und die direkte Konfrontation sucht– er möchte die neue Nummer Eins seines Gewerbes werden. Zum Auftakt reist der Film durch Ostasien. Man sieht die beiden gleichberechtigten, so amoralischen wie ästhetisch fesselnden Helden bei ihrer Arbeit an den Schauplätzen des Kontinents: in Singapur, Macao, auf den Philippinen und in Japan. Doch der eigentliche Beginn, die wenigen Bilder davor, zeigen den Ort, zu dem das alles führen wird: einen Friedhof in blutleeren, blaugrauen Farben – ein Todesbild voller Melancholie, das in seinem Kontrast zur überbordenden Spiellust der nachfolgenden Szenen den eigentlichen Reiz jenes avancierten Hongkong-Kinos ausmacht, für das Johnnie To heute steht. „Fulltime Killer“ variiert die Grundideen des Hongkong-Gangsterfilms: Zwei Kontrahenten, die eigentlich Freunde sein könnten, begegnen sich in einer Konstellation, die sie zu Todfeinden macht. Zusätzlich verschärft wird diese Konkurrenz durch einen privaten Konflikt: Beide verlieben sich in die junge Chin, eine Taiwanesin, die in dem Videoladen arbeitet, in dem sich der Filmbuff Tok täglich neu eindeckt, vielleicht nur, weil er weiß, dass Chin nebenbei Os Appartment in Ordnung hält. Die Gemeinsamkeit zwischen den Beiden wird noch durch je eine „dunkle Stelle“ verstärkt: Während Andy Lau als Tok (wie in „Running out of Time“, fd 34 467) einen Gangster spielt, der von einer schweren Krankheit geprägt wird, musste O hilflos miterleben, das seine Haushälterin, Chins Vorgängerin, von einer rivalisierenden Gangstergruppe entführt und umgebracht wurde. Gebrochenheit und Melancholie hausen unter der Oberfläche der Cool-Killer. Der Videoladen gibt To Gelegenheit zu einigen Filmanspielungen, neben der mehrfach zitierten Comic-Verfilmung „Crying Freeman“ (fd 32 571) auch auf Kathryn Bigelows „Gefährliche Brandung“ (fd 29 143), der ebenfalls von einem Duell zweier „Gleicher/Ungleicher“ handelt und dessen Einfall, ein Quartett von Bankräubern mit Masken der Gesichter der US-Präsidenten von Nixon bis Reagan auftreten zu lassen, von To variiert wird, indem Tok einen seiner Mordaufträge auf offener Straße ausführt: getarnt mit dem Plastikantlitz von Bill Clinton und zu einer Arie aus „Figaros Hochzeit“. Große Oper, wie gesagt. Bei Tos Musikeinsatz darf man auch noch an größere Vorbilder denken: nicht zuletzt an Kubricks „Uhrwerk Orange“ (fd 17 806), der Beethovens Neunte Symphonie ähnlich punktgenau bis in den Instrumenteinsatz mit Figurenbewegungen und Filmschnitt parallelisiert. Das Mädchen Chin, das sich im Nach-1997er-Hongkong als Zugereiste mit wenig Geld auch in einer prekären Übergangssituation befindet, Japanisch spricht und sich deshalb mit O verständigen kann, ist der Schlüssel zum Film. In dieser Figur kulminiert die durch die Vielfalt seiner Sprachen (neben Mandarin und Japanisch nimmt noch Englisch einen größeren Raum der Originaldialoge ein) und seiner – immer präzis bezeichneten, immer bedeutsamen – Orte aufgeworfene Mischung: Aus Diagnose einer auch metaphysischen Heimatlosigkeit aller Figuren, bei der man an die Helden des klassischen „Film Noir“ denken darf, und der Konstruktion eines neuen, transnationalen Raumes, einer ostasiatischen Gemeinsamkeit. Während Chins Verhältnis zu Tok relativ eindeutig scheint – er gesteht ihr schnell, womit er sein Geld verdient, erzählt von seiner Konkurrenz mit O und bringt ihr das Schießen bei –, verhält es sich mit der Beziehung zu O komplizierter. Er liebt Chin schon lange, hält aber Distanz und beobachtet sie, auch um sie zu schützen, nur per Fernrohr aus dem Fenster gegenüber. Man darf mit O rätseln, ob sie um diesen Beobachter weiß. Neben der eigentlichen Handlung besitzt der Film also mehrere Erzählebenen: Er spielt mit der Kinogeschichte von Hongkong, Hollywood und Europa, mischt verschiedene klassische, moderne und postmoderne Formen der Star-Inszenierung, ist ein Neo-Noir-Essay über die Einsamkeit der Metropolen und entwirft dabei das Panorama eines panasiatischen (Kino-)Gedankenraums. Wie „Das Fenster zum Hof“ und „Peeping Tom“ versucht er sich überdies an filmischen Überlegungen zu Wahrnehmung und Beobachtung. Am wichtigsten freilich ist der Film in seinem selbstreferenziellen Spiel mit dem Problem der Narration: „Jeder, der auf die Welt kommt, hat eine Rolle zu spielen.“ Dies gilt auch für die verschiedenen, einander abwechselnden Erzähler. Aber wie viel ist Wahrheit, wie viel Fälschung? „Does it really matter?“, fragt der Film so kess wie weise. Alles Erzählen ist Lüge – nicht oft wurde das so deutlich im Kino gesagt. So schenkt Johnnie To dem Zuschauer zum Abschluss seines brillant inszeniertes Mythenspiels verschiedene Versionen, ein offenes Buch ohne Ende. Ein schöner, visuell und intellektuell aufregender Film.
Kommentar verfassen

Kommentieren