„Ein Ring, sie zu knechten – sie alle zu finden/ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.“ Welch magischen Klang diese düstere Prophezeiung, die von Unterdrückung und Versklavung, Tod und Verderben kündet, auf Generationen von Tolkien-Fans ausübt, kann wohl nur der nachvollziehen, der den Roman kennt – jenes Fantasy-“Urgestein“ aus den 50er-Jahren, in dem sich die zahllosen Wesen und Landschaften, Legenden und Mythen von „Mittelerde“ vereinen und sich der Kosmos einer 3000-jährigen Geschichte voller Genealogien und eigentümlicher Sprachen (mit eigener Grammatik) auftut. Die Leser verbindet das Wissen um eine Welt, in die der Nichtlesende nie eindringen kann; für ihn bleiben die Hobbits nur irgendwelche Wichte, für ihn leuchten die Ländernamen Gondor und Mordor nicht, die Mienen von Moría sagen ihm so wenig wie die Brandywein-Brücke oder der „Gasthof zum tanzenden Pony“ in Bree. John Ronald Ruel Tolkien (1892-1973), tief (katholisch) religiöser, streng konservativer Philologie-Professor, führte quasi ein Doppelleben, als er nebenbei begann, sein mythologisches, ganz und gar fiktives Reich „Mittelerde“ zu erschaffen, verfasst in archaisierender Sprache, bevölkert mit fantastischen Rassen, pendelnd zwischen akribischem „Ethno-Fake“ und heftigen Kämpfen zwischen den Mächten des Lichts und der Dunkelheit. Vom literarischen Steinbruch „The Silmarillion“ über „Der kleine Hobbit“ (1937), dem wichtigen Prolog für „Der Herr der Ringe“, bis zum 1300 Seiten umfassenden Hauptwerk spannt sich eine in gigantischer Größe entwickelte Welt, die ihre literarischen Ursprünge vor allem in altnordischen Mythen und Sagen hat: Edda und finnische Kalewala, Nibelungen und Artus-Zyklus, Beowulf und Ossianische Dichtung standen ebenso Pate wie in der „Quest“, dem Motiv der Fahrt des duldenden Suchers Frodo Beutlin, die Irrfahrten des Odysseus und die Gralssuche Parzivals zu entdecken sind.
Viele schon scheiterten bei dem Versuch, Tolkiens Mythenwelt fürs Kino zu adaptieren; von Walt Disney in den späten 50er-Jahren über Stanley Kubrick bis John Boorman reichen die Namen der resignierten Ring-Sucher. Ralph Bakshi realisierte 1977 eine nicht reizlose, als Gesamtentwurf aber hoffnungslos misslungene Zeichentrickversion („Der Herr der Ringe“, fd 22 146), die immerhin nahe legte, dass man der Tolkienschen Welt vielleicht nur im Trickfilm nahe kommen kann. So dauerte es noch einmal fast 25 Jahre, bis die digitale Bildtechnik des Computerzeitalters ein Höchstmaß an neuen (Trick-)Möglichkeiten erlaubte und ein manischer Fan des Buches die Kraft aufbrachte, gleich das gesamte Romanwerk zu adaptieren. Der Neuseeländer Peter Jackson („Heavenly Creatures“, fd 31 127) drehte parallel die komplette Trilogie, von der nun der erste Teil ins Kino kommt; auf „Die Gefährten“ wird in einem Jahr „Die zwei Türme“ und wiederum ein Jahr später „Die Rückkehr des Königs“ folgen. Vermutlich wird man erst dann wirklich erfassen können, von welch gewaltigem erzählerischen Atem der insgesamt nahezu neunstündige Film getragen wird. „Die Gefährten“ wird man dann wohl auch eher als „Vorspiel“ betrachten, selbst wenn dieser Teil aus jetziger Sicht bereits ein Höchstmaß an spektakulären Effekten und Szenerien enthält, die man sich kaum als noch steigerungsfähig vorzustellen vermag. Es ist die Geschichte des Aufbruchs und der ersten Gefahren: Frodo Beutlin, ein in seiner Abenteuerlust etwas aus der Art geschlagener Vertreter des sanften Volkes der kleinen Hobbits aus dem Auenland, erhält von seinem Onkel Bilbo einen Ring, den der Zauberer Gandalf als „den Einen“ identifiziert: als jenen Ring, der vor 3000 Jahren von Sauron geschmiedet wurde, dem nach Mordor verbannten Bösen, das nun wieder an die Macht gelangen will und seine neun schwarzen Reiter aussendet, um den Ring zu suchen und seinen Träger zu töten. Während Gandalf auf bittere Weise erkennen muss, das selbst die gute Seite in Gestalt seines Lehrmeisters und Freundes Saruman bereits von der Macht des Bösen infiziert ist, verlässt Frodo mit seinen Hobbit-Freunden Sam, Pippin und Merry das Auenland. So wandert der Ring zunächst nach Bree, wo die Freunde den rätselhaften Waldläufer Streicher kennen lernen; dieser entpuppt sich als Aragorn, der an den Schwächen seiner menschlichen Rasse verzweifelte Königssohn und Thronfolger, der Frodo durch alle Gefahren ins Land der Elben begleitet. Dort versammelt sich nach eingehender Beratung und unter Führung Gandalfs ein kleiner Trupp aus Menschen, Elben, einem Zwerg und den vier Hobbits, die losziehen, um den Ring im Vulkanfeuer zu zerstören. Doch Sauron macht ihren Weg zu Qual, und Frodo, der als Einziger in der Lage ist, den Ring zu tragen, verzweifelt an der Last der für einen friedliebenden Hobbit kaum zu bewältigenden Aufgabe.
