Ein ehemaliger Geheimdiplomat wandelt nach vier Jahrzehnten in Tanger, dem Tor zu Afrika, auf den Spuren seiner Vergangenheit und erinnert sich an seine damalige Geliebte, die im Jahr der Unabhängigkeit (1956) ums Leben kam. Dabei entsteht das Porträt der Stadt, die in der Vergangenheit ein Eldorado für Spekulanten und Hasardeure war und Künstler und Aussteiger magisch anzog. Interviews mit Zeitzeugen, historisches Filmmaterial und Bilder von heute verdichten sich zu einem semidokumentarischen Film, der der Vergangenheit der Stadt nachspürt, ihre Gegenwart reflektiert und versucht, ihren eigentümlichen Reiz zu erklären, ohne ihre eigentliche Faszination festmachen zu können.
Tanger - Die Legende einer Stadt
Dokumentarfilm | Deutschland/Frankreich/USA 1998 | 96 Minuten
Regie: Peter Goedel
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland/Frankreich/USA
- Produktionsjahr
- 1998
- Produktionsfirma
- Peter Goedel Film/Winkelmann Filmprod./Paladin Films/Accolade Pictures/BR/SWR/WDR
- Regie
- Peter Goedel
- Buch
- Alfred Hackensberger · Roberto de Hollanda · Peter Goedel
- Kamera
- Ulrich Jaenchen
- Musik
- Khalil Chahine
- Schnitt
- Agape von Dorstewitz
- Darsteller
- Armin Mueller-Stahl (Geheimdiplomat Hanson) · Lisa Martino (Marie Levant) · Martin Kluge (Hanson als junger Mann) · Ulrich Klaus Günther (William S. Burroughs) · Mohammed Mrabet (Geschichtenerzähler)
- Länge
- 96 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12 (Video)
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Tanger, die marokkanische Stadt am Meer, galt vor einem halben Jahrhundert als exotisches Eldorado. In dieser „Internationalen Zone“ traf man auf Aussteiger, Literaten, Millionäre, Müßiggänger und Exzentriker, die oft wenig menschliches Interesse an Land und Leuten zeigten. Peter Goedels ungewöhnliche Semi-Dokumentation führt in das Jahr zurück, das Marokko die Unabhängigkeit brachte, um von dort aus einen Blick auf das Tanger der Gegenwart zu werfen und zugleich die Protektoratszeit vor 1956 zu beleuchten. Aus dem Off liest die damals 22-jährige Marie Levant ihre Briefe an einen jungen Mann, der wegen geheimer Aktionen verhaftet, verhört und des Landes verwiesen wurde. Sie selbst steht im Juni 1956 kurz vor der Abreise, findet aber bei Unruhen am Strand den Tod. Der junge Mann ist inzwischen 40 Jahre älter und nach Tanger gereist. Die Erinnerung (oder das schlechte Gewissen, die Freundin einst über seine Untergrundtätigkeit im Unklaren gelassen zu haben?) schickt ihn an die Stätten der Vergangenheit zurück, woran er schließlich zerbricht. In Goedels Film überlappen sich die Zeit- und Darstellungsebenen, vermischt sich die Fiktion mit dem Charakter des nüchternen Berichts. Das ist geschickt, weil der schillernde Erdenwinkel Tanger so in seiner seltsamen Ambivalenz erscheint: als mit Bordellen und Bars gespickter exotischer Anziehungspunkt, an dem Nationalitäten und Religionen auf einem politischen Pulverfass scheinbar koexistierten. Die Dokumentaraufnahmen von gestern und heute bringen eine Traumstadt genauso auf den Boden der Realität zurück wie die Interviews mit einheimischen und eingewanderten Zeitzeugen, unter ihnen der Schriftsteller Paul Bowles. In Wahrheit fand wohl niemand den Himmel auf Erden, was auch Armin Mueller-Stahls (fast wortlose) Erinnerungspromenade zeigt, die zum Leitmotiv und emotionalen Aufhänger wird. Bereits in den ersten Filmminuten schildert der Märchenerzähler Mohammed Mrabet ein Gleichnis vom Reichen, der das Glück in einem Kästchen kaufte. Als er es jedoch öffnete, flog das Glück davon. Ähnlich verfliegt Tangers Faszination, die der Film eben auch einfangen will, sich aber nur überträgt, wenn man der Stadt ohnehin schon erlegen ist. Die dokumentarische Plattform schafft eine Distanz, die eher das Gefühl der Fremdheit Nordafrikas bestärkt. Bernardo Bertoluccis zeichenhafte Verfilmung des Bowles-Romans „Himmel über der Wüste“ (fd 28 604) wirkt denn doch unwiderstehlicher.
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