Modernisierte Verfilmung des Kinderbuch-Klassiker von Erich Kästner, der aktuelle (Familien-)Verhältnisse miteinbezieht. Die romantische Utopie des Romans wird von allzu dick aufgetragenen Turbulenzen allerdings in den Hintergrund gedrängt.
Bevor Erich Kästner seinen Roman beginnt, stellt er in einem „kleinen Bombardement“ die Personen vor und fragt, ob seine jungen Leser denn auch geschickt genug seien, sich aus den verschiedenen Elementen die Geschichte selbst zusammenzustellen. „Es ist eine Arbeit, als solltet ihr aus Bauklötzen, die man euch gibt, einen Bahnhof oder eine Kirche aufbauen; und ihr hättet keinen Bauplan, und kein Klötzchen dürfte übrig bleiben!“
Nun hat die Regisseurin Franziska Buch die Bauklötze aufgehoben und sich ihren eigenen Bauplan zurechtgelegt, um „Emil und die Detektive“ einerseits so zu erzählen, wie man die Geschichte aus dem Romanklassiker und dessen Verfilmungen kennt, andererseits aber auch Modernisierungen vorzunehmen, die der aktuellen Erlebniswelt von Kindern und ihrem heutigen Verständnis von Spannung und Unterhaltung entgegen kommen.
So lebt der 12-jährige Emil nun mit seinem allein erziehenden Vater in einer ostdeutschen Kleinstadt an der Ostsee, während die Mutter Geld aus Kanada schickt, wo sie sich eine neue Existenz aufzubauen versucht. Das Geld kommt in Emils „Zukunftskasse“, obwohl es der arbeitslose Vater Knut gut für sich und seinen geliebten Sohn gebrauchen könnte.
Doch dann findet er dank der Hilfe von Emil einen Job als Vertreter, verursacht in seiner Freude darüber aber einen Autounfall, der ihn mit Gipsbein ins Krankenhaus bringt und den Führerschein kostet. Emil soll deshalb vorübergehend nach Berlin, zur Pastorin Hummel und deren Sohn Gustav; da man in Berlin für Geld alles besorgen kann, nimmt Emil die 1500 Mark aus der „Zukunftskasse“ mit, um seinem Vater einen neuen Führerschein zu kaufen. Prompt begegnet er im Zug dem Gauner Max Grundeis, der ihm per Handy einen Termin mit Passfälschern arrangiert, dann aber das Geld stiehlt, weshalb Emil im großen Berlin auf Verbrecherjagd gehen muss.
Betont „cool“ und „gut drauf“
Gustav hat keine Hupe mehr, Emil keine Großmutter, das namenlose Hotel am Nollendorfplatz ist das mondäne „Adlon“, und Boss der Berliner Kinderbande, die Emil bei der Beschattung von Max Grundeis hilft, ist ein Mädchen: Pony Hütchen als aufgewecktes, selbstbewusstes „Kind der neuen Berlin Straßen“ wurde gegenüber dem Roman aufgewertet und ist nun gar der heimliche Star, der mit einem Rapp-Song die Kids vorstellt, die ihm Refrain forsch betonen, wie „cool“ und „gut drauf“ sie seien. Irgendwo unterm Potsdamer Platz haben sie in den Katakomben ihr Geheimquartier, wo sie Strategien unter dem Codewort „Parole Emil!“ austüfteln.
Ebenfalls neu gegenüber der Vorlage von Kästner ist der pfiffige Gypsy, der von hier aus losgeschickt wird, um an Emils Stelle bei Gustav und seiner arg zerstreuten, aber herzensguten Mutter einzuziehen, was für manche heitere Turbulenz sorgt.
Franziska Buch legte Wert darauf, dass alle Kinder ein knapp, aber pointiert konturiertes soziales Umfeld erhalten, wobei vor allem die familiären Verhältnisse mit ihren diversen Defiziten herausgestellt werden. Nirgends taucht hier eine „klassische“ Kleinfamilie auf, und wenn, dann wird darin so heftig gestritten, dass den Kinder nur noch der heimliche Wunsch nach Geborgenheit und Zusammenhalt in der Freundesclique bleibt.
Munteres Spiel mit den „Bauklötzchen“
So redlich diese Akzentsetzung ist, so deutlich bleibt sie als ein „Bauklotz“ in einem vielen Zwecken dienenden filmischen Bauplan erkennbar, der wie ein betont munteres, aber überladenes und seltsam unkonzentriertes Patchwork daherkommt. Kein Element wird wirklich vertieft; sprunghaft geht es von einem Handlungspunkt zum nächsten, wobei Kästners Vorgaben mit Gags (Pünktchens frappanter Auftritt im Hotel), flotten Sprüchen und überraschend handfesten Krimi- und Gangsterszenen (Grundeis als Schmuckdieb und Entführer, die brutalen Passfälscher) zur filmischen Nummernrevue ausgebaut werden. Die dem Roman innewohnende romantische Utopie versandet in dick aufgetragener äußerer Turbulenz, wofür bezeichnend ist, dass die Relevanz der abschließenden „Kinderpredigt“ zum Thema Gerechtigkeit gegenüber Kindern in der Hektik der parallel montierten Gaunerjagd nahezu untergeht.
Letztlich hat sich Franziska Buch wohl zu sehr an Kästners Vorgabe gehalten, dass kein Klötzchen beim Bauen übrig bleiben dürfe. Doch auch wenn sie zu viel gewollt hat, ist nicht zu übersehen, dass viele der Elemente, mit denen sie jongliert, durchaus attraktiv sind; vor allem die Spielfreude der Darsteller ist beachtlich und entschädigt für manche wacklige Konstruktion. Auch wächst einem Pony Hütchens Begeisterung ans Herz, sodass man ihr zustimmen kann, wenn sie ruft: „Das ist ja besser als in der Glotze!“.