Die gefahrvolle Reise der Gefährten ist ein atemberaubendes, gigantisches visuelles Erlebnis, das nicht nur im Bereich des Fantasy-Kinos neue Maßstäbe setzt, indem Masken und Gesichter, Landschaften und Grotten, Innen- wie Außenansichten von höchster Fabulierfreude und -kunst geschaffen wurden. Man mag darüber lamentieren, dass die philosophische Tiefe des Romans (noch) nicht adäquat erfasst wurde; auch mag man bedauern, dass die akribisch, mit großer Poesie und Zärtlichkeit erfasste Annäherung an die verschiedenen Rassen und Völker weitgehend verloren gegangen ist. Doch Peter Jackson ist ein furioser Abenteuerfilm von ungewöhnlicher physischer Wucht gelungen, der in vielen Belangen dem Roman sehr nahe kommt. Die höllischen und grauenhaften Gefahren der Reise sowie der Bürde, die Frodo zu tragen hat, finden in der Kraft der Bilder eine nahezu sinnliche Entsprechung, und man spürt förmlich, wie der Schrecken, der sich bislang nur in der Fantasie des Lesenden in kaum noch zu steigernde Dimensionen hochschraubte, hier filmisch adäquat fixiert wird. Die dunklen Reiter bersten regelrecht in ihrer bedrohlichen Präsenz, die von den Orks bevölkerten Minen von Moría sind eine dramatische Tour de Force aus zahllosen Effekten; und schließlich die Erde selbst, die der weise Zauberer Saruman rund um seinen Turm aufreißen lässt, um in ihr eine gigantische Schmiede zu bauen, in der er Grauen erregende Krieger herstellt – das sind visuell höchst eindrucksvolle Momente prallsten Abenteuer- und Fantasiekinos. Auf der anderen Seite investiert Jackson nicht minder viel Raum und Zeit für das poetische Gegengewicht in der Fabel: Die grüne Idylle des Auenlandes ist eine von paradiesischer Harmonie geprägte Utopie, wobei die ins Gras geduckten Häuser einem architektonischen Gesamtentwurf von Charles Rennie Mackintosh entstammen könnten; der uralte, weißbärtige Zauberer Gandalf suggeriert alttestamentarische Größe, die sich aufs Liebenswürdigste in sanftem Humor bricht, wenn er mit einem Pfeifenrauch ein Segelschiff in die Luft bläst, das durch Bilbos Rauchring segelt; wenn die schöne Elbin Arwen die mächtigen Wasserfluten eines Flusses herbeizaubert, um die schwarzen Reiter zu vernichten, tauchen in den Schaumkronen die Köpfe weißer Pferde auf, was ebenso an die Bilderwelten eines Edward Burne-Jones oder William Morris erinnert wie die zarten Elbengestalten, die in ihrer porzellanhaften Zerbrechlichkeit ebenso rätselhaft wie traurig-schön geraten sind. Jackson findet ein erstaunlich präzises Maß für die visuell wie emotional exakt austarierte Konfrontation von „Gut“ und „Böse“; mit großer Emphase, ja Leidenschaft kreiert er dabei Tolkiens Landschaften wie Figuren, die im konkreten wie übertragenen Sinne Abgründe aufstoßen, die den Betrachter genussvoll schwindeln lassen können. Seinen emotionalen Höhepunkt findet der Film, nun mit Haut und Haar ein kampfgewaltiges Ritterepos, im pathetisch-ergreifenden Heldentod des Ritters Boromir, dem Abgesandten der Menschen aus Gondor, und dem Ende der Gemeinschaft. „Ich glaube kaum, dass wir sie wiedersehen“, sinniert Frodo, und wie im Roman antwortet ihm Sam: „Vielleicht doch noch, Herr Frodo. Vielleicht doch.“ Was für ein Cliffhanger für die weiteren Teile: Die Reise geht weiter!