Sie sind vor kaum mehr als 20 Jahren zu Ende gegangen: die Seventies. Aber für diejenigen, die sie nicht erlebt haben, müssen die 70er-Jahre, wie sie sich in zeitgenössischen Werken, in zahlreichen aktuellen Filmen, Fernsehsendungen oder anderen Medien darstellen, so weit weg erscheinen wie jede andere Epoche, aus der man ein Kostümdrama machen kann. Denjenigen, die sie miterlebt haben, geht es mitunter genauso. Cameron Crowe war damals ein Teenager und hatte die Zeit offensichtlich genossen. Seither befasst er sich in erster Linie mit dem, was sich damals als Jugendkultur heraus bildete. Den Ursprung haben seine Geschichten in einer Zeit, die noch keinen Turbokapitalismus, keine ironische Beliebigkeit und kein Aids kannte. Crowes Helden sind Idealisten, aber ihre Ideale sind persönlich und diesseitig: mal ist es jugendlicher Glaube an ein unbeschwertes Leben („Ich glaub’, ich steh im Wald“ fd 23 780, nur Buch), mal das Einzelgängertum und trotzdem die wahre Liebe („Singles - gemeinsam einsam“, fd 30 165), mal die Illusion, sich mittels Ehrlichkeit vom Kommerz unabhängig machen zu können („Jerry Maguire“, fd 32 405). Ähnliches schwingt auch in „Almost Famous“ mit, womit Crowe seine Verehrung für den Rock’n’Roll und dessen glamouröse Idole der 70er-Jahre offen zu erkennen gibt. Es geht um die Menschen, die die Musik machen und um jene, die sie verehren. Zu diesem Zweck erzählt Crowe seine eigene Geschichte: die eines minderjährigen Rockfans, der zum Rockjournalisten wird, der plötzlich mitten im Rockzirkus steht und doch außen vor bleibt.
William Miller ist 15, lebt in San Diego und will Rockkritiker werden. Dank seiner Hartnäckigkeit gerät er an eine Koryphäe dieser Branche: Lester Bangs. Dass der längst zum Zyniker geworden ist, weil er den Rock’n’Roll nie wirklich erlebt hat, merkt William nicht oder will es nicht merken und hört fortan auf dessen Ratschläge. Einmal versucht er erfolglos, Black Sabbath zu interviewen, gerät so aber an eine andere ihm bekannte Band namens Stillwater (eine Erfindung Crowes, eine der wenigen im Film). Er schafft es, vom berühmten Rockmagazin Rolling Stone einen Auftrag für ein Porträt der Band zu erhalten. Kurzerhand geht William mit Stillwater auf Amerika-Tournee, obwohl seine Mutter „diesen Langhaarigen“ misstraut, deren Sänger ihn „den Feind“ nennt und deren Gitarrist Russell sich den anderen Bandmitgliedern überlegen glaubt. Trotz einiger gemeinsamer Wochen findet William keinen rechten Anschluss. Aber vielleicht will er das auch gar nicht. Weder nach Drogen noch nach wildem Sex steht ihm der Sinn. Er ist schlicht ein fanatischer Liebhaber dieser ekstatischen Musik, die scheinbar alles über den Zustand der Welt aussagt. Damit steht er im Figurenensemble des Films ziemlich alleine da, allein mit Penny Lane, die sich nach dem Beatles-Song benannt hat: Russells Dauer-Groupie, das von diesem nur ausgenutzt wird. Es entwickelt sich dennoch eine eigentümliche Vertrautheit zwischen William, Russell und Penny, die schließlich von den wahren Verhältnissen eingeholt wird, spätestens, als der Artikel geschrieben werden soll.
Crowes Film ist wundervoll, weil er nichts beschönigt und trotzdem etwas von der Magie jener Zeit darin aufscheint; weil er von Anfang an keinen Hehl daraus macht, dass schon 1973 die große Zeit des Rock’n’Roll zu Ende ging und vom durchorganisierten Rockbusiness abgelöst wurde - verkörpert vom neuen, ehrgeizigen Manager der Band -, Crowe aber dennoch seine Geschichte mit Leichtigkeit und Witz erzählt. Hier war ganz offensichtlich jemand am Werk, der nicht nur das Geschäft kennt, sondern eben auch die Menschen, die sich darin bewegten und die um Anerkennung und Selbstverwirklichung rangen. Der junge William ist die ideale Figur für diese Art der Geschichtsschreibung, weil er wie Millionen seiner Zeitgenossen an das glaubt, was Bands wie Black Sabbath, Led Zeppelin, The Who oder auch Simon & Garfunkel singen - Idole jener Zeit, von denen einige auch auf dem Soundtrack vertreten sind, und das nicht einmal mit ihren Gassenhauern. Schon viele Journalisten und Filmemacher haben versucht, den Glauben an jene Zeit und ihre Ausdrucksform bis ins Mark zu erschüttern. Aber es gab ihn, genauso wie es die großartigen Songs gab und gibt: Das versucht Crowe zu zeigen. Die Inszenierung zeugt eher von einem Low-Budget-Projekt, was dem Vergnügen aber keinen Abbruch tut. Crowe legte durchaus Wert auf eine authentische Szenerie - Tourbus, Hotels, Backstagebereich -, allerdings ohne je zu viel des Guten zu tun. Wie 1973 eingefroren und heute wieder aufgetaut wirkt vor allem die Band Stillwater, die fantastisch besetzt ist mit der Art Typen, die damals herum lief und die für den Film von einem anderen Helden jener Zeit, Peter Frampton, in Musikdingen unterrichtet wurde. Allen voran Billy Crudup als Russell, der demnächst in seiner ersten großen Rolle als „Jesus’ Son“ zu sehen sein wird: ein schmächtiger, charismatischer Mann, der immer ein wenig ratlos in die Welt schaut. Großartig ist auch Frances McDormand als Williams Mutter, eine merkwürdige Person irgendwo zwischen ängstlich-spießig und hartgesotten-aufgeklärt. Philip Seymour Hoffman als Stubenhocker Lester Bangs stellt gleichsam ihr Pendant dar, den zum Spießer mutierten ehemaligen Rockliebhaber. Diesen Schuh haben sich zweifellos eine Menge Leute anzuziehen.