Die abgetrennte Hand einer von ihrem eifersüchtigen Ehemann zerstückelten Frau wird in einem kleinen Ort in New Mexiko zur wundertätigen Reliquie. Sie ruft nicht nur den geschäftstüchtigen Klerus auf den Plan, sondern wirbelt auch das Leben in dem verschlafenen Nest gehörig durcheinander. Eine schrille Komödie voller blasphemischer Spitzen, die selten die Niederungen der Klamotte verlässt. Ihr Reiz liegt allenfalls in der Besetzung, die bis in die kleinsten Nebenrollen mit Überraschungen aufwartet. (Videotitel: "Picking up the Pieces - Ein Stück vom Himmel")
Ich hab' doch nur meine Frau zerlegt
Komödie | USA 2000 | 95 Minuten
Regie: Alfonso Arau
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Filmdaten
- Originaltitel
- PICKING UP THE PIECES
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2000
- Produktionsfirma
- Comala/Kushner-Locke/Ostensible
- Regie
- Alfonso Arau
- Buch
- Bill Wilson
- Kamera
- Vittorio Storaro
- Musik
- Ruy Folguera
- Schnitt
- Michael R. Miller
- Darsteller
- Woody Allen (Tex) · Sharon Stone (Candy) · David Schwimmer (Pater Leo Jerome) · Kiefer Sutherland (Officer Bobo) · Cheech Marin (Bürgermeister Machado)
- Länge
- 95 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16; f
- Genre
- Komödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Woody Allen mit Cowboyhut in Texas: Auf ungeahnte Weise erweitert hier der „New York“-Schauspieler schlechthin sein darstellerisches Spektrum und bleibt doch der arme, gehetzt wirkende Verlierertyp. Und wie immer ist er unschuldig an allem, was ihm zustößt. Dass es da einen Polizisten gibt, der ihn unbedingt verhaften will, „nur“ weil er seine Frau zerlegt hat, leuchtet ihm nicht ein. Schließlich hat ihn diese die ganze Zeit betrogen und beschimpft, was sollte er da anderes tun? Genauso wenig kann er dafür, dass er auf dem Weg zur eigenmächtigen Beerdigung in naturgemäß kleinem Kreis eine Hand der Ehefrau auf der Straße in New Mexiko verliert. Eine blinde Frau findet diese Hand – und kann im nächsten Moment sehen. Als sie in ihr Dorf El Niño zurück kehrt, verbreitet sich die Kunde vom Wunder zuerst unter all den Lahmen und Benachteiligten des Dorfes und danach in ganz New Mexico. Schon bald verwandelt die wunderheilende Hand mit dem türkisfarbenen Nagellack und der erstarrten obszönen Geste El Niño in eine blühende Pilgerstätte. Der junge Padre des Ortes sieht dem einträglichen Treiben allerdings unwillig zu, nicht zuletzt, weil er andere Sorgen hat: seine Geliebte, die hübscheste Hure von El Niño, hat ernste Absichten, will ihn aber nicht dabei berücksichtigen. Von der Karriere der verlorenen Hand erfährt Woody alias Tex nur durch Zufall, und sofort macht er sich auf den Weg, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Der übel meinende Polizist aber ist ihm auf den Fersen.
Kinogeschichten über den Zirkus, den echte und falsche Wunder auslösen können, gibt es zahllose. Auch Regisseur Alfonso Arau ist damit bereits in Kontakt gekommen, als er in Alejandro Jodorowskys „El Topo“ (fd 19 278) mitgespielt hat. Araus mexikanischer Landsmann nutzte in seinen Filmen den Katholizismus für einige höchst absonderlich-schreckliche Geschichten; Arau selbst geht die Sache mehr als Satire an. Was genau aber das Objekt seiner Beobachtungen ist, bleibt unklar. Sicher ist: Mit dem Glauben ist es nicht weit her in El Niño. Die Bewohner bilden ein lustiges Völkchen, das gut ohne christliche Tugenden auskommt, dem das christliche Wunder aber allerlei Annehmlichkeiten bietet – und sobald es das nicht mehr tut, wird die Kirche zertrümmert. Glauben und Geschäftstüchtigkeit schließen einander aus oder haben allzu viel miteinander zu tun, wie schon bei Don Camillo und Peppone. Wenn der Film die Geschäftemacherei im Namen Gottes entlarvt, entwickelt er allerdings manchmal einen Beigeschmack von scheinheiliger Entrüstung. Bemerkenswert, besonders im Hinblick auf die mexikanische Herkunft Araus, ist der Hang des Regisseurs zur Blasphemie beziehungsweise ihrer Darstellung: dass die Wunderhand ausgerechnet von einer Hure stammt, oder dass, wie der „Poet“ des Dorfes zur E-Gitarre schmettert, auch Maria Magdalena eine Hure gewesen sei, was nicht heiße, dass Jesus ein Zuhälter war, oder dass, laut einer Äußerung des Bürgermeisters, die Kreuzigung Christi doch Voraussetzung für „das alles hier“, das Christentum also, gewesen sei und insofern für die Todesstrafe spreche. Bei dieser Art Humor, der die Grenze zur Klamotte nicht selten überschreitet, liegt es nahe, dass das kirchliche Tribunal, das die Echtheit des Wunders prüfen soll, aus einem Volldeppen besteht, einer hysterischen Zicke und einem perfiden Satansbraten, den Elliot Gould spielt. Überhaupt ist die Besetzung das eigentliche Wunder des Films: In der kleinen Rolle als Leiche, die manchmal als Geist erscheint, taucht Sharon Stone auf und zelebriert lustvoll Billigkeit; als Redneck-Polizist ist ein grimmiger Kiefer Sutherland zu sehen, und in noch weit kleineren Nebenrollen spielen Lou Diamond Phillips sowie Alfonso Arau selbst. Mit „Bittersüße Schokolade“ (fd 30 399), seinem ersten internationalen Erfolg, hatte Arau ein lupenreines, dabei eigenwilliges und sinnliches Melodram gedreht. Schon die folgende Arbeit „Dem Himmel so nah“ (fd 31 575) wirkte zäh und gewollt. Diesmal sollte es offenbar wieder etwas Leichteres sein. Aber abgesehen vom gelungenen Besetzungscoup, einer Hand voll hübscher kleiner Gags der etwas subtileren Art und einigen stimmungsvollen Bildern von Vittorio Storaro bleibt davon wenig haften.
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