Dokumentarfilm über den Versuch Südafrikas, seine rassistische Vergangenheit durch eine Wahrheitskommission aufzuarbeiten, die Amnestie gewährt, wenn die Täter alle Umstände ihrer Taten aufzeigen. Die "Truth & Reconciliation Commission", von Erzbischof Tutu geleitet, stellt Täter und Angehörige der Opfer einander gegenüber. Manche der Täter bereuen, und manche der Angehörigen können verzeihen, andere vermögen dies nicht. Der Film beobachtet die Betroffenen kommentarlos in Einzelgesprächen und vor der Kommission, schildert die ans Licht kommenden Taten, zeigt Zusammenhänge auf und enthüllt sehr plastisch die hasserfüllte Spaltung einer Nation, die versucht, wieder zusammenzufinden. (O.m.d.U.)
- Sehenswert.
Long Night's Journey Into Day
Dokumentarfilm | USA 2000 | 94 Minuten
Regie: Frances Reid
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Filmdaten
- Originaltitel
- LONG NIGHT'S JOURNEY INTO DAY - SOUTH AFRICA'S SEARCH FOR TRUTH & RECONCILIATION
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2000
- Produktionsfirma
- Iris Films
- Regie
- Frances Reid · Deborah Hoffmann
- Kamera
- Ezra Jwili
- Musik
- Lebo M.
- Schnitt
- Deborah Hoffmann · Kim Roberts
- Länge
- 94 Minuten
- Kinostart
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- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Sie verstehe es selbst nicht, dass diese Leute nicht einfach auf die Mörder losgehen, sagt eine weiße südafrikanische Journalistin, deren Vater einst ebenfalls Opfer des Apartheid-Regimes wurde. Die Begierde nach Wahrheit, nach Aufklärung scheint größer zu sein als der Rachegedanke. Da sitzen Mütter nur wenige Meter von den Männern entfernt, die einst ihre Söhne kaltblütig umgebracht haben und hören ihren Aussagen zu, meistens fast regungslos. Es sind schwarze Angehörige, aber auch weiße, die hier beieinander sitzen, denn beide Seiten sind während der Apartheid zu Tätern und zu Opfern geworden. Nach dem Ende des rassistischen Regimes hat sich in Südafrika eine Art Wahrheitskommittee gegründet, die „Truth & Reconciliation Commission“ (TRC). Die TRC soll einen Kompromiss finden zwischen den Forderungen der ehemaligen Apartheid-Unterstützer nach Amnestie und denen der Opfer nach Gerechtigkeit und nach Offenlegung aller Taten und Täter. Der Deal ist: Wahrheit gegen Freiheit - ein höchst seltener Fall von Vergangenheitsbewältigung nach dem Ende einer Diktatur. Die Wahrheit diene dem Heilen von Wunden, drückt es der Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu aus, der der TRC vorsitzt. Ob dieses Vorgehen der richtige Weg ist, wird im Film durchaus diskutiert, zumal hier Mörder auf Amnestie hoffen dürfen. Aber immer wieder nennen Beteiligte das Gegenbeispiel des Rassismus in Nazideutschland, für den zwar einige Schuldige bestraft worden sind, der aber nie zwischen den betroffenen Gruppen aufgearbeitet wurde. Der Film zeigt die sehr ernsthaften Bemühungen der Südafrikaner, die tabuisierten Verbrechen der Vergangenheit ans Tageslicht zu bringen: vier Fälle, in denen Mörder sowie Angehörige der Opfer, TRC-Mitglieder und Journalisten zu Wort kommen und eben auch aufeinander treffen.Es handelt sich um Vorkommnisse aus den 80er-Jahren, als der ANC immer stärker wurde und mit ihm die staatliche Gegengewalt. Die Fälle werden nacheinander vorgestellt, aber auch ineinander verschachtelt, um thematische Zusammenhänge aufzuzeigen: den Anti-Apartheid-Aktivismus in Stadt und Land, die Aufgaben und Freiheiten der Sicherheitskräfte, die damalige zynische Berichterstattung. Die Betroffenen werden einzeln befragt, und es sind Ausschnitte aus den Verhandlungen zu sehen sowie Nachrichten und Polizeivideos. Durch die geschickte Darstellungsweise der beiden erfahrenen amerikanischen Dokumentarfilmerinnen Frances Reid und Deborah Hoffmann, die bereits mehrfach zusammen gearbeitet haben („Complaints of a Dutiful Daughter“) wird ein soziales Klima fassbar, das von einer offenen Todfeindschaft zwischen den Ethnien gekennzeichnet ist: unter diesem Einfluss verübten beiden Seiten Verbrechen ohne jegliches Schuldbewusstsein. Eine junge weiße Amerikanerin war für die Sache der Schwarzen nach Südafrika gekommen und wurde hier von jungen Schwarzen, die sie für eine Angehörige der Unterdrückerschicht hielten, ermordet. Es sind die Eltern jener Amy Diehl, die nunmehr die Mutter des Täters besuchen und sich ausdrücklich für dessen Amnestie aussprechen: Sie wollen vergeben, um die Mission ihrer Tochter zu erfüllen. Eric Taylor, ein weißer ehemaliger Offizier der Sicherheitskräfte, hatte einst einen von vier Aktivisten einer Provinzgruppe ermordet und zeigt sich heute geläutert: er habe Nelson Mandelas Autobiografie gelesen und dadurch seine Sichtweise geändert. Seine Mitangeklagten berufen sich eher auf ihr damaliges Pflichtgefühl und die Notwendigkeit, die Ordnung aufrecht zu erhalten - selbst vor den Augen der Angehörigen haben sie kein Einsehen. Robert McBride, ein schwarzer Aktivist, hat mit einer Autobombe drei weiße Frauen getötet und bereut heute seine Tat zutiefst, gibt aber zu bedenken, dass ohne die Apartheid nichts von alledem passiert wäre. Die Schwester eines der Opfer erklärt, dass ihre Familie bis zu jenem Tag in einem Kokon gelebt habe, abgeschottet von jeder „Politik“. Und schließlich kommt Thapelo Mbelo, ein schwarzer Polizeispitzel, zu Wort, der einst einen von sieben Aktivisten tötete. Am Ende trifft er sich zu einem Privatgespräch mit einer Gruppe weiblicher Angehöriger, bei dem er blanken Hass, aber auch christlich motivierte Vergebung erntet - eine der ergreifendsten Szenen des Films, dessen Stärke es ist, die unterschiedlichen Ansichten miteinander zu konfrontieren und unkommentiert stehen zu lassen. Was in Südafrika derzeit passiert, das zeigt der Film sehr deutlich, ist ein schwieriger, schmerzhafter und langer Prozess, aber zugleich ein äußerst zivilisierter und disziplinierter Versuch, einer gespaltenen Nation eine Zukunft zu verschaffen.
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