Elf Jahre nach der Wende wird ein Strafgefangener in Berlin aus der Haft entlassen und findet sich in einer Stadt wieder, die sich von Grund auf verändert hat. Er macht sich auf die Suche nach einem Job und seiner Familie, wobei er sich nur mühsam an den neudeutschen Alltag herantastet. Brillanter Erstlingsfilm, der das Zusammentreffen von Ost und West mit einer gehörigen Portion Sarkasmus beschreibt, Diskriminierung oder Klischees aber meidet. Der überzeugende Hauptdarsteller trägt den Film auch über manche unnötigen Wendungen des Drehbuchs hinweg.
- Sehenswert ab 16.
Berlin is in Germany
Drama | Deutschland 2001 | 97 Minuten
Regie: Hannes Stöhr
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2001
- Produktionsfirma
- Luna-Film/ZDF/ORB/DFFB
- Regie
- Hannes Stöhr
- Buch
- Hannes Stöhr
- Kamera
- Florian Hoffmeister
- Musik
- Florian Appl
- Schnitt
- Anne Fabini
- Darsteller
- Jörg Schüttauf (Martin Schulz) · Julia Jäger (Manuela Schulz) · Robin Becker (Rokko Schulz) · Tom Jahn (Peter Pau) · Edita Malovcic (Ludmilla)
- Länge
- 97 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
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Heimkino
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Berlin, die Baustellenmetropole zwischen Ost und West – Erinnerung an das Gestern und für viele eine nicht immer faszinierend fremde Gegenwart. Martin Schulz kennt das alles nur aus dem Fernsehen. Zur Wendezeit als die kleinen Trabbis hupend durch die offene Mauer fuhren, saß er im Zuchthaus Brandenburg. Nach über elf Jahren Haft wird er jetzt entlassen, im wahrsten Sinne des Wortes blauäugig. Auf dem Weg in die neue Welt erhält er sein einstiges Eigentum: einen blauen DDR-Personalausweis, einen DDR-Führerschein und seine Geldbörse mit DDR-Geld – nutzlose Objekte aus einer längst vergangenen Zeit.
Der 36-Jährige findet sich in der neuen Hauptstadt kaum zurecht. Die Straßen haben ihre Namen und ihr Gesicht geändert, die Alltagsgegenstände vom Handy bis zum tückischen Fahrscheinautomaten verwirren ihn, doch mit unerschütterlicher Ruhe sucht er seinen Weg durch die neue Metropole. „Berlin is in Germany“ balanciert zwischen Sarkasmus und Menschlichkeit. Die ergraute Bewährungshelferin, die sich als künstlerisch ambitionierte Sozialarbeiterin entpuppt, Martins bizarre Schwierigkeiten bei der Jobsuche und schließlich die Suche nach seiner Familie.
„Berlin is in Germany“ hat ein elfjähriger Junge in sein Englischheft geschrieben. „My name is Rokko Schulz. I´m a boy from Berlin. Berlin is in Germany“. Rokko ist Martins Sohn und weiß es nicht einmal, denn Martin saß bei seiner Geburt schon im Knast. Seine Frau Manuela hat jetzt einen neuen Partner, der heißt Wolfgang und kommt daher, wo der Westen am westlichsten ist: aus dem Schwabenland.
Eine der schönsten Szenen ist der Zusammenprall von Ost und West am Zehlendorfer Küchentisch im Toskaner Landhausspiel. „Sagen sie mal, sie kommen doch aus dem Osten. Wie war das denn so?“, fragt die kultivierte Schwäbin mit freundlicher, kaum unterdrückter Sensationsgier den vom Chablis schon angetrunkenen Martin und der verhält sich, wie von ihm erwartet wird, lässt den proletarisch-trotzigen Regimekritiker heraushängen und rezitiert Geschichten vom Widerstand. Ost trifft West, der arbeitslose Knastbruder die neureichen Eigenheimbesitzer; ein Ambiente, das der gebührtige Allgäuer Hannes Stöhr in seinem brillanten Erstlingsfilm mit bösem Witz schildert. Die Konfrontation mit der Vergangenheit lässt auch die Gegenwart in einem neuen Licht erscheinen und zögernd setzt sich auch bei Manuela die Erkenntnis durch, das ein radikaler Bruch mit der (Ost-)Vergangenheit keine Lösung für die Zukunft ist.
Stöhrs Films zeigt eine tragikomische Odyssee: Im seinem Plattenbauviertel findet Martin seine alten Freunde auf neuen Wegen. Hausierergeschäfte und Alkohol stimmen den Alltag, und in der Nachbarschaft organisieren sich die Jugendlichen als Neonazis. Bei alledem vermeidet der Film Diskriminierung und apokalyptische Klischees, setzt immer wieder in kleinen Schritten die Solidarität der trostlosen Misere gegenüber; ohne falsche und sentimentale Zwischentöne. In diesem Kontext ist Martin ein Stehaufmännchen, eine Art Simplizissimus im verminten Neuland. Sein ehemaliger Mitgefangener Victor vermittelt ihm einen Job in einer Sexvideothek und prompt wird er Opfer einer Razzia, kommt auf die Fahndungsliste. Sein Wunsch, Taxifahrer zu werden, ist wegen seiner Vorstrafe unerfüllbar und als ehemaliger Häftling muss er sich im Westen mit ähnlichen Hindernissen herumschlagen wie im alten Osten. Jörg Schüttauf vermittelt diese Mischung aus Neugier und kindlicher Entschlossenheit so überzeugend, dass es besonders seine schauspielerische Leistung ist, die den Film trägt. So überzeugend, dass die Wendungen und Windungen des Drehbuchs, den Helden über eine mehr als gespenstische Rückblende als „unschuldigen Mörder“ darzustellen, der eigentlich „nur“ einen erpresserischen Blockwart im Affekt umgebracht hat überflüssig erscheinen, eher den Gesetzmässigkeiten des politisch korrekten Fernsehspiels als den Notwendigkeiten eines sonst stark berührenden Kinofilms geschuldet. „Berlin is in Germany“ lebt von einem sehr menschlichem Sarkasmus und gehört zu den menschlich ergreifendsten Filmen über Zusammenleben bzw. Zusammentreffen von Ost und West, über Abstürze und Umbrüche im neuen Deutschland.
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