Die nur auf den ersten Blick private Annäherung an Michael T. Kalashnikov, der während des Zweiten Weltkriegs das nach ihm benannte Sturmgewehr konstruierte, verdichtet sich zu einem komplexen Dokumentarfilm, der den Siegeszug jener Waffe beschreibt, die heute noch in allen Krisenregionen der Welt zum Einsatz kommt. Ein ebenso erschreckender wie nüchterner Bericht über das Lebenswerk eines 80-Jährigen, der mit einer geringen Rente auskommen muss und seine Erfindung in Zweifel zieht.
Automat Kalashnikov
- | Deutschland 2000 | 90 Minuten
Regie: Axel Engstfeld
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2000
- Produktionsfirma
- Engstfeld Filmprod./D-Netwirj/Kalamazoo International/Adi Mayer Film/WDR/arte/ORF
- Regie
- Axel Engstfeld · Herbert Habersack
- Buch
- Axel Engstfeld · Herbert Habersack
- Kamera
- Wolfgang Thaler · Bernd Mosblech · Hans Jakobi
- Musik
- Hans Günther Wagener
- Schnitt
- Jean-Marc Lesguillons
Diskussion
Seit Ende des Zweiten Weltkriegs hat sie ihren blutigen Siegeszug im wahrsten Sinne des Wortes angetreten: die AK-47, bekannter unter dem Namen seines Konstrukteurs, die „Kalashnikov“. Noch heute ist das Sturmgewehr von keinem Krisenherd der Welt fortzudenken. Einfach zu handhaben, robust, fast unverwüstlich, von ungeheurer Durchschlagskraft und preiswert, kommt es überall dort zum Einsatz, wo man diese Eigenschaften schätzt. Und dies ist nicht nur in anerkannten Krisengebieten der Fall; die Waffe findet ihre Abnehmer auch bei den Straßengangs von Los Angeles, die deren Effektivität schätzen und mit ihr der unterarmierten Polizei das Fürchten lehren. Herbert Habersack und Axel Engstfeld („Antarctica Projekt“, fd 27 941) machten sich auf die Spuren von Michael T. Kalashnikov, der als einfacher Unteroffizier die Waffe während des Zweiten Weltkriegs quasi im Alleingang konstruierte. Der nunmehr 80-Jährige lebt heute noch in der ehemals „verbotenen“ Rüstungsstadt Ishewsk am Ural und gibt Auskunft über sein Leben als Patriot, das gewiss nicht viel Anlass zum Patriotismus gegeben hat. Im Zuge der ersten stalinistischen Säuberungswelle wurde seine Familie Anfang der 30er-Jahre nach Sibirien deportiert, den Krieg überlebte er mehr schlecht als recht, heute muss der Vorzeigeheld mit umgerechnet 70 Mark Rente im Monat auskommen. Die Anerkennung seines Patents -immerhin machen 70 Mio. Exemplare der Waffe die Welt nicht eben sicherer - ist abgelehnt worden. So setzt sich aus präziser Beobachtung und Interviews, aus Dokumentarfilmmaterial und Erinnerung das Bild eines Menschen zusammen, der seine Enttäuschung nicht verhehlen kann, der aber seine Heimat dennoch liebt, auch wenn in vielen Äußerungen die leise Traurigkeit mit schwingt, dass er seinen Ruhm ausgerechnet einer Waffe verdankt.
Wer Engstfelds Filme kennt, der weiß, dass sein Interesse nicht ausschließlich der porträtierten Person gilt, sondern dass es ihm um Zusammenhänge geht. So haben er und Habersack vier Jahre an diesem Film gearbeitet und Filmmaterial aus drei Kontinenten (Europa, Amerika, Asien) und fünf Jahrzehnten zusammengetragen, um nicht nur ein Gesicht zu präsentierten, sondern um zu dokumentieren, wie die Erfindung Kalashnikovs auf die Welt eingewirkt hat. Dabei tun sich absurde Zusammenhänge auf, etwa wenn deutlich wird, dass Shad Massuds Rebellen in Afghanistan die russischen Truppen mit AK-47-Gewehren bekämpften, dessen Truppen heute wiederum von Taliban-Milizien mit Salven aus Kalashnikovs unter Beschuss genommen werden. Von trauriger Überzeugungskraft sind ebenso Statements über die Gefechtswirkung der Waffe, die, anders als das amerikanische M16, im Körper des Feindes keine Sprengwirkung entwickelt, sondern effiziente Verwundete schafft, weil ein stark verletzter Feind im Gegensatz zu einem Toten ein guter Verbündeter ist, der zwei Kameraden mit seiner Rettung bindet. Dies sagt freilich nicht der introvertierte Kalashnikov, sondern ein US-Offizier, der seine Vietnam-Erfahrungen reflektiert. Der Dokumentarfilm versucht, sein garstiges Umfeld induktiv in den Griff zu bekommen, wobei auch der Schusswaffenmissbrauch in den USA thematisiert wird. In einer Szene schießen die beiden Autoren vielleicht übers Ziel hinaus: Da wird auf einem Polizei-Video ein Gangster gezeigt, der in dicker Panzerung auf offener Straße sein Terror-Handwerk ausübt. Er wusste wahrscheinlich nicht, dass sich in Ausnahmefällen auch die US-Polizei mit panzerbrechenden Waffen ausrüsten darf - der Tod vor laufender Kamera. Eigentlich aber ist dieses Bild auch nicht obszöner als der Horror der Abendnachrichten, und er schmälert die Leistung und Aufklärungsarbeit von Engstfeld/Habersack nicht. Sie stellen mit ihrem Dokumentarfilm einmal mehr unter Beweis, dass das wirkliche Leben weitaus Interessanteres zu bieten hat als die konformen Unterhaltungsformate, die das stets Gleiche in Endlosschleife reproduzieren. Sie demonstrieren aber auch, dass es einer präzisen Beobachtungsgabe bedarf, um den Geschichten ihre Hintergründigkeit zu entlocken.
Die nur auf den ersten Blick private Annäherung an Michael T. Kalashnikov, der während des Zweiten Weltkriegs das nach ihm benannte Sturmgewehr konstruierte, verdichtet sich zu einem komplexen Dokumentarfilm, der den Siegeszug jener Waffe beschreibt, die heute noch in allen Krisenregionen der Welt zum Einsatz kommt. Ein ebenso erschreckender wie nüchterner Bericht über das Lebenswerk eines 80-Jährigen, der mit einer geringen Rente auskommen muss und seine Erfindung in Zweifel zieht.
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