- | Schweden 2000 | 106 Minuten

Regie: Lukas Moodysson

Der Alltag in einer schwedischen Kommune am Stadtrand von Stockholm in den 70er-Jahren. Der Film nimmt die Perspektive von drei Neuankömmlingen ein, einer Frau mit ihren beiden Kindern, die mit einer ihnen zunächst fremden Welt- und Lebensauffassung konfrontiert werden. Sensibel inszeniert, überzeugt die sanft-raffinierte Komödie vor allem in der Gestaltung der Kinderrollen. Dabei gibt der Film nicht vor, die vielfältigen politischen und menschlichen Probleme seiner Protagonisten lösen zu können, sondern begnügt sich mit einer sehr menschlichen, unaufdringlichen Annäherung. (Videotitel: "Zusammen! Together!") - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
TILLSAMMANS
Produktionsland
Schweden
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Memfis/Zentropa Entertainments/Film i Väst/SVT Drama/Keyfilms Roma/Nordic Film- und TV-fund/Svenska Film Institutet/Danish Film Institute/TV1000
Regie
Lukas Moodysson
Buch
Lukas Moodysson
Kamera
Ulf Brantås
Schnitt
Michal Leszczylowski · Fredrik Abrahamsen
Darsteller
Lisa Lindgren (Elisabeth) · Michael Nyqvist (Rolf) · Gustaf Hammarsten (Göran) · Anja Lundqvist (Lena) · Jessica Liedberg (Anna)
Länge
106 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
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Verleih DVD
EuroVideo
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Diskussion
„Franco ist tot, Franco ist tot!“ Man singt, lacht, prostet einander zu, eine Gruppe junger Menschen feiert den Tod des alten Diktators. Nach nur wenigen Sekunden in Lukas Moodyssons Film sind Zeit und Ort der Handlung geklärt: Man befindet sich im November 1975 im schwedischen Stockholm, genauer gesagt im Kollektiv „Zusammen“. Schnell merkt man, dass hier über alles diskutiert wird, auch darüber, ob Spülen „bourgeois“ sei oder Pippi Langstrumpf eine Kapitalistin. Gelegentlich läuft man hier ohne Hose durch die Wohnung, ansonsten ist die Welt nicht weniger wohl geordnet als jene andere, gegen die man seit den 60er-Jahren in den Gesellschaften des Westens rebellierte. In seinem zweiten Spielfilm nach „Raus aus Amal“ (fd 33 978) befasst sich der schwedische Regisseur mit den alltäglichen Folgen und Ausläufern der Revolte von 1968. Eine – fast ein bisschen zu - repräsentative Gruppe wohnt in dieser Kommune am Stadtrand der schwedischen Hauptstadt: das Paar Göran und Lena, die eine „offene Beziehung“ führt, Anna und Lasse, die zwar getrennt sind, aber schon um des gemeinsamen Kindes Tet (benannt nach der Tet-Offensive der Vietnamesen gegen die USA) weiter unter einem Dach leben. Während Lasse zu Anna zurück will, hat sie kürzlich ihre lesbische Sexualität „entdeckt“ und festgestellt, dass sie „keine Männer mehr braucht“. Dann gibt es noch ein weiteres, bereits ökologisch angehauchtes Paar, einen Akademiker, der Mitglied einer marxistisch-leninistischen Splittergruppe ist und als Stahlarbeiter in einer Fabrik jobbt, um „die Arbeiter zur Revolution anzuleiten“. Schließlich Klas, als bekennender Homosexueller auch hier in einer Outsider-Stellung, zudem verliebt in den heterosexuellen Lasse. In dieses komplexe soziale Geflecht kommt zusätzliche Bewegung, als eines Tages Görans Schwester Elisabeth mit ihren kleinen Kindern Eva und Stefan in das Kollektiv einzieht. Die bisher angepasste Hausfrau hat ihren Mann verlassen, und entdeckt nun eine völlig neue Welt. Moodysson erzählt seine Geschichte aus dem Blickwinkel dieser Neuankömmlinge. Vor allem staunend, mit einer Mischung aus Faszination und Interesse, Unverständnis und Abwehr, ironischer Distanz und plötzlichem Beteiligtsein erlebt man ein Lebensgefühl, das heute zunächst fremd und vergangen wirkt, zugleich eigene nostalgische Erinnerungen wachruft, und sich im Verlauf des Films als seltsam vertraut entpuppt. Zunächst streift der Blick über die Oberfläche: Man sieht Poster, Konsumgegenstände, erinnert sich, dass es einmal eine Zeit ohne Computer und CD-Player gab, in der Kinder nicht mit Kriegsspielzeug spielen sollten und darüber diskutiert wurde, ob Fernsehen nicht bürgerliche Ideologie sei. Längst vergessene Musik ist zu hören, und auch in deren Auswahl zeigt sich das genaue geschmackliche Gespür eines Regisseurs, der über die Vorliebe für bestimmte Schallplatten auch feinere Haarrisse in den Beziehungen der Menschen, die Individualität im scheinbar so geschlossen Kollektiv sichtbar macht. Denn mit dem Blick eines Ethnografen des Alltags führt eine zurückhaltende, mitunter fast dokumentarische Handkamera den Zuschauer Schritt für Schritt hinter die Oberfläche des Scheins, macht Strukturen und Rituale als solche sichtbar, entlarvt Lebenslügen und zeigt so, dass die Wirklichkeit des Zusammenlebens der Kommune längst nicht immer deren sozialrebellischem Selbstverständnis einer Verwirklichung des „anderen Lebens“ entspricht. Gewiss ließe sich Moodysson vorwerfen, dass er manches altbackene 68er-Klischee ein weiteres Mal aufwärmt, dass er lieber einen Gag zu viel erzählt als auf einen guten Witz zu verzichten. Doch bei allen komödiantischen Elementen, trotz mancher – und filmisch immer zu rechtfertigender Übertreibungen - werden die Figuren und ihre Anliegen niemals denunziert. Moodysson überprüft eine Weltanschauung, konfrontiert das Ideal mit der Lebenswirklichkeit, aber ohne mit einem von beiden allzu scharf ins Gericht zu gehen. Im Zweifel dominieren Toleranz, Nachsicht und das Gefühl für die Würde der einzelnen Charaktere. Wirklich Partei ergreift der Regisseur nur für die Kinder. Wie schon in „Raus aus Amal“ erweist sich Moodysson auch in „Zusammen!“ als ein Filmautor mit besonderem Gespür für die Führung junger Akteure und für das Darstellen jugendlicher Innenansichten. Sie allein nimmt er ganz ernst, und ihnen gegenüber erscheinen die sonderbaren Spiele der Erwachsenen – ähnlich wie in Ang Lees „Der Eissturm“ (fd 32 888) - manchmal wie ein Albtraum. Zu den schönsten und eindringlichsten Passagen gehören die Episoden, in denen der zehnjährige Stefan seinen Vater sucht oder sich mit dem ganz anders erzogenen Tet anfreundet, und beide gemeinsam – „Tauschen wir, ich will Pinochet sein“ – Folter spielen; ebenso jene, in denen die 13-jährige Eva zunächst unter den Zuständen in ihrem neuen Zuhause bitter leidet - weil es hier ist „wie in ‘Die Kinder von Bullerbü’: die Leute denken von allem das Gegenteil“. Später verliebt sie sich in den Sohn der spießigen Nachbarsfamilie. Die gelegentliche Sicht auf dessen Eltern bildet den Kontrast zum „Kollektiv“. Sie erinnert nachdrücklich daran, wogegen die Linke auch in den 70er-Jahren noch rebellieren musste. Bei allen klugen Beobachtungen ist „Zusammen!“ aber weniger eine strenge Analyse mit dem Anspruch, letztgültige Wahrheiten zu vermitteln, als eine sanft-raffinierte Komödie. Am Ende lässt sich der Film als sehr zeitgemäßes Plädoyer für individuelle Selbstfindung und gegen übertriebene Angepasstheit lesen. Nie wirkt diese Geschichte einer sehr menschlichen, unaufdringlichen Annährung dabei aufgesetzt, nie gibt sie vor, dass plötzlich alle Probleme gelöst seien.
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